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Wulff "hat nicht die volle Wahrheit gesagt"

Der Grüne Stefan Wenzel aus Hannover hat neue Fragen an den Bundespräsidenten: Wer habe die "Geschäftsbeziehung" und die Abwicklung des Kredits korrekt dargestellt, Wulff oder sein "väterlicher Freund"? Dass Egon Geerkens das Staatsoberhaupt quasi belastet, findet Wenzel "sehr ungewöhnlich".

Stefan Wenzel im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Martin Zagatta: Hat Christian Wulff geltendes Recht gebrochen, indem er einen Privatkredit angenommen hat für sein Haus? Renommierte Staatsrechtler werfen genau ihm das jetzt vor und Wulff hatte nach langem Schweigen sein Bedauern ausgedrückt, gerät jetzt aber noch weiter unter Druck. Laut eines Berichts des "Spiegels" hat er das geliehene Geld nämlich de facto doch von dem Unternehmer Geerkens bekommen, so jedenfalls wird der jetzt vom "Spiegel" zitiert. Das Geld stamme also nicht, wie von Wulff behauptet, von der Ehefrau des Unternehmers. Wulffs Anwälte haben das dementiert. Und wir sind jetzt mit Stefan Wenzel verbunden, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Landtag von Niedersachsen, guten Morgen, Herr Wenzel!

    Stefan Wenzel: Guten Morgen, Herr Zagatta!

    Zagatta: Herr Wenzel, ob der Kredit jetzt von dem Unternehmer Geerkens oder von seiner Frau stammt, ist das jetzt die entscheidende Frage?

    Wenzel: Letztlich ist das nicht die entscheidende Frage, nach dem Geldwäschegesetz ist entscheidend, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist. Also, die Person, auf deren Veranlassung die Transaktion durchgeführt wurde, oder die Person, die eine Geschäftsbeziehung begründet hat? Das ist sozusagen die Frage, wer das war.

    Zagatta: Wie wollen Sie das aufklären?

    Wenzel: Die Frage, ob der Ministerpräsident vor dem Landtag die Wahrheit gesagt hat, ist ja seit vorgestern beantwortet, er hat nicht die volle Wahrheit gesagt. Aber unklar ist, ob er auch gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat. Und das wollen wir in der von uns beantragten Ältestenratssitzung am kommenden Dienstag klären.

    Zagatta: Wie lässt sich das dann klären?

    Wenzel: Wir werden die Fragen, die uns damals nicht beantwortet wurden oder unvollständig oder falsch oder unkorrekt, wir werden diese Fragen noch einmal stellen, wir werden ergänzende Fragen stellen. Diese Fragen richteten sich damals an die amtierende Landesregierung und wir werden der heute amtierenden Landesregierung ebenfalls diese Fragen wieder stellen und hoffen, dass sie zur Aufklärung beiträgt.

    Zagatta: Wulff hat ja inzwischen bedauert, dass ein falscher Eindruck entstehen konnte, denn, so sagt er, in der Sache habe er nichts zu verbergen. Stimmt das?

    Wenzel: Wenn ich die neuen Informationen aus dem "Spiegel" von gestern Nachmittag lese, dann habe ich da arge Zweifel. Ich frage mich im Nachhinein, ob der Vertrag nicht sogar rückdatiert wurde mit Frau Geerkens. Man fragt sich auch, warum der Scheck anonymisiert werden musste und man fragt sich auch, warum bei der Einlösung dieses anonymen Schecks nicht die Kontrolle nach dem Geldwäschegesetz erfolgte. All das sind Fragen, die sich natürlich auch dann an die Sparkasse in Osnabrück richten, aber wir werden zunächst im Ältestenrat versuchen zu klären, ob und warum unsere Frage damals nicht korrekt beantwortet wurde.

