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Wundersame Uranvermehrung

Energie.- Anfang dieser Woche kam die Meldung auf, in China sei ein Durchbruch bei der Aufbereitung von Atommüll gelungen. Was es damit tatsächlich auf sich hat, erläutert Wissenschaftsjournalistin Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Arndt Reuning.

06.01.2011
    Arndt Reuning: Das chinesische Staatsfernsehen hatte verkündet, Nukleartechniker hätten eine Methode entwickelt, mit der sich die Uranbestände in China um bis zu 3000 Jahre strecken ließen – im Gegensatz zu 50 bis 70 Jahren, die bisher veranschlagt wurden. Meine Kollegin und Nuklearexpertin Dagmar Röhrlich hat versucht herauszufinden, was wohl hinter dieser Technologie steckt, und ist nun bei mir im Studio. Frau Röhrlich, ist das denn wirklich eine kleine Sensation, so wie angekündigt?

    Dagmar Röhrlich: Wenn man die Experten befragt, dann steckt dahinter kein neues Verfahren, sondern eine Änderung in der Informationspolitik. China hat ja ein sehr ambitioniertes Ausbauprogramm für die Nuklearenergie und das Volk soll jetzt darauf eingestimmt werden, dass es vorwärts geht.

    Reuning: Um welche Methode der Atommüllaufbereitung handelt es sich denn genau?

    Röhrlich: Das ist das sogenannte PUREX-Verfahren. Laut IAEA und auch einigen anderen Organisationen ist es das Verfahren, was dort jetzt angewandt wird. Das ist ein klassisches Verfahren. Wenn man abgebrannte Brennelement nimmt, die aus dem Reaktor herauskommen, dann enthalten die ja immer noch ein bisschen weniger als ein Prozent spaltbares Uran und auch spaltbares Plutonium – auch etwas weniger als ein Prozent. Und das will man herausbekommen. Dazu werden die Brennelemente in Stücke gesägt, sie werden in heiße Salpetersäure geworfen, aufgelöst. Man holt danach dann das Uran und das Plutonium heraus und hat damit einen Grundstoff, um neue Brennelemente zu machen, gerne dann MOX-Brennelemente, wie die so schön heißen. Dann werden also Uran und Plutonium zusammen zu neuen Brennelementen verarbeitet.

    Reuning: Ist das eine neue Methode, oder seit wann gibt es die schon?

    Röhrlich: Also die generelle Aufbereitungsmethode PUREX gibt es seit den 1940er-Jahren. Und es sind recht viele Länder, die das beherrschen, beispielsweise auch in Deutschland ist es durchgeführt worden. Frankreich und Großbritannien haben es zur kommerziellen Reife gebracht. Also die haben kommerziell produzierende Großanlagen. In den USA beherrscht man das Verfahren, macht es aber nicht für kommerzielle Anwendungen. Japan möchte es auch kommerziell anwenden, ist noch nicht so weit. Indien macht es auch – und das ist eigentlich ein ziemlich großer Kreis.

    Reuning: Und nun gehört auch China zu diesem Kreis dieser Länder.

    Röhrlich: China auch – und zwar auch nicht erst seit Anfang des Jahres. Militärisch wird das Verfahren dort seit 1975 genutzt. Man hat dort damals Technologie von der Sowjetunion übernommen. Das ganze Verfahren kommt ja – wie man am Plutonium für Atombomben sieht – auch aus dem militärischen Bereich heraus. Man hat auch schon in China eine zivile Pilotanlage, die sehr klein ist. Sie läuft seit 2006 und seit Dezember 2010 nun diese Zweite auch noch kleine Anlage.

    Reuning: In welchem Maßstab kann denn China überhaupt jetzt dieses Verfahren nutzen?

    Röhrlich: Also derzeit können sie pro Jahr 150 Tonnen aufarbeiten. Aber das ist natürlich viel zu wenig. Man will bis 2020 50 bis 80 Reaktoren laufen haben. Derzeit sind ungefähr 26 im Bau, also wirklich mit Beton wird dort gearbeitet. Und man möchte so ungefähr zwischen 1500 und 2000 Tonnen pro Jahr an Brennelementen aufbereiten. Und dazu hat man sich mit Areva , einem französischen Konzern, zusammengetan. Der wird dort, wo diese Pilotanlage steht, wahrscheinlich eine große Anlage bauen. Denn der Schritt von einer Pilotanlage zu einer Großanlage – da liegen nochmal Welten zwischen. Und die Vorverhandlungen sind laut Areva sehr weit gediehen und man hofft, dass der Vertrag abgeschlossen wird für eine richtig große Anlage. Man hat auch mit Belgien Verträge abgeschlossen, um diese MOX-Brennelemente, also diese Brennelemente, die Uran und Plutonium einsetzen, auch dort selbst herstellen zu können – auch dann in Zusammenarbeit mit den anderen Ländern. Die große Wiederaufarbeitungsanlage soll von Areva auch betrieben werden.

    Reuning: Das heißt, China wird da nicht alles in Eigenleistung durchführen. Diese Zahl, die genannt wurde, ein Uranvorrat, der 3000 Jahre lang hält: Ist das denn überhaupt realistisch?

    Röhrlich: Das deutet darauf hin, was da eigentlich passieren soll. Wenn ich jetzt nur Wiederaufarbeitung mache, dann kann ich etwa um 15 Prozent meinen Vorrat steigern. Auf dieses 60-Fache komme ich, indem ich das Ganze dann in einen schnellen Brüter reinsetze. Und China hat einen russischen schnellen Brüter, eine Pilotanlage, bereits stehen. Die läuft seit Juli vergangenen Jahres. Und das zeigt halt auch, dass es wahrscheinlich in diese Richtung ganz massiv hineingehen soll.