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Wüstenstrom-Projekt Desertec
"Jetzt geht es erst richtig los"

Die Pläne der Wüstenstrominitiative Desertec klangen gigantisch. Sonnen- und Windkraftwerke für rund 400 Milliarden Euro sollten in der Sahara entstehen. Doch die Desertec-Initiative wird abgewickelt. Damit sei die Idee aber nicht gestorben, sagte Friedrich Führ, früherer Vorstand der Desertec-Stiftung, im DLF.

Friedrich Führ im Gespräch mit Stefan Römermann |
    Dutzende Sonnenkollektoren stehen am in einem Solarpark des Photovoltaik-Spezialisten IBC Solar an der Autobahn 70 bei Buckendorf (Bayern).
    "Das Projekt hat es in dieser Form, wie es allgemein verstanden wird, nie gegeben." (dpa / David Ebener)
    Stefan Römermann: Die Pläne der Wüstenstrominitiative Desertec klangen gigantisch. Sonnen- und Windkraftwerke für rund 400 Milliarden Euro sollten in der Sahara entstehen. Der Strom sollte den Bedarf der afrikanischen Länder decken und außerdem noch über dicke Hochspannungsleitungen 15 Prozent des europäischen Strombedarfs. Doch seit gestern ist es offiziell: Die Desertec-Initiative wird abgewickelt. Übrig bleibt nur noch ein kleines Beratungsbüro mit rund zehn Mitarbeitern. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Friedrich Führ. Er war Gründungsvorstand der Desertec-Stiftung und hat den Vorstand aber schon 2010 verlassen und das Projekt seither immer wieder scharf kritisiert. Herr Führ, guten Morgen!
    Friedrich Führ: Guten Morgen.
    Römermann: Haben denn die beteiligten Unternehmen denn jetzt diese Vision vom ökologischen Strom aus der Wüste komplett an die Wand gefahren, oder gibt es noch irgendwelche Hoffnung für das Projekt?
    Führ: Zunächst muss man mal sagen, dass es nie ein Projekt in der Form gab, wie das allgemein verstanden wird. Das heißt, es müssen eine Menge von Missverständnissen noch ausgeräumt werden. Es ging in den letzten Tagen um die DII GmbH. Das war eine Planungsgesellschaft, zu der sich zunächst zwölf Partner zusammengefunden hatten, unter anderem auch die Desertec Foundation, für die ich im Vorstand tätig war, eine NGO, und die haben damals noch weitere Partner dazugenommen. Und der Auftrag der DII war, die Voraussetzungen für Wüstenstrom zu benennen: Was braucht die Industrie, damit Desertec von der Vision her umgesetzt werden kann.
    "Der Auftrag ist erfüllt"
    Römermann: Also war das alles jetzt nur ein großes Missverständnis, das eigentlich gar nicht die Initiative selber baut?
    Führ: Ja, genau! Die Initiative wollte nie selbst bauen. Deswegen sage ich, der Grund und der Auftrag, für den die DII gegründet wurde, der ist erfüllt. Das ist leider in den letzten Tagen untergegangen. Ich würde sagen, erstens: Mission acomplished, der Auftrag ist erfüllt. Und zweitens: Jetzt geht es erst richtig los. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in MENA muss jetzt massiv gestartet werden. Und ich muss sagen, wir haben unglaublich viel gelernt von der DII. Es hat Überraschungen gegeben und die sind ein Beleg dafür, dass es diese Industrieinitiative dringend brauchte.
    Römermann: Wer baut denn jetzt die Solarkraftwerke, wenn es nicht die Initiative selber ist? Ist das absehbar? Gibt es da schon ganz konkrete Projekte, die jetzt dort am Start sind?
    Führ: Ja, das gibt es auch, und es war immer gedacht, dass sich für einzelne Projekte Investoren zusammenfinden. Oft wurde gesagt, die DII sei ein Konsortium, die das bauen wollte. Das ist falsch! Darin waren auch Konkurrenten organisiert. Die konkreten Projekte, die einzelnen Anlagen sollten immer von eigenen Investorengruppen organisiert und auch finanziert und geplant werden, und das geht jetzt richtig los.
    Wenn ich zu den Ergebnissen der DII was sagen darf: Am Anfang, als die Initiative gegründet wurde, war der Anteil der Erneuerbaren Energien in Mena vernachlässigbar gering. Und heute gibt es schon eine Kapazität, die einen Gegenwert von etwa drei Atomkraftwerken hat, drei Gigawatt. Und in den nächsten sechs Jahren wird sich diese Zahl verzehnfachen. Da werden wir bis 2020 etwa die Kapazität von 35 Atomkraftwerken sehen. Zu den Ergebnissen der DII gehört, dass sie Standorte, konkrete Standorte in Europa und in Nordafrika identifiziert hat mit einem Potenzial von etwa 800 Atomkraftwerken, und das ist ein großartiger Erfolg.
    "Es geht nicht darum, dass Wüstenstrom in Deutschland ankommt"
    Römermann: Und was denken Sie? Wann wird der Wüstenstrom auch tatsächlich in Deutschland ankommen und Teil von unserem Energiemix werden? Oder ist das Thema jetzt nun wirklich vom Tisch?
    Führ: Diese Idee sollte schnellstmöglich verschwinden. Es geht nicht darum, dass Wüstenstrom in Deutschland ankommt. Eine meiner Lernerfahrungen aus dem Projekt war: Ich habe gedacht, es müsse am Anfang der Strom nach Europa fließen, damit die ersten Anlagen in Nordafrika finanziert werden können. Das ist aber überholt! Die Preise für Erneuerbare sind derartig gesunken, insbesondere im Bereich der Fotovoltaik, dass es das gar nicht mehr braucht. Das heißt, es braucht gar keine Subventionen, und die DII hat auch nie Subventionen gefordert. Das heißt, der Ausbau kommt von alleine und wird in den Ländern und von den Ländern jetzt organisiert, und das ist ein großartiger Erfolg. - Ich will noch was zur Wirkung sagen.
    Römermann: Ich muss Sie leider an der Stelle unterbrechen, weil wir kommen ansonsten mit dem Rest der Sendung ein wenig ins Schleudern. Vielen Dank für das Gespräch. - Friedrich Führ, Gründungsmitglied von der Desertec-Stiftung. Vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.