Bäuerin: "Wir brauchen einen fairen Milchpreis. Und wir geben nicht locker, bis wir unser Ziel erreicht haben."
Bauer: "Mit 22,5 Cent sollen wir zufrieden sein. Wir Bauern stehen mit den alleinerziehenden Müttern und den Asylanten auf einer Armutsschwelle. Und da ist irgendwas nicht in Ordnung."
Bäuerin: "Die Betriebe sind fertig. Das ist kein Spaß mehr."
Seehofer: "Ja aber, Sie wissen doch, dass wir kämpfen, wo wir nur können."
Bäuerin: "Ja, wir auch, wir auch."
Eine Wahlkampfveranstaltung der CSU, irgendwo in Bayern. Es ist egal, wo Ministerpräsident Horst Seehofer auftaucht - die Milchbauern sind immer da. Sie sind enttäuscht, verzweifelt und wütend: auf Europa, die Politik, die CSU. Die Milcherzeuger wollen gehört werden. Und der Parteichef stellt sich der Diskussion, obwohl er ihre Klagen längst in und auswendig kennt - und zugeben muss, wie machtlos er eigentlich ist.
Seehofer: "Wir müssen weiter kämpfen."
Bauer: "Genau."
Seehofer: "Aber Sie können nicht sagen, dass wir nichts tun. Das dürfen Sie nicht sagen."
Bauer: "Nein, es tut sich nichts. Sie müssen die Menge runter bringen. Wir haben einen neuen Stall gebaut. Wir werden das nicht überleben bei diesen Preisen."
Seehofer: "Ja, aber da brauchen wir die Europäer dazu. Und Sie wissen, dass alle anderen Bundesländer anders denken."
Bauer: "Nein, Hessen und Bayern sind dafür, die haben schon 66 Prozent aller Milch in Deutschland."
Seehofer: "Ja, aber…"
Bauer: "Wenn man das demokratisch abstimmen würde."
Seehofer: "Aber die anderen Bundesländer stimmen gegen uns."
Es ist auffällig, wie sehr sich Seehofer um die Landwirte bemüht. Ob in Brüssel oder in Berlin. Seine CSU setzt in der Großen Koalition eine steuerliche Entlastung für Agrardiesel durch - auch gegen Widerstände aus der CDU. Vergangene Woche reiste er eigens nach Brüssel, um sich persönlich beim EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso ein Okay abzuholen.
Seehofer kämpft für die Bauern. Vor allem kämpft er aber um die Bauern. Aus gutem Grund: Der Parteivorsitzende braucht bei der Europawahl jede Stimme. Im Jahr eins nach dem Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern geht es der CSU-Führung darum, eine weitere Erosion der Wählerbasis zu verhindern. Die Landwirte dürften am 7. Juni für den Erfolg der Partei entscheidend sein. Jeder dritte deutsche Bauernhof steht in Bayern. Während es - zum Beispiel - in Mecklenburg-Vorpommern 700 Milchviehbetriebe gibt, zählt man im Freistaat 46.000.
"Wir müssen alles tun, dass wir jetzt nicht in der Agrarwirtschaft in das gleiche Dilemma schlittern wie in der Gesamtwirtschaft und im Finanzmarkt, nach dem Motto: immer größer, immer weiter und immer schneller. Und am Ende stehen Agrarfabriken und keine bäuerlichen Betriebe mehr. Das wollen wir in Bayern nicht."
Bayern kämpft für seine bäuerlichen Familienbetriebe, obwohl die kleinen bayerischen Höfe längst nicht mehr wettbewerbsfähig sind; obwohl der Freistaat alleine weder gegen die EU noch gegen Markttrends etwas ausrichten kann. Deshalb verwundert der Vorwurf nicht, das Engagement der CSU sei einzig dem Wahlkampf geschuldet.
Wahlgeschenke sind aber nicht unbegrenzt zu verteilen. Um die Bauern an die Urne zu bewegen, setzt die CSU deshalb nach den Aussagen ihrer Europapolitiker vor allem auf Überzeugungskraft. Es gehe schließlich um den Erhalt einer Kulturlandschaft, heißt es unisono. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Silberhorn, in der Landesgruppe für Europa zuständig, nennt einige Optionen:
"Was wir tun müssen, ist die Marktmacht der Landwirte zu stärken, indem man einerseits den Bauern sagt, ihr dürft nicht nur Milch produzieren, ihr müsst auch schauen, dass ihr bei den Veredelungsprodukten mit dabei seid, darüber laufen 60 Prozent des Umsatzes. Und auf der anderen Seite muss man auch die Marktmacht der Bauern im Verhältnis zum Einzelhandel stärken. Da gehört auch Zusammenarbeit der Molkereien mit hinein."
