Es herrscht eine feierliche Atmosphäre auf dem Cricket Field von Congham, einem verschlafenen Dorf eine Autostunde nördlich von Cambridge. Die örtliche Blaskapelle spielt auf, Dorfbewohner verkaufen Kaffee, Kuchen und selbst gebrautes Bier - doch die größte Attraktion befindet sich auf der Mitte des Spielfelds: Hier scharen sich ungefähr fünfzig Menschen um einen kreisrunden Tisch, bedeckt mit einem nassen Tuch.
"There we go. Ready - steady - slow!"
Seit knapp fünfzig Jahren findet in Congham alljährlich die World Snail Racing Championship statt: das größte und wichtigste Schneckenrennen der Welt. Drei Stunden dauert das Ganze: Nach einem Dutzend Ausscheidungsrennen gibt es eine Finalrunde, bei der der Sieger gekürt wird. Die Tiere starten jeweils in der Mitte des Tischs, auf den zur Orientierung konzentrische Kreise gemalt sind. Auf das Kommando des Rennleiters Neil Riseborough - "Auf die Plätze - fertig - langsam!" - geht es los.
Auch in England herrscht diesen Sommer außergewöhnliche Hitze. Alles ist daher etwas träger: sowohl die mit kleinen Nummernschildern versehenen Rennschnecken als auch ihre Besitzer. Und sie sind auch weniger zahlreich als gewöhnlich. Neil Riseborough:
"Ich glaube, diese Hitze hat die Begeisterung ein wenig gedämpft. Es war ganz schön harte Arbeit, sie anzuspornen - heute Abend wird mir der Hals wehtun. Wir hatten heute nur 150 Schnecken am Start. Das ist nicht besonders viel, normalerweise treten bis zu 250 an. Es hat lange gedauert, bis die Sache in Schwung kam. Es gab schon ein paar gute Rennen, aber – sie waren eben eher langsam."
Ausdauertraining und richtige Ernährung
Seit zwanzig Jahren bekleidet Neil Riseborough das ehrwürdige Amt des snail master - und hat in dieser Zeit wertvolle Erfahrungen gesammelt, wie man seine Schnecken am besten auf den Wettbewerb vorbereitet:
"Zum Training lässt man sie am besten an großen Glastüren hochkriechen: Dadurch bekommen sie Kondition und laufen nachher in der Ebene schneller. Wir haben auch lange über die richtige Ernährung nachgedacht, und ich glaube, das Wichtigste ist, dass man ihnen eine einfache und natürliche Kost anbietet. Manche Schnecken mögen lieber Gemüse, andere bevorzugen Fliegen - aber es gibt keine festen Regeln, wie das ihr Wettkampfverhalten beeinflusst. Das macht die Sache umso spannender!"
Ausdauertraining hin, richtige Ernährung her: Es bleibt ein gewisses Element des Zufalls. So ist der im Guinness Buch der Rekorde aufgeführte Weltrekord denn auch seit zwanzig Jahren ungebrochen:
"Der Weltrekord wurde von einer Schnecke namens Archie aufgestellt, das muss 1994 oder '96 gewesen sein, und er liegt bei zwei Minuten. Ich muss gestehen: Ich weiß gar nicht, was die heutige Bestzeit war. Es war ziemlich klar, dass das kein weltbewegendes Ergebnis werden würde, deshalb habe ich gar nicht drauf geachtet. Tut mir leid!"
Zum Glück hat Neil Riseborough eine Assistentin, die bei den Rennen die Zeit misst: Exakt 3 Minuten, 19 Sekunden und 68 Hundertstel benötigte die diesjährige Siegerin, eine Weinbergschnecke namens Wells, für die 33 Zentimeter lange Strecke. Als Trophäe erhielt sie einen silbernen Pokal sowie einen frischen Kopfsalat - ihre Konkurrenten Salty, Sandy, Bale sowie 146 weitere hungrige Weichtiere hatten das Nachsehen.