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Wut treibt Lehrer auf die Straße

In Sachsen herrscht an vielen Schulen gähnende Personalleere. Das Bundesland kämpft mit Lehrermangel und Unterrichtsausfall und einer Schulpolitik, die den Rotstift schwingt. Deshalb demonstrierten nun 15.000 Lehrer in Dresden vor dem Landtag für eine andere Bildungspolitik im Freistaat und für bessere Rahmenbedingungen.

Von Claudia Altmann |
    15.000 Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Sachsen hat die Wut über die verfehlte Bildungspolitik der von CDU und FDP geführten Landesregierung heute vor den Dresdner Landtag getrieben. Es ist die größte Demonstration, die es je vor dem Landesparlament gegeben hat.

    "Wir fordern ein langfristiges Personalkonzept, über die nächste Wahlperiode hinaus."

    Für Jens Weichelt, den Vorsitzenden des sächsischen Lehrerverbandes, ist die Situation alarmierend.

    "Wir haben das Schuljahr in Sachsen begonnen mit mehr Schülern aber weniger Lehrern. Es hätten zu Beginn des Schuljahres ca. 230 Lehrer mehr eingestellt werden müssen, um in allen Schularten den Grundbereich – das heißt also die Stundentafel der Schüler – und den Ergänzungsbereich – das heißt die Reserve für Vertretungen und auch für zusätzliche Angebote – vollständig auszureichen."
    700 000 Unterrichtsstunden sind im vergangenen Schuljahr in Sachsen außerplanmäßig ausgefallen. Kein Wunder, das Durchschnittsalter in sächsischen Lehrerzimmern liegt bei über 50. Der Freistaat hat es versäumt, junge Lehrer einzustellen. Bis 2020 werden 8000 Lehrer in den Ruhestand gehen. Für einen normalen Generationenwechsel müssten jährlich 800 bis 1000 Lehrer neu hinzukommen, sagt die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Sabine Gerold.

    "Die Lehrer im Osten Deutschlands sind in der Regel zehn Jahre länger im Dienst als im Westen, weil sie mit Anfang 20 ihren Beruf begonnen haben. Das hing einfach mit den Ausbildungsstrukturen in der früheren DDR zusammen. Sie haben also in der Regel, wenn sie 50 und 55 sind, ein normales Lehrerberufsleben schon hinter sich. Zu diesem Zeitpunkt wird jetzt der Druck auf sie erhöht. Sie müssen alle Vollzeit arbeiten. Es wird noch mehr Arbeit von ihnen verlangt, um die Lücken zu schließen."

    Um diese Lücken zum jetzigen Schuljahresbeginn zu schließen, wurden 650 Lehrer eingestellt sowie bisher in der Verwaltung arbeitende Lehrer reaktiviert oder aus Ganztagsangeboten abgezogen. Außerdem wurde zusätzlich Geld locker gemacht, um Honorarkräfte vor die Klassen stellen zu können. Damit ist Kultusministerin Brunhild Kurth zufrieden.

    "Wir haben die Planung so abschließen könne, dass der Unterricht abgesichert ist. Und wir haben im Februar 2013 den nächsten Einstellungstermin. Im Sommer 2013 wird es den Nächsten geben."

    Die Interessenverbände aber fordern mehr: Sie wollen einen Demografie-Fond, mit dem eine Altersteilzeitregelung ermöglicht wird. Diese soll ein würdevolles Ausscheiden aus dem Berufsleben garantieren und gleichzeitig Platz für junge Pädagogen schaffen, sagt Sabine Gerold.

    "Wir haben drei Verhandlungen hier geführt zur Sicherung von Beschäftigung bei rückläufigen Schülerzahlen. Wir möchten uns auch einbringen in diese Verhandlungen über den Generationenwechsel in den Schulen. Wir nennen es Generationenvertrag: Alte entlasten, um junge einzustellen. Momentan passiert es anders: Man stellt junge zu Lasten der älteren Kollegen ein. Man appelliert, dass sie verzichten für die jüngeren Kollegen. Und so wird kein förderlicher Generationenwechsel organisiert."

    Darüber würden die Lehrer gern mit Finanzminister Georg Unland reden. Dieser jedoch hat schon vier Mal abgelehnt, zuletzt heute bei der Haushaltsdebatte. Auch eine bessere Bezahlung kommt für ihn nicht in Frage.

    "Unsere Analyse zeigt, dass unsere Lehrer richtig eingruppiert sind und wir haben haushaltsmäßig nichts vorgesehen, dort etwas zu tun."

    Die Koalitionsregierung beharrt auf ihrem Sparkurs, um Sachsen um jeden Preis schuldenfrei zu machen und erntet damit selbst in den eigenen Reihen harsche Kritik. Thomas Colditz war lange Jahre bildungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und hat aus Protest gegen das von seiner Partei angerichtete Bildungschaos zu Wochenbeginn das Handtuch geworfen. Mit Flickschusterei und Scheinlösungen, sagt er, muss Schluss sein.

    "Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite Sachsen Spitzenland in der Bildung ist. Auf der anderen Seite diejenigen, die das letztlich befördert haben völlig außen vor bleiben. Das ist einfach eine Frage der Anerkennung, die dort ausgeblieben ist. Wir werden hoffentlich als Fraktion die Kraft haben, das zu korrigieren. Wir müssen im Stellen plan des Haushaltes meines Erachtens dringend nachbessern, damit wirklich eine Perspektive bis 2020 aufgezeigt wird. Und ich sage auch einem Finanzminister, wenn er meint, jetzt sparen zu müssen: Ich prophezeie ihm, wenn er die Probleme jetzt nicht löst, dann werden sie in fünf, sechs Jahren noch teurer werden, als es jetzt schon ist. Und dafür habe ich überhaupt kein Verständnis."