Jahrzehntelang zählten die Landwirte zu den treusten Anhängern der CSU. Seit der Landtagswahl im vergangenen September aber muss sie ihre einstigen Stammwähler fürchten: Denn jeder dritte Bauer lief zu den Freien Wählern über.
Die Wählervereinigung tritt erstmals auch bei der Europawahl an - mit der Ex-CSU-Rebellin Gabriele Pauli als Spitzenkandidatin. Ob die Freien Wähler aus der Entfremdung der Bauern von der CSU erneut Kapital schlagen können, ist offen. Die Rückkehr der enttäuschten Bauern in den Schoß der CSU ist aber ebenso fraglich. Eine Umfrage des Bundes Deutscher Milchviehhalter bei seinen Mitglieder spricht Bände: Nur noch 23 Prozent würden die Union wählen, 22 Prozent die Freien Wähler.
"Man muss ja nicht unbedingt CSU wählen."
"Sie tritt ja nur in Bayern an. Wenn wir Bayern sie nicht wählen, dann schafft sie es nicht."
"Ich würde es als echten Denkzettel ansehen, dass die CSU rausfliegt. Genauso wie sie immer sagt: 50 + X, sage ich seit Jahren schon immer: geteilt durch zwei und Minus zehn Prozent. Da müsste sie hin, dann würden sie auch wieder normal. Was ich denen vorwerfe ist Arroganz."
"Freie Wähler kann man auch wählen."
"Wir Bayern müssen halt deswegen wählen, damit die CSU wieder eine Stimme hat, damit Bayern eine Stimme hat. Das ist wahrscheinlich das Glück der CSU. Aber es wird knapp. Ich bin eigentlich negativ eingestellt. Die Bayern denken lange zurück. Ich gehe schon wählen. Aber die CSU nicht. Die Freien gingen noch, sonst aber nichts. Bei der CSU die letzte Zeit, was man da mitgekriegt hat, wie oft die umgefallen sind, da kann man nichts mehr glauben."
Dabei wirbt die bayerische Unionsschwester für die Europawahl mit den Schlagworten: Bürgernäher, demokratischer, transparenter.
"Es geht um viel, auch für die CSU","
sagt Generalsekretär Alexander Dobrindt. Und die CSU-Führung zeigt sich trotz der schweren Niederlage bei der jüngsten Landtagswahl, und trotz der auch in Bayern spürbaren Europamüdigkeit optimistisch. "Nur wer CSU wählt", so der im Freistaat plakatierte Slogan, "gibt Bayern eine eigene Stimme in Europa".
""Alle anderen Parteien treten ja mit Bundeslisten auf. Und die CSU ist die einzige Partei, die mit bayerischen Kandidaten aus allen Regionen Bayerns antritt. Und das ist ein unglaublich gutes Argument, was natürlich auch Überzeugungskraft hat."
Zumindest die Mitglieder, sagt Dobrindt, seien motiviert. Unter den CSU-Bundestagsabgeordneten gibt es indes Stimmen, die vor allzu großem Selbstbewusstsein warnen. Etwas mehr Bescheidenheit, sagen sie hinter vorgehaltener Hand, käme vielleicht besser an.
Der Generalsekretär sieht darin keinen Widerspruch. Er setzt auf die populäre Forderung, auch die Europaabgeordneten seien ihren Wählern verantwortlich, sollten also direkt gewählt werden.
"Da gibt es niemanden, den man anrufen, den man anschreiben kann, den man auch zur Verantwortung ziehen kann, und auch das gehört zur Demokratie, den man dann, wenn man unzufrieden ist, auch wieder abwählen kann. Und ich glaube, dass wir das schaffen müssen, dass unser bewährtes System, das wir bei allen anderen Wahlen haben, die direkte Verantwortlichkeit vom Bürger auf die Person entsprechend übertragen, dass wir das auch in Europa einführen."
