Wie immer blickt er etwas streng auf seine Genossinnen und Genossen hinab - der überlebensgroße Willy Brandt im Atrium der SPD-Parteizentrale in Berlin-Kreuzberg. Doch was er an diesem Abend sieht und hört, dürfte ihn erfreuen - hat Willy Brandt doch über seine erste Regierungserklärung 1969 das Motto "Mehr Demokratie wagen" geschrieben. Die Berliner SPD wagt mehr Demokratie - die 17.200 Mitglieder dürfen direkt über die Nachfolge von Klaus Wowereit entscheiden, morgen werden die Stimmzettel ausgezählt.
"Wir machen ja ein Experiment hier. Man kann im Lichte der Massen, die heute hier sind und auch im Lichte von Willy ganz stolz sein, auf das was wir geleistet haben. Es ist keine vier Wochen her, dass Klaus seinen Rücktritt angekündigt hat, und wir sind schon mitten in einem Prozess, der die Nachfolge organisiert."
Mark Rackles, Mitglied im Landesvorstand der Berliner SPD, begrüßt die Genossinnen und Genossen, die das Atrium des Willy-Brandt-Hauses bis zum letzten Platz füllen, an den Wänden lehnen, sich auf der Treppe drängeln. Einige von ihnen tragen knallrote T-Shirts mit der Aufschrift: "Bist Du soweit? Ich bin soweit. Raed Saleh." Spätestens jetzt wird klar: Der innerparteiliche Kampf um die Nachfolge von Klaus Wowereit wird ein spannendes Rennen. Zur Wahl stehen: SPD-Landeschef Jan Stöß, Bausenator Michael Müller und Fraktionschef Raed Saleh.
"Ich möchte als Regierender Bürgermeister die Wahl 2016 für uns mit euch gemeinsam gewinnen."
"Ich will ein Regierender Bürgermeister für Berlin sein, der zu der Stadt passt. Berlin ist eine unglaublich schnelle Stadt, eine Stadt, die nie stillsteht, und deshalb brauchen auch wir den Mut zur Veränderung."
"Ich hab viel Erfahrung, in der Partei, im Parlament, jetzt in diesem Regierungsamt seit drei Jahren. Und ich sage Euch: Ich möchte Regierender Bürgermeister in Berlin werden."
Murren über Wowereits Rücktritt ist überschaubar
Kurzer Rückblick: Klaus Wowereit im 13. Jahr seiner Amtszeit. Seine bundespolitischen Wünsche haben sich nicht erfüllt. Viele haben den Eindruck: Er ist regierungsmüde. Wichtige stadtpolitische Debatten finden längst ohne den Regierenden Bürgermeister statt. Der Volksentscheid über die Bebauung des Tempelhofer Feldes: Von Klaus Wowereit ist nichts zu hören. Der 61-Jährige hat den Aufsichtsratsvorsitz der Flughafengesellschaft wieder übernommen, doch der BER kommt kaum voran. Nach wie vor ist unklar, wann das erste Flugzeug abheben und wie viel der Hauptstadtflughafen am Ende kosten wird. Im Laufe des Frühsommers reift bei Klaus Wowereit die Entscheidung, sein Amt zum Ende des Jahres aufzugeben. Am Dienstag, dem 26. August, gibt er seinen Rückzug bekannt. Auf der Senatspressekonferenz sagt der SPD-Politiker:
"Erstens dass ich für eine erneute Kandidatur für das Amt des Regierenden Bürgermeisters für die nächste Legislaturperiode nicht zur Verfügung stehe. Und zweitens, dass ich mein Amt am 11. September - äh, nicht zu früh (Lachen) - zum 11. Dezember zur Verfügung stelle."
Es ist ein Abgang, der zu Klaus Wowereit passt. Kaum jemand wusste Bescheid, nur engste Vertraute sind eingeweiht, selbst der Chef der Senatskanzlei wird überrascht - er befindet sich an diesem Tag im Urlaub. Wowereit hat den Zeitpunkt für seinen Rückzug klug gewählt: Das Murren über ihn in der Berliner SPD ist überschaubar, eine Nachfolgedebatte noch nicht entbrannt.
