Jürgen Liminski: Wenn man Dummheiten macht, müssen sie wenigstens gelingen. So ließ sich einst der Kaiser der Franzosen, Napoleon, vernehmen. Auch er hat Dummheiten begangen, nicht alles gelang. Bei Bundespräsident Wulff ist manche Dummheit schief gegangen. Die Einsicht ist da. Aber damit auch die Transparenz in der Medienaffäre? – Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich Gernot Lehr, den Medienanwalt des Bundespräsidenten. Guten Morgen, Herr Lehr.
Gernot Lehr: Guten Morgen, Herr Liminski.
Liminski: Herr Lehr, die Achtung des Bundespräsidenten vor der Pressefreiheit steht theoretisch außer Zweifel. In der Praxis sieht es so aus, als hätte er versucht, das Bild von ihm mithilfe der Zeitung mit den großen Buchstaben geschönt darzustellen, und als das nicht mehr funktionierte zu drohen. Ist Drohung mit der Achtung der Pressefreiheit vereinbar? Immerhin fiel das Wort Krieg und Bruch mit Springer.
Lehr: Herr Liminski, lassen Sie mich eins vorwegschicken. Es ist die wichtigste und zentrale Aufgabe der Medien, Fehlverhalten oder Missstände aufzuspüren und darüber zu berichten. Und es ist ganz beachtlich, dass im Fall von Herrn Wulff mit "Bild", "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" und "Spiegel" drei Leitmedien zusammenwirken und sich auch die Bälle zuspielen, und das ist auch vielleicht gut. Das ist eine kritische Kontrolle, und der stellt sich Herr Wulff.
Als ich das Mandat am 16. Dezember übernommen habe, habe ich ihm sofort zur größtmöglichen Transparenz, zur Offenheit in all den Fragen geraten, die irgendeinen Bezug zu seinen Ämtern, und da habe ich bei ihm offene Türen eingerannt. Ich musste ihn gar nicht überzeugen und seitdem sind wir damit befasst, jedes Detail, das in irgendeiner Form einen Amtsbezug hat, zu beantworten und die größtmögliche Offenheit herzustellen. Das ist anstrengend, das sind jetzt inzwischen fast über 500 Fragen, und das macht aber auch durchaus Spaß, weil es in der Regel sehr, sehr professionell von den Journalisten erfolgt und sehr fair erfolgt.
Liminski: Noch mal die Frage: Hatte der Bundespräsident Anhaltspunkte für eine wahrheitswidrige Berichterstattung der "Bild"-Zeitung, weswegen er diesen Anruf tätigte? Und wenn ja, welche Anhaltspunkte hatte er? Immerhin fiel noch einmal das Wort Krieg und Bruch mit Springer.
Lehr: Christian Wulff war bei diesem Anruf, den er bedauert, in höchster Sorge, dass die Berichterstattung die Privatsphäre von Edith Geerkens tangieren würde und dass die von ihm der "Bild" zuvor bereitgestellten Fakten, Unterlagen, Einsicht in die Kreditverträge, nicht genügend berücksichtigt würden. Er war in der Zeit im Ausland und er befürchtete, dass die Berichterstattung seiner Offenheit nicht gerecht würde und dass die Privatsphäre von Frau Geerkens unnötig belastet würde. Und deshalb bat er darum, dringend darum, dass er die Chance bekommt, die Sache noch einmal mit der Redaktion zu besprechen.
Er hat dann gesagt, wir können uns dann zusammensetzen, können über alles reden – so schreibt es auch der "Spiegel" -, und dann können wir entscheiden, ob wir Krieg führen müssen. Das ist etwas anderes als eine Drohung, von der hier immer wieder gesprochen wird, die dahin gehen sollte, die Berichterstattung zu verhindern. Der Bundespräsident wollte diese Berichterstattung nicht verhindern und es ist ärgerlich, dass gestern der Redakteur Blome, aber auch Herr Mascolo diese Behauptung erneut aufstellten, obgleich die "Bild"-Zeitung inzwischen in ihrem Protokoll das durchaus anders darstellt.