Diese Forderung, die Bürger stärker direkt zu beteiligen, wird von der CDU nicht unterstützt. Auch deshalb gibt es kein gemeinsames Wahlprogramm der Union zur Europawahl. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer:
"Wir legen größten Wert darauf, dass nichts weiter zentralisiert wird in Brüssel, sondern dass alle Entscheidungen, die wir selbst treffen können, auch dort getroffen werden."
Der Bundestagsabgeordnete Thomas Silberhorn verweist auf die Kritik, der nicht nur er im Wahlkreis begegnet.
"Da gibt es einen Trend zur Bevormundung, zur Zwangsbeglückung, ein Eifer der Regulierung, der den Regionen - mittlerweile vielfach auch den Kommunen - den eigenen Handlungsspielraum abschneidet. Und wenn wir hier am Ende Akzeptanz für die europäische Integration finden wollen, dann müssen wir genau beides tun: Auf der einen Seite ein starkes Europa, wo es um die Selbstbehauptung nach außen geht, aber ein schlankes Europa, wo es um die Selbstbeschränkung nach innen geht."
Die CSU wandert allerdings auf einem schmalen Grad. Die Europakritik darf nicht zu weit getrieben werden. Die Folge könnte Wahlverweigerung sein - und das wäre das Letzte, was die Partei gebrauchen kann. Denn die CSU kann nur in Bayern gewählt werden, muss aber bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde überspringen - sonst ist sie in Strassburg und Brüssel nicht mehr dabei.
Ein Scheitern wäre ein Menetekel knapp vier Monate vor der wichtigeren Bundestagswahl. Manche in der CSU sind von Alptraumvisionen geplagt. Doch Parteichef Seehofer weigert sich, auch nur darüber nachzudenken.
"Ich habe in meinem ganzen politischen Leben noch nie mich mit Geistergeschichten in der Politik beschäftigt. Und weil ich dieses Gespenst wirklich, auch wenn man bescheiden und zurückhaltend ist, so nicht sehe, beschäftigte ich mich damit nicht. Wir sind gut unterwegs als CSU und ich denke, wir werden auch eine gute Vertrauensbasis der Bevölkerung bekommen."
Der CSU-Chef verlässt sich auf sein Bauchgefühl; auch beim strittigen Thema: Volksbefragungen. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel befürchtet, Volksentscheide - wie sie die kleine Schwester fordert - könnten grundlegende europäische Weichenstellungen verhindern, so wie es in Irland und Frankreich der Fall war. Der CSU-Politiker Silberhorn hat eine andere Meinung:
"Im Ergebnis glaube ich, dass dieses Nein zum Verfassungsvertrag oder zum Vertrag von Lissabon nur auch deshalb zustande kommt, weil im Alltagsgeschäft so viel an Überregulierung und Bevormundung da ist, dass sich in der Bevölkerung ein Unmut aufstaut, der sich dann eben entlädt, wenn die Leute überhaupt mal gefragt werden. Wenn man hier mehr Selbstbeschränkung üben würde und auf der anderen Seite klarer die großen Aufgaben der europäischen Integration angehen würde, dann wird man für solche grundlegenden Weichenstellungen auch die Bevölkerung gewinnen können. Natürlich müssen Abgeordnete dann auch hinstellen und erklären und überzeugen, warum sie einen europäischen Vertrag schließen wollen. Aber diese Verträge werden im Bundestag und Bundesrat meistens mit zwei Drittel Mehrheit ratifiziert. Diese zwei Drittel in Bundestag und Bundesrat werden es doch bitte schön im Kreuz haben, dafür in der Bevölkerung wenigstens eine einfache Mehrheit zu finden."
Kompetenzen, die nach Brüssel verlagert wurden, sind ebenso wenig zurückzuholen, wie eine Aufnahme neuer EU-Mitglieder rückgängig gemacht werden kann. Schon deshalb, sagt CSU-Generalsekretär Dobrindt, müssten die Menschen hier mitentscheiden. Auch die Unionsschwester werde das erkennen:
"Bisher hat es Deutschland nie geschadet, wenn die CDU der CSU gefolgt ist. Und deswegen kann man sagen, auch in diesem Falle glaube ich daran, dass wir uns durchsetzen werden."