"Wer mich kennt, der weiß auch, dass es nicht so leicht ist, mich vom Hof zu vertreiben. Also das, glaube ich, wäre keinem so einfach gelungen. Insofern hatte ich davor auch keine Angst oder Befürchtungen. Sondern ich habe für mich eine Entscheidung getroffen, die ist auch über Monate gereift und ich glaube, und das ist auch eine richtige Entscheidung."
Eine Entscheidung, die bei der Opposition sofort den Ruf nach Neuwahlen erschallen lässt und beim Koalitionspartner CDU für eine abwartende Haltung sorgt. Wir haben einen Vertrag mit der SPD, nicht mit Wowereit, heißt es bei den Christdemokraten. Kai Wegner, Generalsekretär der Berliner CDU:
"Wir haben einen Wählerauftrag, und wir haben die Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern. Wir wollen diese Stadt gemeinsam mit dem Koalitionspartner fünf Jahre regieren, nach vorne bringen, wir haben einiges erreicht in Berlin in den letzten Jahren. Wir haben einen Koalitionsvertrag, und wir werden jetzt erst einmal schauen, welcher Kandidat sich durchsetzt, dann wird es sicherlich auch das ein oder andere Gespräch mit dem Kandidaten geben, nachdem unsere Gremien beraten haben, wie wir diese Entscheidung der SPD werten."
Die CDU steht also fest an der Seite ihres Koalitionspartners SPD und hofft insgeheim auf einen schwachen Wowereit-Nachfolger. Umso schlechter der Start des Neuen, umso besser die Chancen für die Christdemokraten bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2016. Dass die Unruhe dann groß ist bei den Sozialdemokraten, dass Klaus Wowereit ein unbestelltes Feld hinterlässt, könnte die Position der CDU verbessern. Bei seiner Rücktritts-Pressekonferenz macht Wowereit noch einmal klar: Ich kümmere mich nicht um einen Nachfolger.
"Ich bin Mitglied einer demokratischen Partei, und die wird sich gut überlegen, wen sie dann ins Rennen schickt. Und ich glaube, es ist nicht so angesagt, dass derjenige, der ausscheidet, sich da besonders einmischt. Dann werde ich da sicher eine bescheidene Rolle dabei spielen, aber keine besonders aktive."
Zum ersten Mal ein muslimischer Landeschef?
Um 13 Uhr erklärt Klaus Wowereit seinen Rückzug. Nur 90 Minuten später verkündet der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh: "Ich will Nachfolger werden". Der Eindruck entsteht: Da drängt es jemanden gewaltig in ein Regierungsamt. Erst 37 Jahre ist Saleh alt, ungeduldig, ehrgeizig, manchmal voreilig und ungestüm. Durchdrungen von einem unbändigen Aufstiegswillen.
"Geboren bin ich im Westjordanland, im Samara-Gebiet, in einem Dorf namens Sebastia, und hergekommen bin ich, als mein Vater, der hier schon länger lebte, uns 1982 nachgeholt hat. Und so kam ich im Alter von fünf Jahren nach Berlin Spandau."
Eine palästinensische Großfamilie, neun Kinder. Raed ist das sechste. Bescheidene Verhältnisse, er fängt früh an zu arbeiten. Mit elf trägt er Zeitungen aus, mit 16 beginnt Raed Saleh, neben der Schule in einem Fast Food-Restaurant zu jobben.
"Ich habe Buletten gebraten, ja, ich stand auch an der Fritteuse und habe Pommes frittiert, auch das stimmt, und ich stand an der Kasse, habe Gäste bedient. Es ist ein ehrlicher Beruf, ich hab's gerne gemacht, ich habe gerne mein eigenes Geld verdient."
Würde Raed Saleh den SPD-Mitgliederentscheid gewinnen, er wäre der erste muslimische Landeschef in Deutschland. Der 37-Jährige stünde mit seiner Person für das internationale, das weltoffene, tolerante Berlin. Die Geschichte "Vom Bulettenbrater zum Regierenden Bürgermeister" elektrisiert viele - israelische, arabische, französische Medien berichten über Raed Saleh. Und er genießt diese Aufmerksamkeit in vollen Zügen - hat er doch in den Jahren zuvor viel Misstrauen erfahren. Kann der das überhaupt? lautete die gängige Frage, gerne hinter seinem Rücken gestellt.
