Gerd Breker: Sein allzu langes Schweigen hat er gebrochen. Das Interview mit den Fernsehkollegen von ARD und ZDF hat fast elfeinhalb Millionen Menschen vor die Mattscheiben gelockt. 21 Minuten Sendezeit zur Rechtfertigung, zur Aufklärung, zur Wiedererlangung der Glaubwürdigkeit für Bundespräsident Christian Wulff, der bleiben möchte was er ist und keine Bereitschaft zeigt, von seinem Amt zurückzutreten.
Telefonisch sind wir nun verbunden mit Erwin Lotter, dem FDP-Bundestagsabgeordneten, der Wulff ins Amt gewählt hat und dem das inzwischen leidtut. Guten Tag, Herr Lotter!
Erwin Lotter: Guten Tag!
Breker: Herr Lotter, hat Wulff Sie gestern Abend überzeugt? Tut es Ihnen nicht mehr leid, ihn dreimal gewählt zu haben?
Lotter: Nein. Es ist die Fortsetzung der bisherigen Linie, Dinge, die offen liegen und die sich nicht mehr dementieren lassen, zuzugeben und sich zu entschuldigen. Man könnte auch sagen, es ist die Fortsetzung des bisherigen Staatsdramas.
Breker: Sie waren ja der Erste aus der schwarz-gelben Koalition, der sein Unbehagen öffentlich gemacht hat. Hat denn der einsame Rufer von damals inzwischen Zulauf bekommen?
Lotter: Ich habe Zustimmung von vielen Kreisverbänden, also FDP-Kreisverbänden quer durch die Republik bekommen und Zuschriften von vielen Bürgern, und ich war ja hier in Aichach fast ein Vierteljahrhundert als Allgemeinarzt tätig. Auch ehemalige Patienten haben sich bei mir gemeldet und mich in meiner Haltung bestätigt.
Breker: Wurde das mit dem Fernsehinterview gestern Abend anders, oder ist es dann erst recht zu einer Bestätigung für Sie und Ihre Position gekommen?
Lotter: Bis jetzt ist es erst recht zu einer Bestätigung gekommen.
Breker: Die Führung Ihrer Partei, Herr Lotter, die hat ja eine völlig andere Meinung. Sie hält ja weiterhin zu Christian Wulff. Wurden Sie von Ihrer Führung, von der Parteiführung der FDP, unter Druck gesetzt, nicht mehr oder nicht mehr so laut gegen Wulff zu stänkern?
Lotter: Nein. Ich konnte meine Meinung als frei gewählter Abgeordneter äußern, und es ist mein moralischer Kompass, dass ich diese Dinge, wie sie gelaufen sind, nicht für richtig finde und das kritisiert habe. Wobei: Ich habe durchaus Verständnis, dass sich die Parteispitze bisher zurückhaltender hat äußern müssen, als ich das jetzt als freier Abgeordneter kann. Aber meines Erachtens wäre die Kanzlerin gut beraten, diese Schonung nicht als ein Stillhalten bis in alle Ewigkeit zu verstehen, denn die CDU-Vorsitzende haftet für ihren Präsidenten und die FDP wird sich nicht in diese Haftung mitnehmen lassen. Und sollte sich herausstellen, dass Christian Wulff bei seiner zweiten Chance gestern wieder nur die Halbwahrheit gesagt haben sollte und die Öffentlichkeit nicht vollständig informiert hat, dann, denke ich, wird auch die FDP mit einer Stimme Klartext reden.
Breker: Lassen Sie uns noch ein wenig damit verweilen. Sie haben Ihren moralischen Kompass erwähnt, Herr Lotter. Die Frage: Wann nehmen die, die ihn in das Amt gewählt haben und die ihn weiterhin stützen und schützen, wann nehmen die Schaden und wer wird das sein? Schwarz-Gelb hat ihn gewählt, im dritten Wahlgang. Er wurde sozusagen erzwungen als Sieger der Präsidentschaftswahl. Angela Merkel hat da eine wichtige Rolle gespielt, aber die FDP hat mitgespielt. Das heißt: mitgehangen, mitgefangen.
Lotter: Also ich denke, das Amt des Bundespräsidenten hat eigentlich bereits Schaden genommen und man muss eben abwägen, wann dieser Schaden so groß wird, dass ein Rücktritt unausweichlich wird. Und ich denke, gerade mit diesem Angriff auf die Pressefreiheit ist Christian Wulff für mich untragbar geworden.