Durchgesetzt hat sich die CSU jedenfalls mit der grundsätzlichen Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft der Türkei. Auch hier argumentiert die CDU oft vorsichtiger, gebremst von einer Vorsitzenden, die sich als Kanzlerin in Brüssel nicht vorzeitig festlegen will. Das Vollmitglied Türkei, sagt Dobrindt dagegen, würde die EU überfordern:
"Alle Entscheidungen über Beitritte müssen auch danach beurteilt werden, ob die Europäische Union in der Lage ist, überhaupt weitere Mitglieder aufzunehmen. Ich behaupte, dass dies im Fall der Türkei definitiv nicht gegeben ist, und deswegen haben wir auch in unserem Wahlprogramm schon sehr deutlich reingeschrieben, dass es eine Vollmitgliedschaft der Türkei nicht gibt."
Ablehnung auch beim Thema: kommerzieller Einsatz grüner Gentechnik. Es hatte eine Weile gedauert, bis die CSU gemerkt hatte, wie die Mehrheit der Bauern zu diesem Thema steht. Nun aber hat sie dieses Ziel im Wahlprogramm formuliert.
Aber nicht nur in der Landwirtschaft, so heißt es aus der Parteiführung, gehe es um den Erhalt von Werten: Auch deshalb fordere man, einen Gottesbezug in die vertraglichen Grundlagen der EU aufzunehmen.
Den CSU-Spitzenkandidaten für Brüssel, Markus Ferber, sucht man übrigens auf den offiziellen CSU-Wahlplakaten vergeblich. Viel zu unbekannt, urteilt die Parteizentrale gnadenlos. Zur Mobilisierung der Wähler taugt der eigene Spitzenkandidat nicht. Stattdessen lächelt Ministerpräsident Seehofer von den Plakaten - und gegen Europamüdigkeit an.
Das größte Risiko für die CSU liegt in der Wahlbeteiligung, die im Jahr 2004 mit 39,7 Prozent im Freistaat einen Tiefstand erreichte. Große Hoffnung auf eine Trendwende hat man nicht: Die Bayern gelten sowieso als eher europaskeptisch. Und der Wahltag fällt heuer auch noch mitten in die Pfingstferien. Für die CSU eine ungewohnte Lage: Wahlziel ist nicht mehr ein großer Sieg, sondern die Verhinderung einer Niederlage.
"Es ist in der Tat so, dass der Nichtwähler eigentlich das Hauptproblem ist bei dieser Europawahl. Und es geht schon darum, die eigene Klientel bestmöglich zu mobilisieren, damit wenigstens aus dem eigenen Bereich der treuen Stammwählerschaft genügend zur Wahl gehen. Unser Klientel sind die Leistungsträger in Bayern. Es sind die Menschen, die wollen, dass Bayern in Europa stark vertreten ist. Es sind natürlich die wertgebundenen Bürger und Bürgerinnen Bayerns. Und ich setze nach wie vor auf die Landwirtschaft."
Spitzenkandidat Ferber macht sich längst keine Illusionen mehr. Seine Partei kann von einem Ergebnis von 57,4 Prozent wie bei der Europawahl 2004 nur noch träumen. Die Nervosität ist mit Händen greifbar. Auch an den Infoständen herrscht eher Flaute. Viele Bürger haben keine Lust, am 7. Juni wählen zu gehen.
Markus Ferber sitzt seit 1994 im EU-Parlament und ist in letzter Zeit vor allem als Kämpfer für die herkömmliche Glühbirne aufgefallen. Er führt die Riege der CSU-Europaabgeordneten an. Es sind neun - von 785. Immerhin mehr als die fünf aus Malta oder die sieben aus Slowenien. Ohne uns, glaubt der 44-Jährige, wäre das Europäische Parlament wirklich ärmer.
"Der bäuerliche Familienbetrieb, der auch benachteiligte Bergflächen bewirtschaftet, der hat sonst keine Lobby in Europa, wenn nicht bayerische Abgeordnete mit dabei sind. Aus Norddeutschland, großen Teilen Frankreichs, Dänemarks, Hollands brauchen wir keine Hilfe für die bayerischen Bayern erhoffen."
Ende der Woche Fototermin vor der Münchner Parteizentrale. Mit seinem Generalsekretär Dobrindt an seiner Seite enthüllt der CSU-Chef das Wahlkampf-Endspurt-Plakat. Darauf der Slogan:
Dobrindt: "Wir wählen Bayern nach Europa."
