Worum geht es in der Polizeilichen Kriminalstatistik?
Die Polizeiliche Kriminalstatistik - kurz PKS - enthält die der Polizei bekannt gewordenen Straftaten und versuchten Straftaten. Außerdem sind die Anzahl der ermittelten Verdächtigen und weitere Angaben zu den Fällen und Opfern aufgeführt. Sie wird einmal pro Jahr veröffentlicht und beruht auf Daten der Landeskriminalämter. Das Bundeskriminalamt betont, dass bestimmte Delikte nicht in der Statistik aufgeführt sind. Konkret geht es um Staatsschutzdelikte, Verkehrsdelikte, Ordnungswidrigkeiten, Delikte, die nicht zum Aufgabenbereich der Polizei gehören und Straftaten, die direkt bei der Staatsanwaltschaft angezeigt werden.
Was sind die wichtigsten Zahlen aus der Kriminalstatistik?
Die Zahl registrierter Straftaten ist im vergangenen Jahr bundesweit um 5,5 Prozent auf fast sechs Millionen gestiegen. So viele Fälle hatte es zuletzt im Jahr 2016 gegeben. Die Zahl der Tatverdächtigen stieg um 7,3 Prozent auf 2,2 Millionen. Im Bereich der Gewaltkriminalität wurde im vergangenen Jahr der höchste Stand seit 15 Jahren erreicht - die Zahl der Delikte wird mit 214.100 angegeben (plus 8,6 Prozent). Das liege vor allem an der Zunahme der gefährlichen und schweren Körperverletzung, hieß es. Die Aufklärungsquote aller erfassten Straftaten betrug 58,4 Prozent und lag damit 1,1 Prozentpunkte über dem Wert von 2022.
Woran liegt der Anstieg der registrierten Straftaten?
Expertinnen und Experten des BKA machen drei zentrale Faktoren für die Zunahme der Delikte aus: Durch das Ende der corona-bedingten Einschränkungen sind mehr Menschen im öffentlichen Raum unterwegs, das bietet mehr Gelegenheiten und Anlässe für Straftaten. Auch wirtschaftliche und soziale Belastungen unter anderem durch gestiegene Preise machen sich laut BKA bemerkbar. Außerdem hätten Kinder und Jugendliche mit erhöhten psychischen Belastungen als Folge der Corona-Maßnahmen zu kämpfen, was sich auch auf ihre Anfälligkeit, Straftaten zu begehen, auswirken können.
Als dritter Faktor wird die Migration genannt, konkret die hohe Zuwanderungsrate. Es sei davon auszugehen, dass viele Schutzsuchende mehrere Risikofaktoren für verschiedene Deliktsbereiche aufweisen, heißt es. Dazu gehörten die Lebenssituation in Erstaufnahmeeinrichtungen sowie wirtschaftliche Unsicherheit und Gewalterfahrungen.
Welche Daten gibt es zu ausländischen Verdächtigen?
Von den rund 2,2 Millionen Tatverdächtigen waren laut PKS etwa 923.000 ausländische Staatsbürger, ein Plus von 17,8 Prozent. Stark angewachsen sind demnach die Delikte "unerlaubte Einreise" (93.158 Fälle, plus 40,4 Prozent) und "unerlaubter Aufenthalt" (187.059, plus 28,6 Prozent). Bei der Gewaltkriminalität sind von 190.605 Tatverdächtigen insgesamt 79.000 Menschen ohne deutschen Pass und 26.000 Zuwanderer.
Die Zunahme der ausländischen Verdächtigen hat eine Debatte über Migration ausgelöst. So forderten unter anderem Vertreter der Unionsparteien eine restriktivere Migrationspolitik und mehr Abschiebungen. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Throm, sagte im Deutschlandfunk, man beobachte beispielsweise, dass Gewalterfahrungen im Herkunftsland zu geringeren Hemmschwellen führten.
Welche Regionen sind am sichersten?
In die PKS fließen die Berichte der Landeskriminalämter ein. Im Vergleich zeigt sich wie in den Vorjahren ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Bezogen auf die Häufigkeit der Straftaten pro 100.000 Einwohner leben Menschen in Berlin (14.292 Delikte) am unsichersten. Dahinter folgen Bremen (14.170), Hamburg (12.380) und Sachsen-Anhalt (8.863). Am sichersten ist laut Statistik weiter Bayern (4.873).
Wie schätzen Experten die PKS ein?
Der GdP-Bundesvorsitzende Kopelke sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Zunahme der Gewaltkriminalität mit mehr jungen Tatverdächtigen, einem gestiegenen Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger und erheblich mehr Wohnungseinbruchdiebstählen verdeutliche, dass der Kampf um Wohlstand begonnen habe und das Recht des Stärkeren populärer werde.
Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Universität Frankfurt am Main, bezeichnete die PKS im NDR-Fernsehen als "Tätigkeitsstatistik der Polizei". Sie gebe nicht unbedingt die "Kriminalitätswirklichkeit" wieder, sondern erfasse vor allem, welche Fälle die Polizei bearbeitet hat. Singelnstein betonte, für 2023 gebe es keinen dramatischen Anstieg. Er verweist darauf, dass die Zahl der erfassten Delikte bis 2021 mehrere Jahre lang rückgängig gewesen sei.
Mit Blick auf die Debatte über nicht-deutsche Tatverdächtige meint der Kriminologe, der Anstieg der Delikte sei leicht zu erklären, denn in den vergangenen Jahren seien mehr Menschen nach Deutschland gekommen. Er betonte, junge Männer seien immer die Gruppe, die am meisten Straftaten begehe. "Die Frage, ob man Straftaten begeht oder nicht, hat nichts mit der Staatsangehörigkeit oder dem Pass zu tun, sondern mit den sozialen Lebenslagen, dem Alter und dem Geschlecht", so Singelnstein.
Diese Nachricht wurde am 09.04.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.