Breker: Und die Frage, wer nimmt Schaden? Nehmen die Schaden, die ihn da hingewählt haben und die ihn weiterhin stützen? Wann wird sich das entscheiden?
Lotter: Ich denke, es ist auf jeden Fall richtig, eine Fehlentwicklung zu korrigieren, und wenn das geschieht und man weiteren Schaden von dem höchsten Staatsamt fernhält, dann wird das den Parteien letztlich nicht schaden, sondern ihnen zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen.
Breker: Ein Grund, warum man Christian Wulff ausgesucht hat, warum Angela Merkel ihn ausgesucht hat, war, dass man nach der Erfahrung mit Horst Köhler, einem Nichtpolitprofi, einen Politprofi im höchsten Amt des Staates haben wollte – von der Schülerunion bis zum Präsidenten. Hat man das nun davon, dass man einen Politprofi da hinsetzen wollte?
Lotter: Er ist natürlich hartnäckiger, wenn ich das so sagen kann, als es Köhler war, der Vorgänger, aber ich denke, er hat eben seine zweite Chance gestern gehabt und es kommt jetzt darauf an, kommen weitere Dinge nach oder nicht, hat er diese zweite Chance verdient, oder hat er diese zweite Chance nicht verdient.
Breker: Er hat ja gestern selbst davon gesprochen, dass man die Glaubwürdigkeit als Bundespräsident zurückerlangen müsste. Das kann ja nur dann geschehen, wenn man sie vorher verloren hat.
Lotter: Das ist natürlich ein Problem, denn wie will der Bundespräsident Worte wie Ehrlichkeit, Anstand, Vertrauen, Glaubwürdigkeit künftig weiter in den Mund nehmen, wenn er selbst ein Problem damit hat. Oder wie will er Entwicklungen an den Finanzmärkten zum Beispiel kritisieren, wie will er die Gier an den Finanzmärkten kritisieren, wenn er selber da ein Glaubwürdigkeitsproblem hat.
Breker: Sie stehen, die FDP steht unmittelbar vor dem Dreikönigstreffen. Werden Sie darauf drängen, dass Ihre Partei zu diesem Bundespräsidenten, zum jetzigen Bundespräsidenten Christian Wulff, Stellung bezieht?
Lotter: Ich denke, dass dazu Dinge gesagt werden, aber ich meine, wenn weitere Dinge nachkommen, dann wird die FDP mit einer Stimme wirklich Klartext reden.
Breker: Sagen Sie das jetzt als Hoffnung für die Zukunft, oder sagen Sie das, weil Sie schon mit Ihrer Führung gesprochen haben, weil Sie schon mit Philipp Rösler, mit Birgit Homburger, mit Rainer Brüderle gesprochen haben?
Lotter: Nein, da habe ich keine Gespräche geführt. Aber ich bin sicher, dass, wenn die Dinge so laufen, sich meine Einstellung dann auch innerhalb meiner Partei durchsetzen wird.
Breker: Werden Sie denn initiativ werden in Stuttgart?
Lotter: In Stuttgart bin ich als Redner nicht vorgesehen, aber man wird natürlich Vier-Augen-Gespräche führen und dann auch diese Dinge ansprechen.
Breker: Herr Lotter, wenn die Bundeskanzlerin Sie um Rat fragen würde – wir haben eben gehört, es geht ja gar nicht oder nur äußerst schwer, dass man den Bundespräsidenten zwingt, von seinem Amt abzulassen -, wenn Sie der Bundeskanzlerin raten würden, wenn Sie um Rat gefragt würden, was würden Sie ihr empfehlen, wie sie mit Christian Wulff umgehen soll?
Lotter: Also wenn ich die Bundeskanzlerin wäre, dann würde ich ihm den Rücktritt nahelegen.
Breker: In einem persönlichen Gespräch, oder in einem öffentlichen Brief?
Lotter: Nein, in einem persönlichen Gespräch.
Breker: Und wenn er nicht reagiert?
Lotter: Dann, denke ich, würde ich darauf dringen, dass wirklich alles oder alle Fragen, die auch nach dem gestrigen Gespräch noch offen geblieben sind, geklärt werden.