Seehofer: "Die CSU ist gut in Schwung und wir versuchen das ganze jetzt noch zu steigern: Wir haben 800 Informationsstände noch in den nächsten Tagen. Wir haben insgesamt 150 Veranstaltungen mit Regierungsmitgliedern. Insgesamt ist die CSU recht engagiert."
Wer nicht wählt, stimmt gegen Bayern - so Seehofers Leitsatz. Die Europawahl ist eine Art Stimmungstest im Superwahljahr. Weshalb der Ministerpräsident nicht müde wird, immer wieder die wirtschaftliche Bedeutung der EU für den Freistaat zu unterstreichen:
"Wir haben als Freistaat Bayern die Situation, dass jeder zweite Euro, der in Bayern erwirtschaftet wird, durch den Export von Waren, Gütern und Dienstleistungen in Europa verdient wird. Und wir haben die Situation, dass zwei Drittel des Zuwachses bei den Exporten in die neuen zehn Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gehen."
Welche politische Bedeutung die Europawahl für ihn persönlich hat, braucht Seehofer nicht extra betonen: Ein Dreivierteljahr nach dem Debakel bei der Landtagswahl muss er seine erste echte Prüfung als CSU-Vorsitzender bestehen. Landauf, landauf predigt der Ingolstädter, die CSU sei wieder da - inhaltlich und personell erneuert - und topfit. Und was denkt der Bürger über ihn und seine Partei?
"Der passt schon."
"Ich glaube, dass der Seehofer der Beste ist für Bayern. Weil halt momentan bei dieser Krise, die herrscht, er macht das Beste draus. Ich glaube, er macht es wirklich nicht schlecht. Das muss man einfach so sagen."
"Es muss mindestens das, was morgens gesagt wird, nachmittags noch gültig sein - und das ist es bei Seehofer nicht. Die Bayern fahren nur nach Brüssel oder Straßburg, um Geld abzuholen. Und wenn sie sich umdrehen, schimpfen sie über die EU. Deswegen bin ich der Meinung, sie müssen zittern, dass sie wieder drankommen."
"Sehr volkstümlich, war schon in Ordnung. Manchmal hat man den Eindruck, jedem nach seinem Wunsch redend, aber gut."
"Weil Bayern gerne eine Einzelrolle spielen möchte. Und ich finde das nicht glücklich. Ich empfinde das als Quertreiberei, als Besserwisserei."
"In erster Linie baut er mit jungen Leuten was Neues auf. Das muss man ihm lassen."
"Wenn er das weiter so durchzieht, geht auf die Jungen mehr ein, glaube ich, dass das eine Zukunft hat, dass es wieder besser wird."
Die Zeit ist knapp: Der Parteichef hat nur dieses eine Jahr, um seine CSU zurück auf Erfolgskurs zu führen. Erfolg manifestiert sich nur an der Wahlurne, sonst nirgendwo! Mit diesem Satz sei Seehofer zitiert. Daran wird er sich messen lassen müssen. Die Gretchenfrage lautet, drei Prozent rauf oder runter? Liegt die CSU am 7. Juni über oder unter den 43,4 Prozent, die sie im Herbst bei der bayerischen Landtagswahl holte. Der Vorsitzende höchstpersönlich hält beide Richtungen für möglich.
Das Gros der Meinungsforscher schließt ein Scheitern der CSU an der Fünf-Prozent-Hürde aus. Markus Ferber ebenso. Was aber passiert, wenn seine Partei mit Seehofer an der Spitze noch weiter an Stimmen verliert?
"Um die Wahrheit zu sagen: Ich habe mich mit dieser Frage bis heute nicht befasst. Der Parteivorsitzende hat natürlich eine Gesamtverantwortung für das Wahlergebnis. Dann werde ich mir zu gegebener Zeit Gedanken machen. Ich gehe aber davon aus, dass ich mir diese Gedanken nicht machen muss."
Ferber windet sich, doch er weiß sehr wohl: Seehofers Image als Retter der CSU wäre schwer angekratzt. Es würde ungemütlicher werden. Seine Kritiker würden sich aus der Deckung wagen. Nicht nur die fünf, wegen ihres Alters ausrangierten Landesminister haben mit ihm noch Rechnungen offen. Bis zur Bundestagswahl aber wäre der Parteivorsitzende mangels personeller Alternative ungefährdet.