"Das war so, wo ich Kreisvorsitzender werden wollte, war das so, wo ich Abgeordneter werden wollte, auch als ich Fraktionschef werden wollte. Da gab es ganz viele Bedenken. In einigen Zeitungen stand, dass das gar nicht geht, dass das nicht passt, dass das nicht funktioniert. Ich glaube, die Leute sind eines besseren belehrt worden. Ich kenne kaum jemanden, der meine Arbeit als Fraktionsvorsitzender kritisiert, ist mir nicht bekannt."
Raed Saleh macht einen amerikanischen Wahlkampf. Viel hilft viel, so seine Devise. T-Shirts für seine Anhänger, jeden Tag unzählige Fotos auf Facebook, emotionale Reden, immer ein klein wenig zu laut. Auch Pathos scheut er nicht - so wie bei seiner Vorstellungsrede im Willy-Brandt-Haus.
"Neulich war ich alleine an einem ganz bestimmten Ort. Am Grab meines Vaters. Ich habe mich gefragt, was würde mein Vater wohl sagen, was würde er mir raten. Ich glaube, Genossinnen und Genossen, er würde mir das sagen, was er uns, was er mir damals gesagt hat, als ich als kleines Kind nach Berlin kam. Mein Vater hat gesagt, arbeite hart, Raed, tu was für Deine Heimat, tu was für Berlin."
Stöß: Abgrenzung von Wowereit
Im Publikum wird mit den Augen gerollt. Die Anrufung des toten Vaters, das empfindet so manch Berliner Genosse als unpassend. Auch die beiden anderen Kandidaten Jan Stöß und Michael Müller distanzieren sich von dem bisweilen marktschreierischen Wahlkampfstil Salehs.
"Keine Buttons, keine T-Shirts, kein Konfettiregen," antwortet zum Beispiel Michael Müller auf die Frage, welche Geschenke er für die SPD-Basis im innerparteilichen Nachfolgekampf bereithält. Und Jan Stöß:
"Ich bin davon überzeugt, dass es darauf ankommt, die Mitglieder im direkten Kontakt zu erreichen."
Dr. Jur. Jan Stöß, 41 Jahre alt, Verwaltungsrichter und Vorsitzender von 17.200 Berliner SPD-Genossinnen und Genossen. Er stammt aus Hildesheim, war Schülersprecher und Juso-Chef, hat als Anwalt gearbeitet und als Bezirksstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Linker in der SPD. Ein machtbewusster Parteifunktionär, der seinen Aufstieg generalstabsmäßig vorbereitet hat. Zunächst tat er sich mit dem Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh zusammen, um Michael Müller den Posten des Landesvorsitzenden abzujagen. Dann baute er Zug um Zug sein Netzwerk aus, sicherte sich bekannte Unterstützer für seine Kandidatur als Wowereit-Nachfolger. Den langjährigen DGB-Chef Michael Sommer, die frühere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes Jutta Limbach oder auch Stephan Kramer, zuvor Generalsekretär des Zentralrats der Juden. Stärker als die anderen beiden Kandidaten setzt sich Jan Stöß von der Politik Klaus Wowereits ab - zum Beispiel von dessen berühmtem Spruch: Berlin ist arm, aber sexy.
"Wir haben mehr Reichtum in der Stadt, und trotzdem gibt es noch viele Menschen, die arm sind. Das Pro-Kopf-Einkommen ist immer noch ziemlich niedrig, zu niedrig. Und Armut ist Armut an Chancen, Armut an Teilhabe, Armut an Perspektive. Armut ist eben nicht sexy, liebe Genossinnen und Genossen."
Jan Stöß strotzt vor Selbstbewusstsein, gibt sich bereits vor der Entscheidung als Staatsmann. Als einziger der drei Kandidaten redet er nicht im Konjunktiv, wenn es um das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin geht. Ein 100-Tage-Regierungsprogramm hat er vorgelegt, die Zusammenarbeit mit dem Nachbarland Brandenburg und dem dortigen Ministerpräsident Dietmar Woidke will er verbessern - auch und gerade bei der Skandalbaustelle BER.
