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Wuppertaler Wochenzeitung
Einhundert Prozent Journalismus

Es wirkt schon ziemlich mutig, wenn jemand in den Zeiten von Internet und Zeitungskrise ein neues Printerzeugnis an den Start bringt. Die meisten Blätter plagen Überlebensängste. Und trotzdem gibt es jetzt eines mehr: "talwaerts" heißt die neue Wochenzeitung in Wuppertal. Ohne Werbung will sie Leser locken.

Von Wolfram Lumpe |
    Auf einem Tisch liegen deutsche Tageszeitungen so versetzt, dass jeweils nur der Titel zu lesen ist, ganz vorne "Die Welt", "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Süddeutsche Zeitung"
    In Wuppertal gehen zwei Chefredakteure mit der neuen Wochenzeitung "talwaerts" an den Start. (dpa / Jan Woitas)
    "Ein Thema ist heute noch reingekommen, Bilanzpressekonferenz der WSW, ich glaube das können wir uns schenken."
    Jan Filipzik ist einer der beiden Chefredakteure von talwaerts. Es ist Redaktionskonferenz. Vier freie Mitarbeiter sind da. Die Bilanz der örtlichen Stadtwerke will man also den tagesaktuellen Medien überlassen. Die Themen, die in der Runde ankommen wirken auch eher bodenständig. So sollen in einer der nächsten Ausgaben die Sperrmüllsammler zum Thema werden.
    "Dann haben wir noch einen geschobenen Artikel von mir "Sommerloch", ein nettes Foto und die nächsten zwei Veranstaltungen sind da glaub ich. Der ist jetzt diese Ausgabe rausgeflogen."
    Bodenständige Themen auf Papier
    Die Talwaerts-Macher Jan Filipzik und Florian Schmitz haben das Zeitung machen gelernt. Beide haben beim hiesigen Platzhirschen volontiert. Die Westdeutsche Zeitung ist seit Jahr und Tag die einzige Tageszeitung in Wuppertal, zwei Mal pro Woche erscheint noch die Wuppertaler Rundschau, ein Werbeblatt mit starkem redaktionellem Teil. Der Konferenzraum von talwaerts ist vorübergehend Filipziks Wohnzimmer, eigene Räume gibt´s noch nicht. Kommt aber alles, sagt er, jetzt geht es erst einmal darum, dass es los geht. Und das ganz klassisch und ganz bewusst auf Papier.
    "Der Charme von Papier ist, dass man es einfach in die Hand nehmen kann, das ist wirklich etwas ist, was man am Wochenende bekommt, freitags wird die Zeitungen zugestellt, wo man sich wirklich am Wochenende hinsetzen kann, die in Ruhe liest, ein bisschen was von Wuppertal mitbekommt, interessantes erfährt, spannende Geschichten liest, nichts desto trotz ist für uns natürlich ganz klar, wenn wir merken, dass Teil sich hier in Wuppertal etabliert hat, würden wir auf jeden Fall auch ein Online-Angebot entwickeln."
    19 Seiten für 1,90 Euro
    Aber bis dahin soll sich talwaerts erst einmal verkaufen. Neudeutsch gesagt: im "Real Life", ganz direkt, im Kiosk, von der Zeitungsauslage zum Leser. 19 Seiten für 1,90 €. Und nur vom Verkauf soll sich das Wochenblatt auch finanzieren. Werbung gibt es nämlich nicht. Man mag sich da schon fragen, ob die Macher nicht vielleicht doch in einem medialen Wolkenkuckucksheim leben. Sie sagen aber entschlossen: Nein. Die Zeitung und ihre erste Ausgabe seien erst nach gründlicher Kalkulation im Vorfeld Realität geworden.
    "Wir haben doch eigentlich die ganzen Zahlen, wir wissen, wer ist die Zielgruppe, wie groß ist die Zielgruppe, und jetzt lass uns doch mal gucken, ob das nicht tatsächlich funktionieren könnte und dann haben wir uns hingesetzt, haben wirklich mal tatsächliche Druckangebote eingeholt haben das ganze durchgerechnet, auch mal mit einer Steuerberaterin. Einer Unternehmensberaterin. Und sind dann relativ schnell zu dem Schluss gekommen, dass es funktionieren kann."