Bauer: "Mit 22,5 Cent sollen wir zufrieden sein. Wir Bauern stehen mit den alleinerziehenden Müttern und den Asylanten auf einer Armutsschwelle. Und da ist irgendwas nicht in Ordnung."
Bäuerin: "Die Betriebe sind fertig. Das ist kein Spaß mehr."
Seehofer: "Ja aber, Sie wissen doch, dass wir kämpfen, wo wir nur können."
Bäuerin: "Ja, wir auch, wir auch."
Eine Wahlkampfveranstaltung der CSU, irgendwo in Bayern. Es ist egal, wo Ministerpräsident Horst Seehofer auftaucht - die Milchbauern sind immer da. Sie sind enttäuscht, verzweifelt und wütend: auf Europa, die Politik, die CSU. Die Milcherzeuger wollen gehört werden. Und der Parteichef stellt sich der Diskussion, obwohl er ihre Klagen längst in und auswendig kennt - und zugeben muss, wie machtlos er eigentlich ist.
Seehofer: "Wir müssen weiter kämpfen."
Bauer: "Genau."
Seehofer: "Aber Sie können nicht sagen, dass wir nichts tun. Das dürfen Sie nicht sagen."
Bauer: "Nein, es tut sich nichts. Sie müssen die Menge runter bringen. Wir haben einen neuen Stall gebaut. Wir werden das nicht überleben bei diesen Preisen."
Seehofer: "Ja, aber da brauchen wir die Europäer dazu. Und Sie wissen, dass alle anderen Bundesländer anders denken."
Bauer: "Nein, Hessen und Bayern sind dafür, die haben schon 66 Prozent aller Milch in Deutschland."
Seehofer: "Ja, aber…"
Bauer: "Wenn man das demokratisch abstimmen würde."
Seehofer: "Aber die anderen Bundesländer stimmen gegen uns."
Es ist auffällig, wie sehr sich Seehofer um die Landwirte bemüht. Ob in Brüssel oder in Berlin. Seine CSU setzt in der Großen Koalition eine steuerliche Entlastung für Agrardiesel durch - auch gegen Widerstände aus der CDU. Vergangene Woche reiste er eigens nach Brüssel, um sich persönlich beim EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso ein Okay abzuholen.
Seehofer kämpft für die Bauern. Vor allem kämpft er aber um die Bauern. Aus gutem Grund: Der Parteivorsitzende braucht bei der Europawahl jede Stimme. Im Jahr eins nach dem Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern geht es der CSU-Führung darum, eine weitere Erosion der Wählerbasis zu verhindern. Die Landwirte dürften am 7. Juni für den Erfolg der Partei entscheidend sein. Jeder dritte deutsche Bauernhof steht in Bayern. Während es - zum Beispiel - in Mecklenburg-Vorpommern 700 Milchviehbetriebe gibt, zählt man im Freistaat 46.000.
"Wir müssen alles tun, dass wir jetzt nicht in der Agrarwirtschaft in das gleiche Dilemma schlittern wie in der Gesamtwirtschaft und im Finanzmarkt, nach dem Motto: immer größer, immer weiter und immer schneller. Und am Ende stehen Agrarfabriken und keine bäuerlichen Betriebe mehr. Das wollen wir in Bayern nicht."
Bayern kämpft für seine bäuerlichen Familienbetriebe, obwohl die kleinen bayerischen Höfe längst nicht mehr wettbewerbsfähig sind; obwohl der Freistaat alleine weder gegen die EU noch gegen Markttrends etwas ausrichten kann. Deshalb verwundert der Vorwurf nicht, das Engagement der CSU sei einzig dem Wahlkampf geschuldet.