Liminski: Die "Bild" zeiht dem Bundespräsidenten der Lüge. Wir wollen uns das mal im O-Ton anhören.
O-Ton Nikolaus Blome: "Den Satz von Herrn Bundespräsident Wulff, ich wollte die Berichterstattung nicht verhindern, das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen. Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden. Und wenn Sie das jetzt als Drohung bezeichnen, das ist vielleicht eine Geschmacksfrage. Aber klar war das Ziel dieses Anrufes, die Absicht und das Motiv, diesen ersten Breaking-Bericht über die Finanzierung seines privaten Hauses zu unterbinden."
Liminski: Herr Lehr, hat der Bundespräsident nun versucht zu verhindern oder nicht?
Lehr: Nein, er hat nicht versucht zu verhindern. Er hat versucht zu verschieben. Wissen Sie, man kann über Sätze immer sich streiten und unterschiedliche Auslegungen vornehmen. Wir Presserechtler tun das tagtäglich, das ist eine Interpretationsfrage. Wenn Herr Blome oder Herr Mascolo sagen würden, das mag man so verstanden haben aus dem Kontext heraus, wir haben es so verstanden, ob das richtig ist, wissen wir nicht, aber für uns war das unangenehm, dann könnte ich damit leben. Was mich elementar hier stört ist, dass Herr Blome in dem Interview, das er unmittelbar nach dem Interview im ZDF und in der ARD mit Herrn Wulff gegeben hat, nämlich dem Interview bei Ihnen, die Behauptung aufgestellt hat, den Sachverhalt dargestellt hat, Christian Wulff habe in dem Interview über die Mailbox-Ansage nicht die Wahrheit gesagt. So ist es nicht gewesen!
Liminski: Dann dazu eine Nachfrage. Wenn es nur um das Verhindern geht, warum sind Sie dann dagegen, die Mail-Botschaft zu veröffentlichen?
Lehr: Das Schreiben des Bundespräsidenten an Herrn Diekmann vom vergangenen Donnerstag ist allgemein bekannt. Er hat grundsätzlich auf die notwendige Vertraulichkeit von Vier-Augen-Gesprächen und von Telefonaten hingewiesen. Ein Durchbrechen eines solchen Vier-Augen-Gesprächs, eines Telefonats ist eigentlich ein Tabubruch. Er hat gleichzeitig betont, dass die Medien und damit insbesondere die "Bild"-Zeitung über die Veröffentlichung dieser Abschrift in eigener Verantwortung entscheiden müssen. Er hat ihnen keinen Persilschein dafür gegeben. Sie müssen das selbst entscheiden, ob sie das tun, und heute ist ja im "Spiegel" einiges dazu zu lesen. Das heißt, die Veröffentlichung ist erfolgt. Sie ist zwar nicht in der "Bild" erfolgt, aber sie ist im "Spiegel" erfolgt und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hat auch Details berichtet.
Liminski: Das sind Details. Wenn nun die "Bild"-Zeitung die gesamten vier Minuten auf der Mailbox veröffentlichen würde, hätten Sie nichts dagegen?
Lehr: Es geht nicht darum, ob ich etwas dagegen habe, sondern es geht darum, ob die "Bild"-Zeitung meint, dies tun zu können. Wenn sie das tun will, dann mag sie es tun, das muss sie selbst in eigener Verantwortung entscheiden. Es ist nicht richtig, dass hier eine große Angst besteht vor einer Veröffentlichung, aber es ist Angelegenheit der "Bild"-Zeitung, diesen Tabubruch zu begehen.
Liminski: Ihnen, das heißt dem Bundespräsidenten wird der Vorwurf gemacht, nur scheibchenweise so viel zuzugeben, wie gerade schon auf dem Markt ist, also mangelnde Transparenz. Warum legen Sie nicht einfach alles auf den Tisch, wenn Sie nichts zu verbergen haben?