    Zagatta: Gehen Sie denn davon, also, ich meine, für die nicht korrekte Beantwortung hat er sich ja, hat ja zumindest sein Bedauern ausgedrückt … Gehen Sie denn davon aus, dass sich diese Überweisung, dass sich das alles noch so nachvollziehen lässt?

    Wenzel: Ich gehe davon aus, dass – so weit liegt das ja nicht zurück –, dass solche Dinge auch bei einer Sparkasse in Deutschland aufgezeichnet wurde. Aber ich hoffe darauf, dass alle Beteiligten rechtzeitig von selber dazu beitragen, die Umstände dieser Geschäftsbeziehung, die Veranlassung, die Gründe auf den Tisch zu legen und möglichst schnell auch zu einer Aufklärung beizutragen. Da wären, das wäre jedenfalls aus meiner Sicht jetzt angezeigt.

    Zagatta: Herr Wenzel, ist eine solche Kritik rechtlich überhaupt derart zu beanstanden? Man könnte ja auch sagen, ein Freund leiht dem anderen Geld.

    Wenzel: Also, für einen Beamten gilt ganz klar – und sinngemäß gilt das auch für das Ministergesetz und jeden Minister –, dass besondere Vergünstigung bei Privatgeschäften, zum Beispiel zinslose oder zinsgünstige Darlehen, untersagt sind. Und da ist eben ausdrücklich auch das Privatgeschäft genannt, weil man eben will, dass Amtspersonen über jeden Zweifel erhaben sind oder eben auch unabhängig sind. Man muss sich immer vorstellen, dort fallen unter Umständen Entscheidungen über Bankenrettung, über Milliardensummen, und da will man natürlich, dass die entsprechenden Personen nicht von Dritten beeinflusst werden können, sondern dass sie rein nach ihrem Gewissen und nach Recht und Gesetz entscheiden.

    Zagatta: Wie erklären Sie sich denn aus Sicht in Hannover, dass dieser Unternehmer, wenn der "Spiegel" jetzt richtig zitiert – und davon, denke ich, können wir ja ausgehen –, dass der mit seinen Aussagen seinen Freund Wulff jetzt derart in Schwierigkeiten bringt?

    Wenzel: Tja, das ist an der ganzen Geschichte das Verwunderlichste. Wenn diese Aussagen stimmen – aber da gehe ich erst mal davon aus, dass die auch gut und belastbar recherchiert sind –, dann fragt man sich natürlich, ob er … Ja, da stehen plötzlich zwei Aussagen gegeneinander, das ist schon ein sehr ungewöhnlicher Fall, den ich so aus der Vergangenheit auch nicht kannte. Umso mehr haben wir natürlich ein Interesse daran zu wissen, zu erfahren, wer jetzt praktisch die Geschäftsbeziehung korrekt dargestellt hat.

    Zagatta: Wenn sich das bewahrheitet, welche Konsequenzen hätte das dann für Wulff, wovon gehen Sie dann aus? Müsste er dann zurücktreten oder wovon gehen Sie aus?

    Wenzel: Wir wollen erst mal klären, ob es einen Verstoß gegen das Ministergesetz gegeben hat. Die Frage, die Sie gestellt haben, die müsste man Herrn Wulff selber stellen.

    Zagatta: Ihr Fraktionschef, der Fraktionschef der Grünen in Berlin, Jürgen Trittin, hat ja bereits erklärt, Wulffs Bedauern entspreche den Erwartungen der Grünen. Sieht man das in Berlin viel entspannter da bei Ihrer Parteiführung als Sie in Hannover?

    Wenzel: Möglicherweise wird die gesamte Spannweite dessen, was da jetzt vielleicht noch auf den Tisch kommt, noch nicht bekannt gewesen sein. Aber ich glaube, dass man dort auch nach den neuen Vorwürfen zu einer anderen Beurteilung kommen wird und die Entwicklung deutlich kritischer einschätzen wird. Mich interessiert aber erst mal sozusagen, dass unsere Frage von damals korrekt beantwortet wird. Unsere Bühne ist der Landtag, dort hat der Ministerpräsident vorgetragen. Wir haben das Recht, aber auch die Pflicht, hier auf eine korrekte Antwort zu drängen.

