Von Marseille aus betrachtet liegt Karthago gar nicht so weit entfernt. Man muss nur an Korsika und Sardinien vorbeisegeln, um dort an die Gegenküste zu gelangen, wo heute Tunis liegt. Dass das Kulturleben Marseilles sich in den kommenden Jahren verstärkt um die Fragen des Mittelmeerraums kümmern soll, wird durch die Wahl zur "Kulturhauptstadt 2013" unterstrichen.
Bereits jetzt wurde auf die große Aufgabe eingestimmt. Die Opéra de Marseille erinnerte an den bevorstehenden 100. Todestag des in der Stadt geborenen Komponisten Ernest Reyer mit dessen bedeutendster musikdramatischer Arbeit: "Salammbô".
Den Opernfreunden ist das in grauen Vorzeiten vermutlich von vorderasiatischen Kolonisatoren gegründete Karthago durch Purcells "Dido and Aeneas" wie durch die "Trojaner" von Hector Berlioz ein fester Begriff. Als Dritte im Bunde könnte "Salammbô" hinzukommen - eine exotistische Oper mit einem fast klassizistischen, von dramatischen Chorpartien belebten und von hervorragend virtuosen Gesangspartien gekrönten Tonsatz. Bemerkenswert an Reyers Musik ist, dass sie in keiner Weise auf den bei seinen Zeitgenossen in Italien und auch bei seinem französischen Kollegen Jules Massenet unüberhörbaren Wagnerismus reflektierte, sondern eher noch einmal an Mendelssohns Oratorien anknüpfte. In einem solchen dezidiert traditionell mitteleuropäisch fundierten Zugriff auf eine maghrebinische Thematik lag ein klares Bekenntnis. Die Kompositionsmethode hat jedenfalls den Vorteil, dass sie alles schwüle Gedünst vermeidet und für klar mediterrane Lichtverhältnisse sorgt.
Das Libretto zur Oper "Salammbô" stammt von Camille de Locle und basiert voll und ganz auf dem Roman von Gustave Flaubert. Nach den Mißverständnissen und der Empörung, die dessen "Madame Bovary" 1857 ausgelöst hatte, wollte Flaubert seine orientalischen Reiseerfahrungen auf eine Weise verarbeiten, welche die ihn umgebende bourgeoise Krämer- und Stutzersphäre in Paris indirekt aufs Korn nahm: Flaubert entwarf mit seinem "Salammbô"-Roman eine ferne, lebenskräftige Welt, beschrieb die Schönheiten und Schrecken eines phantastischen Orients in strenger, objektivierender Prosa. Er entwarf mit glühender Distanz die Begierden und Leiden eines bunten mediterranen Völkergemischs in der Zeit der Punischen Kriege. Aus ihm ragen der Kriegsheld Mâtho und die Tanit-Priesterin Salammbô, die Tochter des regierenden Fürsten Hamilkar. Die schier unbeschreiblich schöne Jungfrau weckt die äußersten Begierden der Männer.
Flaubert verwob ihr Bild mit dem religiös-erotischen Motiv eines Schleiers, der im Tanit-Kult und für die Kampfmoral der Karthager eine bedeutsame Rolle gespielt habe - für eine "Republik" mit einer Bevölkerung, derer ethnische Rivalitäten ebenso für die Niederlage in den Kriegen gegen das römische Imperium ausschlaggebend waren wie die Konflikte mit afrikanischen "Randvölkern". Wie später Richard Wagners "Tristan und Isolde", so endet auch bereits "Salammbô" mit einem Opfer- und Liebestod: die Titelheldin muss am Tag der zwangsweisen Verheiratung mit dem bündnistreuen Numider-König den von ihr geliebten Mâthò opfern, ersticht aber statt ihm sich - und er dann sich selbst.
Der Dirigent Lawrence Foster sorgt für eine höchst intensive Wiedergabe der Musik, der in allen fünf Akten Vortritt gelassen wurde. Gilles Garon bestritt seinen Tenor-Marathon mehr als respektabel. Die noch relativ junge und schlanke Kate Aldrich sang die Titelpartie vorzüglich, ahmte als Darstellerin auf verblüffende Weise Anna Netrebko nach.
Der Regisseur Yves Coudray arrangierte die Tableaus der Schlacht-, Trink- und Liebes-Szenen vor einem leeren Horizont, in den auf die eine oder andere Weise zwei Säulen ragen (also ohne die von Reyer vorgesehenen Wechsel der exotischen Stadt- und Palastansichten). Die tonangebenden Herren trugen Fräcke, die Männer des Chors dunkle Alltagsanzüge, keine Uniformen, Rüstungen oder Waffen. Allerdings wurden häufig die bunten und exotischen Kostüm- und Bühnenbildentwürfe für die Uraufführung vor knapp 120 Jahren eingeblendet und so die Historizität und der originäre kulturgeschichtliche Horizont des Werks in Erinnerung gerufen. Das war eine pfiffige Notlösung.