Lehr: Herr Liminski, wir haben alles das, was wir auf den Tisch legen können, auf den Tisch gelegt. Bei uns haben Dutzende von Journalisten Einblick in die Unterlagen zu dem Geerkens-Kredit genommen. Weiterhin haben Journalisten Einblick in einige Unterlagen genommen, die diesen BW-Kredit betreffen, soweit hier irgendeine Relevanz besteht. Wir haben inzwischen weit über 500 Fragen beantwortet. Wir haben eine zusammenfassende Darstellung gegeben. Das Problem besteht darin – und das ist typisch in solchen Auseinandersetzungen, in solchen vermeintlichen Affären -, dass immer wieder neue Fragen gestellt werden, die irgendeinen Detaillierungsgrat enthalten, mit dem wir nicht gerechnet haben, dem wir aber sofort nachkommen können, und dass diese Fragen sofort beantwortet werden.
Vielleicht eines mal in der Typik: Als ich am 16. Dezember das Mandat übernahm und es lag eine kleine Anfrage von der "Bild"-Zeitung hinsichtlich gemeinsamer Urlaube des Präsidenten mit Herrn Geerkens vor, habe ich gesagt, Herr Bundespräsident, hier wird ein neues Fass aufgemacht, es ist wichtig, dass Sie alle Urlaubsaufenthalte, die Sie bei Freunden gemacht haben und bei denen Sie, wie man das bei Freunden normalerweise nicht tut, nämlich nichts gezahlt haben, dass wir die offenbaren. Daraufhin haben wir uns hingesetzt, gemeinsam, und haben während der gesamten Ministerpräsidentenzeit die Aufenthalte geprüft und haben festgestellt, dass es, ich glaube, sechs Urlaubsaufenthalte gab bei Freunden. Das wird nun inzwischen als großer Rechercheerfolg der "Bild"-Zeitung dargestellt. Das ist eine offensive Behandlung dieses Themas durch den Bundespräsidenten gewesen.
Es ist ganz klar, dass wir natürlich gelegentlich auch in diesem Zeitdruck, der hier besteht, in dieser wirklich intensiven Arbeit, in der ständigen Rücksprache, die wir auch mit Herrn Wulff durchführen müssen, dass uns da auch mal ein Fehler unterlaufen kann. Bisher sind uns glücklicherweise wohl keine größeren Fehler unterlaufen, aber es kann nicht sein, dass aus solchen möglichen kleinen Fehlern dann auch irgendwelche scheibchenweisen Veröffentlichungspraxen abgeleitet werden.
Liminski: Herr Lehr, warum machen Sie und der Bundespräsident oder einer von ihnen nicht einfach eine Pressekonferenz und stehen allen möglichen Fragen von Pressekollegen zur Verfügung?
Lehr: Wir stehen allen möglichen Fragen von Pressekollegen zur Verfügung. Wir behandeln hier sehr, sehr wichtige sensible Themen, die immer wieder auch in die Privatsphäre eines Menschen hineingehen, und ich halte es für nicht angemessen, dass derartige komplexe Sachverhalte, die immer im Grenzbereich zum Privatbereich liegen – und da hat Herr Wulff die Grenzen schon sehr weit geöffnet -, dass wir diese in einer Pressekonferenz beantworten. Ich finde es wichtig, dass wir hier schriftlich detailliert, mit hoher Substanz, mit hoher Sorgfalt antworten und keine Pressekonferenz führen. Christian Wulff hat sich in ein Journalistengespräch begeben, er hat dort einen sehr, sehr intensiven überzeugenden Eindruck gemacht, und da wird ihm dann aufgrund eines solchen Gespräches durch einzelne Formulierungen, die in einem solchen Live-Gespräch normal sind, werden da wieder kleine Fehler versucht abzuleiten. Weil man irgendwo den großen Fehler anscheinend nicht entdeckt, wird immer wieder mit Kleinigkeiten gearbeitet.
