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Wunden der Erde

Der Mensch formt und verändert die Erdoberfläche seit Jahrtausenden. Im Mittelalter wurden in weiten Teilen Europas Wälder abgeholzt, in Asien Terrassenlandschaften für den Reisanbau angelegt, in den folgenden Jahrhunderten Flüsse begradigt, Berge untertunnelt und Kanäle gebaut.

Von Monika Seynsche |
    Gerade in den vergangenen Jahrzehnten verursacht der Hunger nach Rohstoffen aber immer drastischere Eingriffe mit immer verheerenderen Folgen. Seit Anfang der 1980er Jahre werden in den Appalachen im Osten der USA ganze Bergkuppen abgesprengt, um Kohle abzubauen. In Kanada werden zum Ölsandabbau riesige Wälder gerodet und Flüsse mit Chemikalien verunreinigt, im Rheinland und in der Lausitz wurden ganze Landstriche auf der Jagd nach Braunkohle umgegraben und völlig verändert.

    Monika Seynsche, Wissenschafts-Autorin des Deutschlandfunks, hat sich auf Spurensuche rund um die Welt gemacht. Der Programmschwerpunkt "Wunden der Erde" soll exemplarisch zeigen, wie und wo der Mensch die Erde verändert oder aus dem Gleichgewicht gebracht hat, und welche Folgen die Eingriffe haben.

    "Forschung aktuell" wird in fünf Beiträgen jeweils an einem Beispiel zeigen, wie Eingriffe des Menschen das Antlitz der Erde verändern oder verändert haben:


    15.02.: Loch in der Landschaft - Der Braunkohletagebau in Deutschland
    Deutschland ist der größte Braunkohleproduzent der Welt – mit gewaltigen Folgen für Menschen und Landschaft. Allein im Rheinischen Revier hat der Abbau 37.000 Menschen vertrieben und zahlreiche zum Teil über 1000 Jahre alte Orte verschluckt. Weil für den Abbau der Grundwasserspiegel stark gesenkt werden muss, würden die Tagebaue das komplette Gebiet in Mitleidenschaft ziehen. Daher wird das Grundwasser mit gewaltigem Aufwand im Tagebau abgepumpt und in der Nachbarschaft wieder eingeleitet. Auch nach Abbauende muss kostenträchtig eingegriffen werden, damit das zurückkehrende Grundwasser nicht drastisch versauert.

    17.02.: Experiment auf der Insel - Sandabbau in Queensland, Australien
    Mehr als die Hälfte von North Stradbroke Island ist an Minengesellschaften verpachtet. Die graben riesige Löcher in die Insel vor der Küste von Queensland und holen jedes Jahr 50 Millionen Tonnen Quarzsand aus dem Boden. Wenn die Grube erschöpft ist, wird sie wieder mit Sand zugespült und bepflanzt. Allerdings wird dieses Gebiet nicht an die ursprüngliche Artengemeinschaft zurückgegeben, sondern es entstehen "industrielle Landschaften", Experimentierfelder für neuartige Ökosysteme. In denen können sich dann auch schon einmal ungeliebte Neuankömmlinge, sogenannte invasive Arten, breitmachen.

    20.02.: Waldabbau auf Tasmanien
    Auf der australischen Insel Tasmanien werden einzigartige kaltgemäßigte Regenwälder abgeholzt und mit ihnen eine Flora und Fauna zerstört die weltweit einmalig ist. Das minderwertige Holz wird in Papierfabriken im Ausland weiterverarbeitet, die Ökosysteme können nie wieder in ihren Ursprungszustand zurückversetzt werden. Die einst vergleichsweise wenig beeinträchtigte Insel vor Australiens Südküste verliert zunehmend ihren ursprünglichen Charakter.

    22.02.: Unabhängigkeit vor Umweltschutz: Ölschiefergewinnung in Estland
    Estland ist ein kleines Land, mit einem riesigen Nachbarn, auf den es gar nicht gut zu sprechen ist. Lange Jahre besetzt, wollten die Esten nach dem Ende der Sowjetunion möglichst nichts mehr mit Russland zu tun haben, weder politisch noch wirtschaftlich. Im Osten Estlands liegen große Ölschiefervorkommen, aus denen die Esten fast ihren gesamten Energiebedarf decken. Es ist eine schmutzige Energiequelle, aber eine, die das Land unabhängig macht von russischen Stromimporten. Und das scheint den Esten wichtiger zu sein als alles andere.