Breker: Im Deutschlandfunk war das der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter. Er hatte vor dem gestrigen Fernsehinterview mit Bundespräsident Christian Wulff bekannt, dass es ihm leidtut, ihn dreimal gewählt zu haben. Es tut ihm weiterhin leid. Herr Lotter, ich danke Ihnen sehr für dieses Interview.
Lotter: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Telefonisch sind wir nun verbunden mit Erwin Lotter, dem FDP-Bundestagsabgeordneten, der Wulff ins Amt gewählt hat und dem das inzwischen leidtut. Guten Tag, Herr Lotter!
Erwin Lotter: Guten Tag!
Breker: Herr Lotter, hat Wulff Sie gestern Abend überzeugt? Tut es Ihnen nicht mehr leid, ihn dreimal gewählt zu haben?
Lotter: Nein. Es ist die Fortsetzung der bisherigen Linie, Dinge, die offen liegen und die sich nicht mehr dementieren lassen, zuzugeben und sich zu entschuldigen. Man könnte auch sagen, es ist die Fortsetzung des bisherigen Staatsdramas.
Breker: Sie waren ja der Erste aus der schwarz-gelben Koalition, der sein Unbehagen öffentlich gemacht hat. Hat denn der einsame Rufer von damals inzwischen Zulauf bekommen?
Lotter: Ich habe Zustimmung von vielen Kreisverbänden, also FDP-Kreisverbänden quer durch die Republik bekommen und Zuschriften von vielen Bürgern, und ich war ja hier in Aichach fast ein Vierteljahrhundert als Allgemeinarzt tätig. Auch ehemalige Patienten haben sich bei mir gemeldet und mich in meiner Haltung bestätigt.
Breker: Wurde das mit dem Fernsehinterview gestern Abend anders, oder ist es dann erst recht zu einer Bestätigung für Sie und Ihre Position gekommen?
Lotter: Bis jetzt ist es erst recht zu einer Bestätigung gekommen.
Breker: Die Führung Ihrer Partei, Herr Lotter, die hat ja eine völlig andere Meinung. Sie hält ja weiterhin zu Christian Wulff. Wurden Sie von Ihrer Führung, von der Parteiführung der FDP, unter Druck gesetzt, nicht mehr oder nicht mehr so laut gegen Wulff zu stänkern?
Lotter: Nein. Ich konnte meine Meinung als frei gewählter Abgeordneter äußern, und es ist mein moralischer Kompass, dass ich diese Dinge, wie sie gelaufen sind, nicht für richtig finde und das kritisiert habe. Wobei: Ich habe durchaus Verständnis, dass sich die Parteispitze bisher zurückhaltender hat äußern müssen, als ich das jetzt als freier Abgeordneter kann. Aber meines Erachtens wäre die Kanzlerin gut beraten, diese Schonung nicht als ein Stillhalten bis in alle Ewigkeit zu verstehen, denn die CDU-Vorsitzende haftet für ihren Präsidenten und die FDP wird sich nicht in diese Haftung mitnehmen lassen. Und sollte sich herausstellen, dass Christian Wulff bei seiner zweiten Chance gestern wieder nur die Halbwahrheit gesagt haben sollte und die Öffentlichkeit nicht vollständig informiert hat, dann, denke ich, wird auch die FDP mit einer Stimme Klartext reden.
Breker: Lassen Sie uns noch ein wenig damit verweilen. Sie haben Ihren moralischen Kompass erwähnt, Herr Lotter. Die Frage: Wann nehmen die, die ihn in das Amt gewählt haben und die ihn weiterhin stützen und schützen, wann nehmen die Schaden und wer wird das sein? Schwarz-Gelb hat ihn gewählt, im dritten Wahlgang. Er wurde sozusagen erzwungen als Sieger der Präsidentschaftswahl. Angela Merkel hat da eine wichtige Rolle gespielt, aber die FDP hat mitgespielt. Das heißt: mitgehangen, mitgefangen.
Lotter: Also ich denke, das Amt des Bundespräsidenten hat eigentlich bereits Schaden genommen und man muss eben abwägen, wann dieser Schaden so groß wird, dass ein Rücktritt unausweichlich wird. Und ich denke, gerade mit diesem Angriff auf die Pressefreiheit ist Christian Wulff für mich untragbar geworden.
Breker: Und die Frage, wer nimmt Schaden? Nehmen die Schaden, die ihn da hingewählt haben und die ihn weiterhin stützen? Wann wird sich das entscheiden?