Ich will Ihnen noch ein kleines Beispiel nennen. Gestern wurde in der Jauch-Sendung der Scheck thematisiert, der bezogen auf das Konto von Edith Geerkens bei der Sparkasse Osnabrück dem Notar übergeben wurde. Da wurde um diesen Scheck der Deutschen Bundesbank irgendein Geheimnis entwickelt. Das Geheimnis gibt es nicht! Das ist alles nachvollziehbar, und wenn uns dazu eine Frage gestellt wird, werden wir die beantworten, und uns gibt die Sendung, die Beiträge in der Sendung gestern Anlass dazu, noch mal deutlich zu machen, dass es sich um einen Scheck der Deutschen Bundesbank handelte, der war bezogen auf das Konto von Frau Geerkens und wurde dem Notar übergeben und der Notar hat hieraus die Summe des Kaufpreises gezahlt.
Liminski: Noch einmal zu diesem Kredit, mit dem ja alles begann. Da leiht sich einer Geld von Freunden zu einem günstigen Zinssatz, vor einem parlamentarischen Gremium spricht er nur von einem Freund, verschweigt dann dessen Gattin. Dann wird umgeschuldet zu einem noch günstigeren Zinssatz, den hätte ein Normalbürger nicht bekommen. Ist hier nicht doch Vorteilnahme wegen des Amtes im Spiel?
Lehr: Zu dem Geldmarktkredit der BW-Bank ist alles gesagt. Wir haben die Abläufe auch in unserer zusammenfassenden Stellungnahme noch mal im einzelnen dargelegt. Jeder kann sich diese Stellungnahme herunterladen. Und dabei wird sehr schnell deutlich, dass Vorteilnahme im Amt oder andere Rechtsverstöße unter keinem Gesichtspunkt gegeben waren. Herr Wulff hat sich auf Anregung von Herrn Geerkens mit der BW-Bank in Verbindung gesetzt, die Bank hat Herrn Wulff aufgrund seiner besonderen Bonitätsverhältnisse in das gehobene Privatkundensegment eingestuft – so äußert sich die Bank, so äußern wir uns nicht – und hat ihm den Geldmarktkredit angeboten. Man muss wissen – und das haben wir auch geschrieben -, dass Herr Wulff das Risiko steigender Zinsen alleine trug, und um dieses Zinsrisiko zu vermeiden - steigen die Geldmarktzinsen, so steigen ja auch die Zinsen für das langfristige Darlehen -, hat sich dann Herr Wulff für ein langfristiges Tilgungsdarlehen mit fixem Zinssatz entschieden. Das ist alles ein ganz normaler Vorgang.
Und vielleicht darf ich bei dieser Gelegenheit noch eines sagen: Wir haben die Informationen offengelegt im Detail in unserer Stellungnahme. Es kommt nun immer wieder der Wunsch an uns heran, dass wir auch sämtliche Unterlagen, die es dazu gibt, in das Netz stellen.
Liminski: Herr Lehr, Sie sind vermutlich jetzt häufig im Gespräch mit dem Bundespräsidenten. Spricht der Bundespräsident auch mit der Kanzlerin regelmäßig über diese Affäre?
Lehr: Das weiß ich nicht, darüber unterhalte ich mich nicht mit Christian Wulff. Die Kanzlerin hat ihre fortwährende Unterstützung für den Bundespräsidenten allerdings klar zum Ausdruck gebracht. Aber welche Gespräche da stattfinden, das weiß ich nicht.
Liminski: Noch eine kurze Frage. Aus der Politik kommen jetzt nicht selten Behauptungen, Beschuldigungen, die ins Beleidigende gehen, etwa Herrn Wulff fehlen Würde und Glaubwürdigkeit. Das sagt die Grünen-Chefin Claudia Roth. Haben Sie oder der Bundespräsident mal daran gedacht, gegen solche Beleidigungen auch juristisch vorzugehen?
Lehr: Nein. Das gehört zum politischen Meinungskampf. Da sind die Grenzen sehr weit. Das ist durch die ständige Rechtsprechung so entschieden, das ist vielleicht auch richtig und das muss man ertragen, wenn man ein Amt hat. Man muss scharfe polemische zugespitzte Kritik akzeptieren, und das wird auch der Bundespräsident, zumal unser gemeinsames Staatsoberhaupt sich nicht der Mittel des Gerichtes bedienen sollte, um seine Position durchzusetzen.