    "Funktionieren kann", nicht muss, sagt Chefredakteur Filipzik. Wobei das Funkeln in seinen Augen schon verrät, dass es auch funktionieren soll. Seine Entschlossenheit ist wortreich. Aber auch die Möglichkeit des Scheiterns hat er im Blick.
    "Ich glaube wir sind jetzt schon an einem Punkt, dass wir wissen, wenn wir mit talwärts scheitern, scheitern wir glaube ich nicht immer wegen des Geldes - sondern wegen? Ich glaube, dass wir relativ schnell, und die Resonanz gibt uns glaube ich recht, relativ schnell Leute erreichen, Leser erreichen auch, dass wir nicht mehr unser eigenes Geld reinstecken, das haben wir bislang gemacht. Wir haben ja keinen großen Investor, der hinter uns steckt, sondern das ist unser privates Geld, dass wir in dieses Projekt investieren und wir kommen glaube ich ganz schnell an dem Punkt, dass wir nicht noch mehr Geld rein schießen müssen."
    Reinschießen müssen sie aber noch jede Menge Engagement. Gestern Nachmittag, der Parkplatz am Bahnhof von Wuppertal-Barmen. Die talwaerts-Chefredakteure Schmitz und Filipzik stehen am offenen Kofferraum von Jan Filipziks Auto. Pappkarton öffnen, Banderole aufreißen, und da ist die. Die erste talwaerts. 19 Seiten stark.
    "Das ist das erste Mal, dass wir Exemplare in der Hand haben, die wirklich mit richtigem Text gefüllt sind und die genau so sind wie sie sein sollen."
    "Das ist natürlich verrückt, die ganze Zeit, die man da reingesteckt hat und jetzt eben das fertige Produkt zu sehen, das ist schon ein großer Schritt. Auf jeden Fall, auch gefühlsmäßig natürlich."
    Wuppertal hat ne Neue
    Der Bahhofskiosk ist die Erste von sieben Stationen, die ab jetzt regelmäßig, die talwaerts auslegen sollen. Sie kommt in ein langes Regal, nach ganz oben, schräg unter ein Schild mit der Aufschrift "Regionales". Und da steckt sie jetzt drin. Irgendwie eingepfercht zwischen vielen Hochglanzmagazinen liest man gerade eben noch "tal". Aber vorne im Kiosk hängt Bente Leipoldt ein Werbeplakat auf. "Wuppertal hat ne Neue" steht drauf. An ihrer Kasse wird das neue Blatt verkauft, wenn es sich denn verkauft. Sie meint: Ja.
    "Also, sie wollen richtig Werbung machen für die Zeitung? Natürlich. Finden Sie eine gute Idee? Ich finds ne super Idee, ja. Werden Sie auch gleich mal selbst reinschauen? Auf jeden Fall. Ich hab ja auch schon ein Probe-Exemplar gehabt. Fand ich super, find die ganze Aufmachung eigentlich ganz schön so. Es ist mal was Neues, mal wieder für Wuppertal."
    "Wir sind niemanden verpflichtet"
    Und deshalb gehen die talwaerts-Macher ran an Wuppertal. Mit einem Stand mitten in der City von Elberfeld. Bekannt werden und Verkaufen. Stimmen:
    "Ich bin sehr gespannt wie sich das entwickelt, im Moment ist sie noch ein bisschen dünn, spannende Themen, aber ich finde es eine gute Ergänzung zu der jetzigen Presselandschaft. "Ich bin ein bisschen pessimistisch, aber mit unter gibt es Leute, die das trotzdem anspricht und in der Tageszeitung, meine Frau sagt immer, da steht sowieso nicht aber ich viel drin. Vielleicht ist das dann eine Alternative die sich längerfristig bewähren könnte." "Dass noch mal eine Zeitung hier in Wuppertal erscheint, unabhängig von der WZ und scheinbar auch politisch unabhängig, absolut." "Als Zeitung sind wir völlig neutral, wir sind ja auch niemandem verpflichtet."
    Und das soll so bleiben. Und talwaerts soll bleiben. Entscheiden werden das, wie immer und auch hier, die Leser.