"Das ist kein guter Zustand, dass die beiden Landesregierungen an verschiedenen Seiten des Strangs ziehen, wir müssen da zusammenarbeiten, und das will ich mit dem Kollegen Woidke auch sofort angehen, sofort nach meiner Wahl."
Hochmut kommt vor dem Fall, unken die Genossen, die ihn nicht mögen. Sollte Jan Stöß ein schlechtes Ergebnis einfahren, dürfte sein Stuhl als SPD-Landeschef wackeln. Doch bis zur Auszählung der Wahlzettel gibt er sich weltmännisch und redegewandt. Was wollen Sie tun, um Berlin noch internationaler zu machen? lautete eine auf Englisch gestellte Frage beim ersten Mitgliederforum.
"And now, let's speak English: How do you intent to make Berlin even more international?"
"If I would become the Governing Mayor of Berlin, I would fight every day in office for openness and tolerance of Berlin. Ein Satz reicht, oder?" (lacht)
Müller: Mehr politische Erfahrung als die anderen beiden Kandidaten
Von den beiden Konkurrenten Raed Saleh und Michael Müller: viele Sätze über die Internationalität Berlins, aber keiner davon auf Englisch. Der 49-jährige Michael Müller: Er war lange Jahre Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, als SPD-Parteichef hielt er Wowereit den Rücken frei, als Senator für Bauen, Wohnen und Umwelt bearbeitet er die Berliner Zukunftsressorts. Müller - das ist der ruhige, bisweilen bescheidene, solide Arbeiter.
"Ich glaube, dass ich sehr gut bekannt bin in der Berliner SPD und auch durch meine Arbeit sicherlich viele anspreche und überzeugen kann, und mir ist es eben wichtig, in der Art, wie ich in den letzten Jahren gearbeitet habe, weiterzumachen und nicht so zu tun, als ob man alles neu erfinden muss und mit Wahlkampfmitteln dann eine ganz neue Stadtpolitik machen kann. Sondern es kommt wirklich darauf an, die Themen anzupacken, Dinge voranzubringen, umzusetzen, dafür stehe ich und das mache ich deutlich."
Der gebürtige Berliner hat mehr politische Erfahrung als die anderen zwei Kandidaten. Wer sein Kreuzchen bei Michael Müller macht, der weiß, was er bekommt: mehr Kontinuität als Neuanfang, eher rot-schwarz als rot-rot, Verlässlichkeit und eine solide Finanzpolitik.
"Ich stehe zumindest nicht dafür, allen alles zu versprechen. Wir haben uns unseren finanzpolitischen Kurs hart erarbeiten müssen. Es war nicht einfach, überhaupt das zu erreichen, das wir jetzt haben. Dass eben keine neuen Schulden aufgenommen werden oder wir sogar schon Schulden abtragen können. Das haben auch die Berlinerinnen und Berliner bezahlt, zum Beispiel durch Einkommensverzicht im Öffentlichen Dienst, das darf man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen."
Die beiden jüngeren Kandidaten - 37 Jahre alt der eine, 41 der andere - versuchen indirekt, Müller als Gestrigen darzustellen. Ein Wowereit-Mann sei er, der zu lange eine falsche Senats-Politik mitgetragen habe, zum Beispiel die Privatisierung von landeseigenen Wohnungen. Der Bausenator entgegnet dann:
"Es ist richtig, ich habe sehr gut und sehr gerne mit Klaus Wowereit zusammengearbeitet. Warum sollte ich mich dafür entschuldigen? Auf der anderen Seite sieht man in der Wohnungspolitik, dass in dem Moment, wo ich Instrumente und Verantwortung habe, die Dinge auch wirklich von einem Tag auf den anderen umstellen kann und meine Positionen auch durchsetze."
Schlammschlacht ist ausgeblieben
Fünf Männer werfen mit jeweils einem blumenverzierten Spaten jeweils eine Schippe weißen Sand in Richtung Fotografen. Ein albernes Bild, aber symbolträchtig. Denn zum ersten Mal seit 40 Jahren wird in der Gropiusstadt wieder gebaut. Berlin wächst, braucht dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Bausenator Michael Müller lässt sich diesen Spatenstich der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo natürlich nicht entgehen.