Lotter: Ich denke, es ist auf jeden Fall richtig, eine Fehlentwicklung zu korrigieren, und wenn das geschieht und man weiteren Schaden von dem höchsten Staatsamt fernhält, dann wird das den Parteien letztlich nicht schaden, sondern ihnen zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen.
Breker: Ein Grund, warum man Christian Wulff ausgesucht hat, warum Angela Merkel ihn ausgesucht hat, war, dass man nach der Erfahrung mit Horst Köhler, einem Nichtpolitprofi, einen Politprofi im höchsten Amt des Staates haben wollte – von der Schülerunion bis zum Präsidenten. Hat man das nun davon, dass man einen Politprofi da hinsetzen wollte?
Lotter: Er ist natürlich hartnäckiger, wenn ich das so sagen kann, als es Köhler war, der Vorgänger, aber ich denke, er hat eben seine zweite Chance gestern gehabt und es kommt jetzt darauf an, kommen weitere Dinge nach oder nicht, hat er diese zweite Chance verdient, oder hat er diese zweite Chance nicht verdient.
Breker: Er hat ja gestern selbst davon gesprochen, dass man die Glaubwürdigkeit als Bundespräsident zurückerlangen müsste. Das kann ja nur dann geschehen, wenn man sie vorher verloren hat.
Lotter: Das ist natürlich ein Problem, denn wie will der Bundespräsident Worte wie Ehrlichkeit, Anstand, Vertrauen, Glaubwürdigkeit künftig weiter in den Mund nehmen, wenn er selbst ein Problem damit hat. Oder wie will er Entwicklungen an den Finanzmärkten zum Beispiel kritisieren, wie will er die Gier an den Finanzmärkten kritisieren, wenn er selber da ein Glaubwürdigkeitsproblem hat.
Breker: Sie stehen, die FDP steht unmittelbar vor dem Dreikönigstreffen. Werden Sie darauf drängen, dass Ihre Partei zu diesem Bundespräsidenten, zum jetzigen Bundespräsidenten Christian Wulff, Stellung bezieht?
Lotter: Ich denke, dass dazu Dinge gesagt werden, aber ich meine, wenn weitere Dinge nachkommen, dann wird die FDP mit einer Stimme wirklich Klartext reden.
Breker: Sagen Sie das jetzt als Hoffnung für die Zukunft, oder sagen Sie das, weil Sie schon mit Ihrer Führung gesprochen haben, weil Sie schon mit Philipp Rösler, mit Birgit Homburger, mit Rainer Brüderle gesprochen haben?
Lotter: Nein, da habe ich keine Gespräche geführt. Aber ich bin sicher, dass, wenn die Dinge so laufen, sich meine Einstellung dann auch innerhalb meiner Partei durchsetzen wird.
Breker: Werden Sie denn initiativ werden in Stuttgart?
Lotter: In Stuttgart bin ich als Redner nicht vorgesehen, aber man wird natürlich Vier-Augen-Gespräche führen und dann auch diese Dinge ansprechen.
Breker: Herr Lotter, wenn die Bundeskanzlerin Sie um Rat fragen würde – wir haben eben gehört, es geht ja gar nicht oder nur äußerst schwer, dass man den Bundespräsidenten zwingt, von seinem Amt abzulassen -, wenn Sie der Bundeskanzlerin raten würden, wenn Sie um Rat gefragt würden, was würden Sie ihr empfehlen, wie sie mit Christian Wulff umgehen soll?
Lotter: Also wenn ich die Bundeskanzlerin wäre, dann würde ich ihm den Rücktritt nahelegen.
Breker: In einem persönlichen Gespräch, oder in einem öffentlichen Brief?
Lotter: Nein, in einem persönlichen Gespräch.
Breker: Und wenn er nicht reagiert?
Lotter: Dann, denke ich, würde ich darauf dringen, dass wirklich alles oder alle Fragen, die auch nach dem gestrigen Gespräch noch offen geblieben sind, geklärt werden.
Breker: Im Deutschlandfunk war das der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter. Er hatte vor dem gestrigen Fernsehinterview mit Bundespräsident Christian Wulff bekannt, dass es ihm leidtut, ihn dreimal gewählt zu haben. Es tut ihm weiterhin leid. Herr Lotter, ich danke Ihnen sehr für dieses Interview.
Lotter: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.