    24.02.: Kohlebergbau in den Appalachen
    In den US-amerikanischen Appalachen wurden bis heute schon mehr als 500 Berggipfel weg gesprengt um an die darunter liegende Kohle zu gelangen. Mit gewaltigen Lastern wird der Energierohstoff dann zur Weiterverarbeitung gefahren, Zurück bleiben für immer gezeichnete Landschaften, denn für den Abbau wird Primärwald zerstört, die abgetragene Erde schwemmt in Flussläufe und verändert deren Ökologie.



    "Wissenschaft im Brennpunkt" wirft einen Blick auf die Folgen, die unsere Sucht nach Erdöl nach sich zieht.

    19.02.: Albtraum aus Teer
    Die Kulisse erinnert an ein dunkles, böses Märchen, aber es ist die Zukunft der kanadischen Energieversorgung. Auf einer Fläche fast halb so groß wie Deutschland liegen im Westen des Landes riesige Teervorkommen im Untergrund, aus denen sich mit gewaltigem Aufwand eine Art Rohöl gewinnen lässt. Allerdings nicht ohne gravierende Folgen für die Umwelt. Um an das Öl zu gelangen werden Moorgebiete unwiederbringlich zerstört, Wälder gerodet und Flüsse mit Schadstoffen und Schwermetallen belastet. Der kanadische Ölrausch reißt eine Wunde in die Landschaft, die niemals vollständig wird heilen können.

    15.04.: Langzeitfolgen einer Jahrhunderthavarie
    Am Abend des 23. März 1989 verlässt die Exxon Valdez ihren Heimathafen und steuert in den Prinz William Sund hinaus - beladen mit etwa 200 Millionen Litern Öl. Keine drei Stunden später beginnt die Katastrophe. Das Schiff läuft auf ein Riff, die Tanks schlagen leck, mehr als 40 Millionen Liter laufen aus und verseuchen 2000 Kilometer Küste. Hunderttausende von Vögel, Seeottern und Fischen verenden qualvoll. 23 Jahre sind seitdem vergangen. Aber das Ökosystem im Prinz-William-Sund an der Südküste Alaskas hat sich bis heute nicht erholt. Immer noch finden sich am Strand kaum verwitterte Klumpen Öl, die Heringsschwärme sind nicht zurückgekommen, genauso wenig wie viele Seevögel.

    "Online-Tagebuch"

    Die Autorin Monika Seynsche ist für diesen Themenschwerpunkt im vergangenen Jahr buchstäblich um den Erdball gereist. In Nordamerika, Australien und Europa hat sie sich Beispiele für drastische Eingriffe des Menschen angesehen und darüber in einem "Online-Tagebuch" von ihrer Recherche-Reise berichtet. Lesen Sie hautnah und unmittelbar über ihre Eindrücke: Wunden der Erde
    Ein Bagger im rheinischen Braunkohletagebau Garzweiler
    Riesige Löcher frisst der Sandabbau in die Insel Stradbroke Island vor der Küste von Queensland.
    Die Rodungen hinterlassen eine fragmentierte Landschaft
    Ohne viel Federlesen wird in Nordostestland Ölschiefer abgebaut.
    Kohlelaster donnern alle paar Minuten über die Cabin Creek Road.
    Kohlelaster donnern alle paar Minuten über die Cabin Creek Road. (Monika Seynsche - Deutschlandradio)
    Gewaltige Maschinen holen die Ölsande aus dem Boden
    Gewaltige Maschinen holen die Ölsande aus dem Boden (Monika Seynsche)
    Die Auklet bringt Forscher in den Prinz-William-Sund
    Die Auklet bringt Forscher in den Prinz-William-Sund (Monika Seynsche)
    Autorin Monika Seynsche, aufgenommen beim Aufnehmen von O-Tönen in den Appalachen.
    Autorin Monika Seynsche, aufgenommen beim Aufnehmen von O-Tönen in den Appalachen. (Monika Seynsche)