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Wütend auf Knopfdruck

Neurologie. - Von Null auf 180 in wenigen Sekunden. Aggressionen können blitzschnell hervorbrechen, wie beim HB-Männchen aus einer Zigarettenreklame der siebziger Jahre. Sie zu beherrschen ist gar nicht so leicht. US-Forscher haben es jetzt geschafft. Sie haben eine Art Aggressionsschalter ins Gehirn ihrer Versuchstiere eingebaut.

Von Michael Lange |
    Zunächst ist es ruhig im Mäusekäfig. Die Forscher des California Institute of Technology haben dem Versuchstier einen Latexhandschuh in den Käfig gelegt. Zum Spielen.

    "Die Maus sitzt im Käfig und schnuppert an dem Handschuh. Dann: ein Lichtsignal. Nach wenigen Sekunden stürzt sich die Maus auf den Handschuh. Sie beißt hinein und wirft ihn in die Luft. Aber sobald wir das Licht ausschalten, hört das sofort auf."

    David Anderson und sein Team haben einen optogenetischen Schalter in das Gehirn der Maus eingebaut. Mit Viren als Gentaxis haben sie einzelne Erbanlagen aus einzelligen Algen und Bakterien in die Nervenzellen der Tiere eingeschleust. Anderson:

    "Wir mussten eine feine Nadel in das Gehirn der Maus hinein führen. Damit haben wir eine winzige Menge Viren an eine bestimmte Stelle im Gehirn gespritzt. Nur sehr wenige eng beieinander liegende Nervenzellen haben die neuen Gene aufgenommen."

    Die eingeschleusten Gene führen dazu, dass diese wenigen Nervenzellen einen Lichtsensor in ihrer Außenhülle bilden. Sobald der Sensor ein Lichtsignal empfängt, aktiviert er die Nervenzelle. Dann mussten die Forscher noch eine feine Röhre in das Gehirn der Tiere legen. Durch ein Glasfaserkabel konnten sie dann Licht direkt zu den genetisch manipulierten Nervenzellen schicken. Durch Licht können sie die Nervenzellen nun gezielt ein- und ausgeschalten. So fanden die Forscher um David Anderson eine kleine Region im Mäusehirn, die die Aggressivität der männlichen Mäuse kontrolliert.

    "Die Region im vorderen Hypothalamus ist nur wenige hundert Mikrometer dick. Weniger als ein Millimeter im Durchmesser. Sie alleine reicht aus, um die Maus wütend zu machen. Wenn wir versehentlich nur einen zehntel Millimeter daneben gespritzt haben, wurden die Tiere ängstlich statt aggressiv. Wir mussten den Punkt ganz genau treffen."

    Dieselbe Region scheint auch das Sexualverhalten zu steuern. David Anderson und sein Team konnten in anderen Versuchen zeigen, dass die Aggressionszellen durch die Anwesenheit weiblicher Tiere beruhigt oder sogar still gelegt werden. Bei den optogenetisch veränderten Mäusen jedoch konnten sie diese Beruhigung verhindern.

    "Ein männliche Maus greift normalerweise niemals eine weibliche Maus an, sondern sie beschnuppert das weibliche Tier. Sobald wir den Lichtstrahl einschalten, greift die männliche Maus brutal an. Und wenn wir das Licht wieder ausschalten, beruhigt sich das Tier wieder. Sitzt da, als wäre nichts geschehen. So können wir das Angriffsverhalten an- und ausschalten – buchstäblich wie mit einem Lichtschalter."

    Wahrscheinlich ist es diese kleine Region hinter der Stirn, die einige Menschen zu notorischen Gewalttätern macht, vermutet David Anderson. Er hofft, dass die Identifizierung der verantwortlichen Zellen langfristig zu neuen Behandlungsmethoden für Sexual- und Gewaltverbrecher führen kann. Wegsperren, Hinrichten oder Kastrieren wie im Mittelalter, wären dann vielleicht nicht mehr nötig, so hofft er. Allerdings würden neue biologische Verfahren stark in die Persönlichkeit der Betroffenen eingreifen, und das würde sicher zu ethischen Diskussionen führen.