Liminski: "Wir bemühen uns um Aufklärung und Transparenz." Das war Gernot Lehr, der Medienanwalt des Bundespräsidenten. Besten Dank für das Gespräch, Herr Lehr.
Lehr: Vielen Dank! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Gernot Lehr: Guten Morgen, Herr Liminski.
Liminski: Herr Lehr, die Achtung des Bundespräsidenten vor der Pressefreiheit steht theoretisch außer Zweifel. In der Praxis sieht es so aus, als hätte er versucht, das Bild von ihm mithilfe der Zeitung mit den großen Buchstaben geschönt darzustellen, und als das nicht mehr funktionierte zu drohen. Ist Drohung mit der Achtung der Pressefreiheit vereinbar? Immerhin fiel das Wort Krieg und Bruch mit Springer.
Lehr: Herr Liminski, lassen Sie mich eins vorwegschicken. Es ist die wichtigste und zentrale Aufgabe der Medien, Fehlverhalten oder Missstände aufzuspüren und darüber zu berichten. Und es ist ganz beachtlich, dass im Fall von Herrn Wulff mit "Bild", "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" und "Spiegel" drei Leitmedien zusammenwirken und sich auch die Bälle zuspielen, und das ist auch vielleicht gut. Das ist eine kritische Kontrolle, und der stellt sich Herr Wulff.
Als ich das Mandat am 16. Dezember übernommen habe, habe ich ihm sofort zur größtmöglichen Transparenz, zur Offenheit in all den Fragen geraten, die irgendeinen Bezug zu seinen Ämtern, und da habe ich bei ihm offene Türen eingerannt. Ich musste ihn gar nicht überzeugen und seitdem sind wir damit befasst, jedes Detail, das in irgendeiner Form einen Amtsbezug hat, zu beantworten und die größtmögliche Offenheit herzustellen. Das ist anstrengend, das sind jetzt inzwischen fast über 500 Fragen, und das macht aber auch durchaus Spaß, weil es in der Regel sehr, sehr professionell von den Journalisten erfolgt und sehr fair erfolgt.
Liminski: Noch mal die Frage: Hatte der Bundespräsident Anhaltspunkte für eine wahrheitswidrige Berichterstattung der "Bild"-Zeitung, weswegen er diesen Anruf tätigte? Und wenn ja, welche Anhaltspunkte hatte er? Immerhin fiel noch einmal das Wort Krieg und Bruch mit Springer.
Lehr: Christian Wulff war bei diesem Anruf, den er bedauert, in höchster Sorge, dass die Berichterstattung die Privatsphäre von Edith Geerkens tangieren würde und dass die von ihm der "Bild" zuvor bereitgestellten Fakten, Unterlagen, Einsicht in die Kreditverträge, nicht genügend berücksichtigt würden. Er war in der Zeit im Ausland und er befürchtete, dass die Berichterstattung seiner Offenheit nicht gerecht würde und dass die Privatsphäre von Frau Geerkens unnötig belastet würde. Und deshalb bat er darum, dringend darum, dass er die Chance bekommt, die Sache noch einmal mit der Redaktion zu besprechen.
Er hat dann gesagt, wir können uns dann zusammensetzen, können über alles reden – so schreibt es auch der "Spiegel" -, und dann können wir entscheiden, ob wir Krieg führen müssen. Das ist etwas anderes als eine Drohung, von der hier immer wieder gesprochen wird, die dahin gehen sollte, die Berichterstattung zu verhindern. Der Bundespräsident wollte diese Berichterstattung nicht verhindern und es ist ärgerlich, dass gestern der Redakteur Blome, aber auch Herr Mascolo diese Behauptung erneut aufstellten, obgleich die "Bild"-Zeitung inzwischen in ihrem Protokoll das durchaus anders darstellt.
Liminski: Die "Bild" zeiht dem Bundespräsidenten der Lüge. Wir wollen uns das mal im O-Ton anhören.