Bereits jetzt wurde auf die große Aufgabe eingestimmt. Die Opéra de Marseille erinnerte an den bevorstehenden 100. Todestag des in der Stadt geborenen Komponisten Ernest Reyer mit dessen bedeutendster musikdramatischer Arbeit: "Salammbô".
Den Opernfreunden ist das in grauen Vorzeiten vermutlich von vorderasiatischen Kolonisatoren gegründete Karthago durch Purcells "Dido and Aeneas" wie durch die "Trojaner" von Hector Berlioz ein fester Begriff. Als Dritte im Bunde könnte "Salammbô" hinzukommen - eine exotistische Oper mit einem fast klassizistischen, von dramatischen Chorpartien belebten und von hervorragend virtuosen Gesangspartien gekrönten Tonsatz. Bemerkenswert an Reyers Musik ist, dass sie in keiner Weise auf den bei seinen Zeitgenossen in Italien und auch bei seinem französischen Kollegen Jules Massenet unüberhörbaren Wagnerismus reflektierte, sondern eher noch einmal an Mendelssohns Oratorien anknüpfte. In einem solchen dezidiert traditionell mitteleuropäisch fundierten Zugriff auf eine maghrebinische Thematik lag ein klares Bekenntnis. Die Kompositionsmethode hat jedenfalls den Vorteil, dass sie alles schwüle Gedünst vermeidet und für klar mediterrane Lichtverhältnisse sorgt.
Das Libretto zur Oper "Salammbô" stammt von Camille de Locle und basiert voll und ganz auf dem Roman von Gustave Flaubert. Nach den Mißverständnissen und der Empörung, die dessen "Madame Bovary" 1857 ausgelöst hatte, wollte Flaubert seine orientalischen Reiseerfahrungen auf eine Weise verarbeiten, welche die ihn umgebende bourgeoise Krämer- und Stutzersphäre in Paris indirekt aufs Korn nahm: Flaubert entwarf mit seinem "Salammbô"-Roman eine ferne, lebenskräftige Welt, beschrieb die Schönheiten und Schrecken eines phantastischen Orients in strenger, objektivierender Prosa. Er entwarf mit glühender Distanz die Begierden und Leiden eines bunten mediterranen Völkergemischs in der Zeit der Punischen Kriege. Aus ihm ragen der Kriegsheld Mâtho und die Tanit-Priesterin Salammbô, die Tochter des regierenden Fürsten Hamilkar. Die schier unbeschreiblich schöne Jungfrau weckt die äußersten Begierden der Männer.
Flaubert verwob ihr Bild mit dem religiös-erotischen Motiv eines Schleiers, der im Tanit-Kult und für die Kampfmoral der Karthager eine bedeutsame Rolle gespielt habe - für eine "Republik" mit einer Bevölkerung, derer ethnische Rivalitäten ebenso für die Niederlage in den Kriegen gegen das römische Imperium ausschlaggebend waren wie die Konflikte mit afrikanischen "Randvölkern". Wie später Richard Wagners "Tristan und Isolde", so endet auch bereits "Salammbô" mit einem Opfer- und Liebestod: die Titelheldin muss am Tag der zwangsweisen Verheiratung mit dem bündnistreuen Numider-König den von ihr geliebten Mâthò opfern, ersticht aber statt ihm sich - und er dann sich selbst.
Der Dirigent Lawrence Foster sorgt für eine höchst intensive Wiedergabe der Musik, der in allen fünf Akten Vortritt gelassen wurde. Gilles Garon bestritt seinen Tenor-Marathon mehr als respektabel. Die noch relativ junge und schlanke Kate Aldrich sang die Titelpartie vorzüglich, ahmte als Darstellerin auf verblüffende Weise Anna Netrebko nach.
Der Regisseur Yves Coudray arrangierte die Tableaus der Schlacht-, Trink- und Liebes-Szenen vor einem leeren Horizont, in den auf die eine oder andere Weise zwei Säulen ragen (also ohne die von Reyer vorgesehenen Wechsel der exotischen Stadt- und Palastansichten). Die tonangebenden Herren trugen Fräcke, die Männer des Chors dunkle Alltagsanzüge, keine Uniformen, Rüstungen oder Waffen. Allerdings wurden häufig die bunten und exotischen Kostüm- und Bühnenbildentwürfe für die Uraufführung vor knapp 120 Jahren eingeblendet und so die Historizität und der originäre kulturgeschichtliche Horizont des Werks in Erinnerung gerufen. Das war eine pfiffige Notlösung.