Unzählige Schaulustige sind zum Wormser Dom gekommen. Sie werden Zeugen eines welt- und kirchenpolitischen Ereignisses von enormer Bedeutung. Durch einen Friedensvertrag auf höchster Ebene, zwischen dem deutschen Kaiser Heinrich V. und Papst Calixt II., soll ein Konflikt beendet werden, der das Reich seit einem halben Jahrhundert in Atem hält.
„Und dann wurde das Ganze nicht etwa im Dom abgeschlossen, da gab es nachher natürlich eine Messfeier, sondern es wurde auf eine Wiese nach außen verlegt, damit also möglichst eine große Öffentlichkeit dabei zusehen konnte, wie zum einen der Kaiser wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen wurde, wie ihm der Anführer der drei päpstlichen Stellvertreter den Friedenskuss gab und wie also auch alle, die auf der Seite Heinrich V. standen, wieder in die Kirche aufgenommen wurden und man sich aussöhnte.“
So die Historikerin und Mittelalter-Expertin Claudia Zey über den Friedensschluss vom
23. September 1122, der als Wormser Konkordat in die Geschichte eingeht. Mit ihm wird der sogenannte Investiturstreit beendet, bei dem es unter anderem darum ging, wer das Recht hat, höchste Kirchenämter zu besetzen: Papst oder König.
23. September 1122, der als Wormser Konkordat in die Geschichte eingeht. Mit ihm wird der sogenannte Investiturstreit beendet, bei dem es unter anderem darum ging, wer das Recht hat, höchste Kirchenämter zu besetzen: Papst oder König.
Versöhnliche Worte
„Ich, Heinrich, von Gottes Gnaden erhabener römischer Kaiser, überlasse der heiligen katholischen Kirche jegliche Investitur mit Ring und Stab, und ich erlaube, dass in allen Kirchen kanonische Wahlen und freie Weihen stattfinden. Die Besitzungen, die seit Beginn dieses Streits weggenommen wurden, werde ich der Heiligen römischen Kirche zurückerstatten “
„Ich, Bischof Calixt, verleihe Dir, meinem geliebten Sohn Heinrich von Gottes Gnaden erhabenem Kaiser, dass die Wahlen der Bischöfe und Äbte des deutschen Königreiches, in deiner Gegenwart stattfinden, aber ohne Simonie und irgendwelche Gewalt, wahren Frieden gebe ich dir und allen denen, die auf deiner Seite stehen oder standen zur Zeit dieses Streites.“
Mit diesen versöhnlichen Worten endet ein zum Teil kriegerischer Konflikt, der zwischen zwei Herrschergenerationen der Salierkönige und den jeweils amtierenden Päpsten ausgefochten wurde.
Korruption und Vetternwirtschaft
Anlass für diesen „Investiturstreit“ war eine innerkirchliche Reformbewegung, die eine Rückbesinnung auf einfache benediktinische Werte forderte, vor allem aber der Vetternwirtschaft seitens der Könige und Fürstenhäuser bei der Vergabe lukrativer Bischofsämter Einhalt gebieten wollte, was die römische Kirche als Häresie und Simonie verurteilte, so Mediävistin Claudia Zey: „Man wollte eine weitgehende Freiheit der kirchlichen Welt von allen weltlichen, laikalen Einflüssen erreichen, die als schädlich angesehen wurden.“
Hatte sich der kirchentreue Heinrich III. diesen Reformbestrebungen gegenüber noch offen gezeigt, kam es nach dessen Tod im Jahr 1056 unter der Regentschaft seines Sohnes Heinrich IV. zum Bruch mit dem Papst. Nicht nur, dass der junge König eigenmächtig über die Ernennung von ihm treu ergebenen Bischöfen entschied, verkündete er 1076 in Worms sogar die Absetzung des Papstes. Der verhängte im Gegenzug über Heinrich und viele seiner Getreuen den Kirchenbann. Sie wurden exkommuniziert.
Canossa versöhnte nur kurzfristig
Mit seinem legendären Bußgang zum Papst, der 1077 in Canossa weilte, konnte Heinrich IV. die angespannte Lage zunächst beruhigen. Vorerst. Doch schon bald entbrannte der Kampf um die Vorherrschaft im Reich umso heftiger und wurde auch in die nächste Generation getragen, so Claudia Zey: „Wir müssen uns vorstellen, dass in Deutschland und auch in Teilen Italiens es tatsächlich kriegerische Zustände gab, die die Ressourcen aller Beteiligten sehr stark in Mitleidenschaft zogen, und das war auch ein Grund, warum die Fürsten, die geistlichen wie die weltlichen, wollten, dass dieser Konflikt endlich aufhörte. Das Reich befand sich in einer ganz grundlegenden Krise, die eigentlich für alle Bevölkerungsteile damit einherging.“
Ewig währt der Frieden, der im September 1122 in Worms ausgehandelt wird, allerdings nicht. Als 30 Jahre später der machthungrige Stauferkönig Friedrich I., Barbarossa, den Thron besteigt, geht die Auseinandersetzung zwischen Kirche und Krone in die nächste Runde.