O-Ton Nikolaus Blome: "Den Satz von Herrn Bundespräsident Wulff, ich wollte die Berichterstattung nicht verhindern, das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen. Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden. Und wenn Sie das jetzt als Drohung bezeichnen, das ist vielleicht eine Geschmacksfrage. Aber klar war das Ziel dieses Anrufes, die Absicht und das Motiv, diesen ersten Breaking-Bericht über die Finanzierung seines privaten Hauses zu unterbinden."
Liminski: Herr Lehr, hat der Bundespräsident nun versucht zu verhindern oder nicht?
Lehr: Nein, er hat nicht versucht zu verhindern. Er hat versucht zu verschieben. Wissen Sie, man kann über Sätze immer sich streiten und unterschiedliche Auslegungen vornehmen. Wir Presserechtler tun das tagtäglich, das ist eine Interpretationsfrage. Wenn Herr Blome oder Herr Mascolo sagen würden, das mag man so verstanden haben aus dem Kontext heraus, wir haben es so verstanden, ob das richtig ist, wissen wir nicht, aber für uns war das unangenehm, dann könnte ich damit leben. Was mich elementar hier stört ist, dass Herr Blome in dem Interview, das er unmittelbar nach dem Interview im ZDF und in der ARD mit Herrn Wulff gegeben hat, nämlich dem Interview bei Ihnen, die Behauptung aufgestellt hat, den Sachverhalt dargestellt hat, Christian Wulff habe in dem Interview über die Mailbox-Ansage nicht die Wahrheit gesagt. So ist es nicht gewesen!
Liminski: Dann dazu eine Nachfrage. Wenn es nur um das Verhindern geht, warum sind Sie dann dagegen, die Mail-Botschaft zu veröffentlichen?
Lehr: Das Schreiben des Bundespräsidenten an Herrn Diekmann vom vergangenen Donnerstag ist allgemein bekannt. Er hat grundsätzlich auf die notwendige Vertraulichkeit von Vier-Augen-Gesprächen und von Telefonaten hingewiesen. Ein Durchbrechen eines solchen Vier-Augen-Gesprächs, eines Telefonats ist eigentlich ein Tabubruch. Er hat gleichzeitig betont, dass die Medien und damit insbesondere die "Bild"-Zeitung über die Veröffentlichung dieser Abschrift in eigener Verantwortung entscheiden müssen. Er hat ihnen keinen Persilschein dafür gegeben. Sie müssen das selbst entscheiden, ob sie das tun, und heute ist ja im "Spiegel" einiges dazu zu lesen. Das heißt, die Veröffentlichung ist erfolgt. Sie ist zwar nicht in der "Bild" erfolgt, aber sie ist im "Spiegel" erfolgt und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hat auch Details berichtet.
Liminski: Das sind Details. Wenn nun die "Bild"-Zeitung die gesamten vier Minuten auf der Mailbox veröffentlichen würde, hätten Sie nichts dagegen?
Lehr: Es geht nicht darum, ob ich etwas dagegen habe, sondern es geht darum, ob die "Bild"-Zeitung meint, dies tun zu können. Wenn sie das tun will, dann mag sie es tun, das muss sie selbst in eigener Verantwortung entscheiden. Es ist nicht richtig, dass hier eine große Angst besteht vor einer Veröffentlichung, aber es ist Angelegenheit der "Bild"-Zeitung, diesen Tabubruch zu begehen.
Liminski: Ihnen, das heißt dem Bundespräsidenten wird der Vorwurf gemacht, nur scheibchenweise so viel zuzugeben, wie gerade schon auf dem Markt ist, also mangelnde Transparenz. Warum legen Sie nicht einfach alles auf den Tisch, wenn Sie nichts zu verbergen haben?
Lehr: Herr Liminski, wir haben alles das, was wir auf den Tisch legen können, auf den Tisch gelegt. Bei uns haben Dutzende von Journalisten Einblick in die Unterlagen zu dem Geerkens-Kredit genommen. Weiterhin haben Journalisten Einblick in einige Unterlagen genommen, die diesen BW-Kredit betreffen, soweit hier irgendeine Relevanz besteht. Wir haben inzwischen weit über 500 Fragen beantwortet. Wir haben eine zusammenfassende Darstellung gegeben. Das Problem besteht darin – und das ist typisch in solchen Auseinandersetzungen, in solchen vermeintlichen Affären -, dass immer wieder neue Fragen gestellt werden, die irgendeinen Detaillierungsgrat enthalten, mit dem wir nicht gerechnet haben, dem wir aber sofort nachkommen können, und dass diese Fragen sofort beantwortet werden.