    Zagatta: Herr Wenzel, eigentlich steht Wulff, der mittlerweile Bundespräsident ist, als Bundespräsident über der Tagespolitik und auch Angriffen der Opposition. Müssten Sie da nicht etwas mehr Rücksicht nehmen?

    Wenzel: Wir haben als Abgeordnete vor anderthalb Jahren eine Frage gestellt und laut Verfassung muss die korrekt beantwortet werden. Insofern haben wir jetzt auch unsere Nachfrage an die amtierende Landesregierung gestellt, die Person, die antwortet, oder es antwortet in der Regel, laut Verfassung, nicht eine Person, sondern die Landesregierung als Organ. Und ich kann als Abgeordneter nicht einfach darüber hinwegsehen, wenn wir über den Charakter einer Geschäftsbeziehung getäuscht würden, wenn das Parlament darüber getäuscht wird und wenn darüber möglicherweise Abhängigkeiten begründet werden, die am Ende zu Entscheidungen fallen, die so nicht gewollt sind.

    Zagatta: Wenn Wulff sich entschuldigt hätte oder wenn er sich noch entschuldigen würde dafür, dass er Sie damals in die Irre geführt hat, wäre die Sache dann für Sie erledigt?

    Wenzel: Das ist ja keine persönliche Frage zwischen mir und Herrn Wulff. Es geht letztlich darum, ob das Parlament korrekt informiert wurde, ob der Landtag korrekt informiert wurde. Das ist eine, sag ich mal, der entscheidenden Fragen, wo das Parlament schlicht und einfach darauf drängen muss, wenn es sein Fragerecht wahrnimmt, dass es dann auch entsprechend den Tatsachen auch informiert wird. Darum geht es. Das kann durch eine Entschuldigung letztlich nicht aus der … Diese Prüfung kann sozusagen durch eine Entschuldigung letztlich nicht aus der Welt geschafft werden, sondern die Frage, wurde das Ministergesetz verletzt, ja oder nein, das kann nur an dem Ort auch geklärt werden, wo das damals vorgetragen wurde.

    Zagatta: Sie kennen ja Wulff aus Hannover. Glauben Sie dazu, dass er da jetzt bereit sein wird, da jetzt sich offener zu äußern? Er hat ja zunächst einmal lange geschwiegen, lange aus Ihrer Sicht vielleicht auch blockiert. Was erwarten Sie?

    Wenzel: Offensichtlich lässt er sich ja jetzt anwaltlich beraten. Er hat ja anders als der damalige Bundespräsident Wulff zunächst auf dem Briefpapier des Präsidenten geantwortet, aber ich glaube, dass es sinnvoller ist, hier praktisch der Landesregierung in Niedersachsen Hilfestellung zu geben von seiner Seite, damit die Fragen korrekt aufgeklärt werden können. Und insofern hat er da jetzt einen Schritt in Richtung Aufklärung gemacht, der vielleicht auch zielführend ist. Aber jetzt müssten eben auch die Informationen folgen.

    Zagatta: Spannende Vorweihnachtszeit in Hannover! Was erwarten Sie von Wulff, wenn er nächste Woche seine Weihnachtsansprache hält?

    Wenzel: Das vermag ich jetzt noch nicht einzuschätzen. Im Moment hat mich eigentlich immer die Informationslage des folgenden Tages überrascht und insofern bin ich gespannt, aber bin da nicht derjenige, der da in die Zukunft gucken kann.

    Zagatta: Stefan Wenzel, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag von Niedersachsen. Herr Wenzel, ganz herzlichen Dank für das Gespräch!

    Wenzel: Danke Ihnen, Herr Zagatta!


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