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Wundersamer Aufstieg

Nach den Parlamentswahlen in Australien liegend die Großparteien, Labor und die Konservativen, Kopf an Kopf. So gibt es mit den Grünen einen klaren Gewinner. Sie bekamen fünf Prozent mehr Stimmen als bei der letzten Wahl und jede Regierungsentscheidung braucht künftig erst grünes Licht.

Von Andreas Stummer |
    Australien sieht grün. Kameras klicken, Blitzlichter zucken, Labor-Premierministerin Julia Gillard und Bob Brown, der Chef der Grünen lächeln für die versammelte Presse und schütteln Hände. Gerade haben sie ein Abkommen unterzeichnet, das den australischen Sozialdemokraten helfen soll, eine Minderheitsregierung zu bilden. Mit Unterstützung des ersten grünen Abgeordneten im australischen Parlament. Eine Szene, die vor der Wahl undenkbar gewesen wäre.

    Doch dann kam alles ganz anders. Es gab ein Hängeparlament. Die Großparteien, Labor und die Konservativen, liegen Kopf an Kopf. Einen Gewinner aber gibt es: Die Grünen. Sie bekamen fünf Prozent mehr Stimmen als bei der letzten Wahl. Politologin Laura Tingle rechnet vor, dass die Grünen damit die Königsmacher im Senat, im australischen Oberhaus, sind. Das heißt: Jede Regierungsentscheidung braucht künftig erst grünes Licht.

    "Die Grünen sind die am besten organisierte, andere Partei in Australien. Sie haben immer mehr Zulauf und neun Abgeordnete im nächsten Senat. Sie werden nicht damit zufrieden sein einfach nur Regierungsvorschläge abzunicken – sie wollen gleichberechtigt mitreden."

    Seit ihrer Gründung, 1992, werden die australischen Grünen als Fluchtlaube für Öko-Spinner abgetan. Als eine Gruppe Umweltradikaler, die Wälder, Wale und die ganze Welt vor dem Klimawandel retten wollen – koste es, was es wolle. Ihre Gegner nennen sie abschätzig "Die Wassermelonen-Partei": außen grün, innen rot. Heute sind die Grünen die am schnellsten wachsende politische Vereinigung Australiens. Die mit den jüngsten Mitgliedern und dem dienstältesten Parteichef. Bob Brown, 56, ist seit 18 Jahren die Leitfigur der Grünen, der erste bekennende Homosexuelle im australischen Parlament und – das geben selbst seine Kritiker zu: ein Mann mit Integrität, sozialem Gewissen und immer mit dem Blick nach vorne.

    "Wir sind die einzige Partei, die eine Vision für Australien hat. Wir wollen freie Zahnvorsorge, wir wollen Superschnellzüge, wir wollen eine Emissionssteuer – wir Grünen wollen das Land ins 21. Jahrhundert bringen. Australien sollte die Welt in sauberer Sonnenenergie anführen und nicht noch mehr Kohleminen auf fruchtbarem Farmland graben – so wie es die anderen Parteien wollen."

    Bob Brown ist ein sanfter Revoluzzer, ein Kind der gewaltlosen Umweltproteste der 70iger: gegen Atomkraft, gegen Uran- und unkontrollierten Kohleabbau, gegen den Kahlschlag einheimischer Wälder. Und er war gegen Australiens Beteiligung an der Invasion des Iraks. Brown sei "gegen alles", nörgeln seine Kritiker und lassen dabei gerne unter den Tisch fallen, dass die Grünen unter Brown seit jeher für eine humanere Flüchtlingspolitik, mehr Rechte für Australiens Ureinwohner und vor allem: Für ein Umsteigen auf alternative Energien eintreten.

    Letztes Jahr wollten die regierenden, australischen Sozialdemokraten einen Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten einführen. Sie hofften auf die Unterstützung der Grünen. Doch Bob Brown sagte Nein. Der Plan gehe nicht einmal annähernd weit genug. Er belohne die mächtige Kohleindustrie und andere Umweltverschmutzer und bestrafe den einfachen Stromverbraucher:

    "Nach diesem Plan hätte der australische Steuerzahler die großen Luftverpester mit 22 Milliarden Dollar subventioniert – nur damit sie jahrzehntelang weiterverpesten können. Das wollten wir verhindern. Unser Vorschlag ist eine Emissionssteuer, die den großen Luftverschmutzern jedes Jahr zehn Milliarden Dollar abnimmt. Dieses Geld soll dann australischen Haushalten zugutekommen und ihnen helfen die steigenden Strompreise zu bezahlen."

    Obwohl Australien längst mit den Folgen des Klimawandels lebt – mit Rekordtemperaturen, jahrelangen Dürreperioden und immer mehr Waldbränden im Südosten des Landes: Die australischen Konservativen halten den Klimawandel für ein Hirngespinst – und die Grünen für den Staatsfeind Nummer 1. Ganz so weit will Lindsay Tanner, der frühere Labor-Finanzmister, nicht gehen. "Die Grünen sind längst nicht mehr nur eine Umweltpartei", gibt Tanner zu, "aber sie sind nur deshalb so populär, weil sie keine Verantwortung tragen."

    "Es ist sehr einfach für eine kleinere Partei wie die Grünen, alle möglichen Versprechen zu machen. Sie regieren nicht, deshalb können sie alles für jeden sein. Sie brauchen keine Mehrheit und sie müssen ihre Ideen auch nicht finanzieren. Das ist der Unterschied zwischen den Grünen und den etablierten Parteien: Wir müssen hart arbeiten, um fortschrittliche Politik zu machen – die Grünen aber können sagen, was sie wollen und müssen für nichts geradestehen."

    Aber auch das hat sich geändert: Seit einem halben Jahr unterstützen die Grünen eine Labor-Minderheitsregierung im Staat Tasmanien. Mit Erfolg. Von ihren Anhängern werden die Grünen geliebt, von ihren Gegnern gehasst: auch weil sie sich oft für Unbequemes einsetzen, um das Traditionsparteien gerne einen Bogen machen: gleichgeschlechtliche Ehe, Sterbehilfe und eine gesellschaftlich verantwortungsvolle Zuwanderungspolitik. "Sie sind ein frischer Wind im Mief der australischen Großparteien", glaubt Richi Maden, ein Anwalt aus Melbourne. Richi hat sein Leben lang konservativ gewählt. Diesmal aber, sagt er, wollte er Labor und den Konservativen einen Denkzettel verpassen. Und hat für Bob Brown's Grüne gestimmt:

    "Die Grünen sind wichtig für Australien, denn sie werden im Senat so etwas wie der Schiedsrichter sein. Sie bieten eine echte Alternative. Die Sozialdemokraten und die Konservativen unterscheiden sich kaum mehr voneinander – nur die Grünen haben in vielen Dingen eine andere Sichtweise. Sie werden dafür sorgen, dass die etablierten Parteien nicht machen können, was sie wollen."

    Es war die deutsche Grünen-Politikerin Petra Kelly, die 1984 zu Besuch im Land die zersplitterte Umweltbewegung Australiens dazu ermutigte, sich zu einer einheitlichen, nationalen Partei zusammenzuschließen. Etwas über 25 Jahre später sind die Grünen Australiens drittstärkste Partei. Sie haben ihren ersten Abgeordneten im Parlament und sind die Königsmacher im Senat – egal wer künftig regiert. Die Zeit, in denen die Grünen in Australien einfach links liegen gelassen wurden, die ist jedenfalls vorbei.

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