Vielleicht eines mal in der Typik: Als ich am 16. Dezember das Mandat übernahm und es lag eine kleine Anfrage von der "Bild"-Zeitung hinsichtlich gemeinsamer Urlaube des Präsidenten mit Herrn Geerkens vor, habe ich gesagt, Herr Bundespräsident, hier wird ein neues Fass aufgemacht, es ist wichtig, dass Sie alle Urlaubsaufenthalte, die Sie bei Freunden gemacht haben und bei denen Sie, wie man das bei Freunden normalerweise nicht tut, nämlich nichts gezahlt haben, dass wir die offenbaren. Daraufhin haben wir uns hingesetzt, gemeinsam, und haben während der gesamten Ministerpräsidentenzeit die Aufenthalte geprüft und haben festgestellt, dass es, ich glaube, sechs Urlaubsaufenthalte gab bei Freunden. Das wird nun inzwischen als großer Rechercheerfolg der "Bild"-Zeitung dargestellt. Das ist eine offensive Behandlung dieses Themas durch den Bundespräsidenten gewesen.
Es ist ganz klar, dass wir natürlich gelegentlich auch in diesem Zeitdruck, der hier besteht, in dieser wirklich intensiven Arbeit, in der ständigen Rücksprache, die wir auch mit Herrn Wulff durchführen müssen, dass uns da auch mal ein Fehler unterlaufen kann. Bisher sind uns glücklicherweise wohl keine größeren Fehler unterlaufen, aber es kann nicht sein, dass aus solchen möglichen kleinen Fehlern dann auch irgendwelche scheibchenweisen Veröffentlichungspraxen abgeleitet werden.
Liminski: Herr Lehr, warum machen Sie und der Bundespräsident oder einer von ihnen nicht einfach eine Pressekonferenz und stehen allen möglichen Fragen von Pressekollegen zur Verfügung?
Lehr: Wir stehen allen möglichen Fragen von Pressekollegen zur Verfügung. Wir behandeln hier sehr, sehr wichtige sensible Themen, die immer wieder auch in die Privatsphäre eines Menschen hineingehen, und ich halte es für nicht angemessen, dass derartige komplexe Sachverhalte, die immer im Grenzbereich zum Privatbereich liegen – und da hat Herr Wulff die Grenzen schon sehr weit geöffnet -, dass wir diese in einer Pressekonferenz beantworten. Ich finde es wichtig, dass wir hier schriftlich detailliert, mit hoher Substanz, mit hoher Sorgfalt antworten und keine Pressekonferenz führen. Christian Wulff hat sich in ein Journalistengespräch begeben, er hat dort einen sehr, sehr intensiven überzeugenden Eindruck gemacht, und da wird ihm dann aufgrund eines solchen Gespräches durch einzelne Formulierungen, die in einem solchen Live-Gespräch normal sind, werden da wieder kleine Fehler versucht abzuleiten. Weil man irgendwo den großen Fehler anscheinend nicht entdeckt, wird immer wieder mit Kleinigkeiten gearbeitet.
Ich will Ihnen noch ein kleines Beispiel nennen. Gestern wurde in der Jauch-Sendung der Scheck thematisiert, der bezogen auf das Konto von Edith Geerkens bei der Sparkasse Osnabrück dem Notar übergeben wurde. Da wurde um diesen Scheck der Deutschen Bundesbank irgendein Geheimnis entwickelt. Das Geheimnis gibt es nicht! Das ist alles nachvollziehbar, und wenn uns dazu eine Frage gestellt wird, werden wir die beantworten, und uns gibt die Sendung, die Beiträge in der Sendung gestern Anlass dazu, noch mal deutlich zu machen, dass es sich um einen Scheck der Deutschen Bundesbank handelte, der war bezogen auf das Konto von Frau Geerkens und wurde dem Notar übergeben und der Notar hat hieraus die Summe des Kaufpreises gezahlt.
