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"Wut aufs Militär, auf die Rüstung, auf die Schwerindustrie"

23. Februar 1969: Der Schriftsteller Erich Kästner im Deutschlandfunk.

    Erich Kästner: Das entscheidende Erlebnis war natürlich meine Beschäftigung als Kriegsteilnehmer. Wenn man 17-jährig eingezogen wird, und die halbe Klasse ist schon tot, weil bekanntlich immer zwei Jahrgänge ungefähr in einer Klasse sich überlappen, ist man noch weniger Militarist als je vorher. Und eine dieser Animositäten, eine dieser Gekränktheiten eines jungen Menschen, eine der wichtigsten, war die Wut aufs Militär, auf die Rüstung, auf die Schwerindustrie.

    Ergänzend ist dazu zu sagen, ich komme aus ganz kleinen Verhältnissen, mein Vater war ein Facharbeiter und auch Sozialdemokrat natürlich. Ich habe als Kind schon erlebt, wie die Arbeiter streikten und wie die berittene Gendarmerie mit herausgezogener Plempe da auf die Leute losschlug, die dann mit Pflastersteinen die Laternen einschlugen, und ich habe heulend neben meiner Mutter am Fenster gestanden. Mein Vater war da unten mit dabei – also da haben wir schon zwei entscheidende Dinge.

    Wir waren gekränkte Idylliker, wir waren Menschen, die den Krieg und die sozialen Differenzen und alles… – es wuchs uns über den Kopf und quoll uns aus den Ohren, weil wir im Grunde trotz alles Verstandes und aller Vernunft Wünsche hatten, nennen wir es zur Idylle, nennen wir es zu möglichen, wenn auch nicht paradiesischen, aber möglichen, sinnvollen Zuständen.