"Erst mal vielen Dank für die Einladung, das ist schön, wieder dabei sein zu können bei einem Spatenstich. Ich bin ja Ende 2011 ins Amt des Stadtentwicklungssenators gekommen. Und vom ersten Tag an war ja klar, ich will vorankommen beim Wohnungsbau, ich will, dass der Schalter umgelegt wird."
Wie immer in diesen Wochen, wenn einer der drei Kandidaten bei einem öffentlichkeitswirksamen Termin in der Hauptstadt auftritt, reden sich die Genossen hinterher die Köpfe heiß. Wie war der Auftritt? Hat er frei gesprochen oder abgelesen? Wie kam der Kandidat rüber? Volksnah oder abgehoben? Wer kann die Stadt besser repräsentieren? Und wer hat die besten Ideen?
"Einer ist mehr der Ideologe, der andere ist der junge Rohdiamant, der dynamische, moderne, das ist Herr Saleh, und wir haben natürlich den geübten Routinier, den jahrelangen Senator Herrn Müller. Ich persönlich glaube, dass Herr Müller die Nase vorn haben wird."
"Ich glaube tatsächlich, dass Raed Saleh ein guter Kandidat ist, jemand ist, der eine ganz besondere Vita hat, der ganz unterschiedliche Menschen innerhalb und außerhalb der Partei für sich begeistern kann, für die SPD, für die Politik begeistern kann, die integrieren kann und damit auch die ganze Vielfalt von Berlin abdecken kann."
"Also für mich ist es ganz schwierig, Michael Müller oder Raed Saleh, eher Müller, weil er schon Erfahrung als Bausenator hatte und sich schon profiliert hat, und Raed Saleh ein bisschen zu jung ist."
"Mein Favorit ist Jan Stöß, ich unterstütze Jan Stöß schon ganz lange und auch aus voller Überzeugung. Und ich finde, er wäre ein guter Regierender Bürgermeister und ein guter Nachfolger von Klaus Wowereit."
Einen eindeutigen Favoriten gibt es nicht
Sechs Wochen dauerte der innerparteiliche Wahlkampf der drei potenziellen Wowereit-Nachfolger. So mancher hatte eine Schlammschlacht vorhergesagt - die Berliner SPD werde sich selber zerlegen, meinten pessimistische Zeitgenossen. Doch dazu ist es nicht gekommen. Die drei sind mehr oder weniger pfleglich miteinander umgegangen, ließen sich nur indirekt dazu hinreißen, die Konkurrenten zu kritisieren. Die Entscheidung über die Wowereit-Nachfolge der Basis zu überlassen, war genau richtig, resümiert Landeschef Jan Stöß:
"Die Foren sind richtig gut besucht, und ich bin richtig stolz auf meine Berliner SPD, dass wir jetzt schon eine so gute Beteiligung haben, und man merkt, dass die Versammlungssäle voll sind, dass viele Fragen gestellt werden. Ich glaube, es steht jetzt schon fest, dass die SPD die große Siegerin des Verfahrens ist."
Heute ist Einsendeschluss für den Wahlzettel, morgen Nachmittag wird das Ergebnis bekannt gegeben. Wie die Berliner SPD-Basis tickt, ist schwer vorherzusagen. Zwei von drei Mitgliedern sind männlich, die Genossen sind älter als der Berliner Durchschnitt. Die schweigende, inaktive Mehrheit der SPD sei konservativer als die Spitze, heißt es. Das spräche für Michael Müller. Doch: Schicken diese Mitglieder auch ihren Wahlzettel ab? Die gemeinsamen öffentlichen Auftritte haben gezeigt, wie unterschiedlich die drei Kandidaten ticken - einen eindeutigen Favoriten gibt es nicht. Gut möglich, dass es zu einem zweiten Wahlgang kommt, zu einer Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten. Am 11. Dezember will Klaus Wowereit das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin an seinen Nachfolger übergeben. Der Verkauf der Wowereit-Gedenkmünze für 13 Euro das Stück - geprägt von der Staatlichen Münze Berlin - läuft bereits jetzt prächtig.