Liminski: Noch einmal zu diesem Kredit, mit dem ja alles begann. Da leiht sich einer Geld von Freunden zu einem günstigen Zinssatz, vor einem parlamentarischen Gremium spricht er nur von einem Freund, verschweigt dann dessen Gattin. Dann wird umgeschuldet zu einem noch günstigeren Zinssatz, den hätte ein Normalbürger nicht bekommen. Ist hier nicht doch Vorteilnahme wegen des Amtes im Spiel?
Lehr: Zu dem Geldmarktkredit der BW-Bank ist alles gesagt. Wir haben die Abläufe auch in unserer zusammenfassenden Stellungnahme noch mal im einzelnen dargelegt. Jeder kann sich diese Stellungnahme herunterladen. Und dabei wird sehr schnell deutlich, dass Vorteilnahme im Amt oder andere Rechtsverstöße unter keinem Gesichtspunkt gegeben waren. Herr Wulff hat sich auf Anregung von Herrn Geerkens mit der BW-Bank in Verbindung gesetzt, die Bank hat Herrn Wulff aufgrund seiner besonderen Bonitätsverhältnisse in das gehobene Privatkundensegment eingestuft – so äußert sich die Bank, so äußern wir uns nicht – und hat ihm den Geldmarktkredit angeboten. Man muss wissen – und das haben wir auch geschrieben -, dass Herr Wulff das Risiko steigender Zinsen alleine trug, und um dieses Zinsrisiko zu vermeiden - steigen die Geldmarktzinsen, so steigen ja auch die Zinsen für das langfristige Darlehen -, hat sich dann Herr Wulff für ein langfristiges Tilgungsdarlehen mit fixem Zinssatz entschieden. Das ist alles ein ganz normaler Vorgang.
Und vielleicht darf ich bei dieser Gelegenheit noch eines sagen: Wir haben die Informationen offengelegt im Detail in unserer Stellungnahme. Es kommt nun immer wieder der Wunsch an uns heran, dass wir auch sämtliche Unterlagen, die es dazu gibt, in das Netz stellen.
Liminski: Herr Lehr, Sie sind vermutlich jetzt häufig im Gespräch mit dem Bundespräsidenten. Spricht der Bundespräsident auch mit der Kanzlerin regelmäßig über diese Affäre?
Lehr: Das weiß ich nicht, darüber unterhalte ich mich nicht mit Christian Wulff. Die Kanzlerin hat ihre fortwährende Unterstützung für den Bundespräsidenten allerdings klar zum Ausdruck gebracht. Aber welche Gespräche da stattfinden, das weiß ich nicht.
Liminski: Noch eine kurze Frage. Aus der Politik kommen jetzt nicht selten Behauptungen, Beschuldigungen, die ins Beleidigende gehen, etwa Herrn Wulff fehlen Würde und Glaubwürdigkeit. Das sagt die Grünen-Chefin Claudia Roth. Haben Sie oder der Bundespräsident mal daran gedacht, gegen solche Beleidigungen auch juristisch vorzugehen?
Lehr: Nein. Das gehört zum politischen Meinungskampf. Da sind die Grenzen sehr weit. Das ist durch die ständige Rechtsprechung so entschieden, das ist vielleicht auch richtig und das muss man ertragen, wenn man ein Amt hat. Man muss scharfe polemische zugespitzte Kritik akzeptieren, und das wird auch der Bundespräsident, zumal unser gemeinsames Staatsoberhaupt sich nicht der Mittel des Gerichtes bedienen sollte, um seine Position durchzusetzen.
Liminski: "Wir bemühen uns um Aufklärung und Transparenz." Das war Gernot Lehr, der Medienanwalt des Bundespräsidenten. Besten Dank für das Gespräch, Herr Lehr.
Lehr: Vielen Dank! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.