Wahlgeschenke sind aber nicht unbegrenzt zu verteilen. Um die Bauern an die Urne zu bewegen, setzt die CSU deshalb nach den Aussagen ihrer Europapolitiker vor allem auf Überzeugungskraft. Es gehe schließlich um den Erhalt einer Kulturlandschaft, heißt es unisono. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Silberhorn, in der Landesgruppe für Europa zuständig, nennt einige Optionen:
"Was wir tun müssen, ist die Marktmacht der Landwirte zu stärken, indem man einerseits den Bauern sagt, ihr dürft nicht nur Milch produzieren, ihr müsst auch schauen, dass ihr bei den Veredelungsprodukten mit dabei seid, darüber laufen 60 Prozent des Umsatzes. Und auf der anderen Seite muss man auch die Marktmacht der Bauern im Verhältnis zum Einzelhandel stärken. Da gehört auch Zusammenarbeit der Molkereien mit hinein."
Jahrzehntelang zählten die Landwirte zu den treusten Anhängern der CSU. Seit der Landtagswahl im vergangenen September aber muss sie ihre einstigen Stammwähler fürchten: Denn jeder dritte Bauer lief zu den Freien Wählern über.
Die Wählervereinigung tritt erstmals auch bei der Europawahl an - mit der Ex-CSU-Rebellin Gabriele Pauli als Spitzenkandidatin. Ob die Freien Wähler aus der Entfremdung der Bauern von der CSU erneut Kapital schlagen können, ist offen. Die Rückkehr der enttäuschten Bauern in den Schoß der CSU ist aber ebenso fraglich. Eine Umfrage des Bundes Deutscher Milchviehhalter bei seinen Mitglieder spricht Bände: Nur noch 23 Prozent würden die Union wählen, 22 Prozent die Freien Wähler.
"Man muss ja nicht unbedingt CSU wählen."
"Sie tritt ja nur in Bayern an. Wenn wir Bayern sie nicht wählen, dann schafft sie es nicht."
"Ich würde es als echten Denkzettel ansehen, dass die CSU rausfliegt. Genauso wie sie immer sagt: 50 + X, sage ich seit Jahren schon immer: geteilt durch zwei und Minus zehn Prozent. Da müsste sie hin, dann würden sie auch wieder normal. Was ich denen vorwerfe ist Arroganz."
"Freie Wähler kann man auch wählen."
"Wir Bayern müssen halt deswegen wählen, damit die CSU wieder eine Stimme hat, damit Bayern eine Stimme hat. Das ist wahrscheinlich das Glück der CSU. Aber es wird knapp. Ich bin eigentlich negativ eingestellt. Die Bayern denken lange zurück. Ich gehe schon wählen. Aber die CSU nicht. Die Freien gingen noch, sonst aber nichts. Bei der CSU die letzte Zeit, was man da mitgekriegt hat, wie oft die umgefallen sind, da kann man nichts mehr glauben."
Dabei wirbt die bayerische Unionsschwester für die Europawahl mit den Schlagworten: Bürgernäher, demokratischer, transparenter.
"Es geht um viel, auch für die CSU","
sagt Generalsekretär Alexander Dobrindt. Und die CSU-Führung zeigt sich trotz der schweren Niederlage bei der jüngsten Landtagswahl, und trotz der auch in Bayern spürbaren Europamüdigkeit optimistisch. "Nur wer CSU wählt", so der im Freistaat plakatierte Slogan, "gibt Bayern eine eigene Stimme in Europa".
""Alle anderen Parteien treten ja mit Bundeslisten auf. Und die CSU ist die einzige Partei, die mit bayerischen Kandidaten aus allen Regionen Bayerns antritt. Und das ist ein unglaublich gutes Argument, was natürlich auch Überzeugungskraft hat."
Zumindest die Mitglieder, sagt Dobrindt, seien motiviert. Unter den CSU-Bundestagsabgeordneten gibt es indes Stimmen, die vor allzu großem Selbstbewusstsein warnen. Etwas mehr Bescheidenheit, sagen sie hinter vorgehaltener Hand, käme vielleicht besser an.
Der Generalsekretär sieht darin keinen Widerspruch. Er setzt auf die populäre Forderung, auch die Europaabgeordneten seien ihren Wählern verantwortlich, sollten also direkt gewählt werden.
"Da gibt es niemanden, den man anrufen, den man anschreiben kann, den man auch zur Verantwortung ziehen kann, und auch das gehört zur Demokratie, den man dann, wenn man unzufrieden ist, auch wieder abwählen kann. Und ich glaube, dass wir das schaffen müssen, dass unser bewährtes System, das wir bei allen anderen Wahlen haben, die direkte Verantwortlichkeit vom Bürger auf die Person entsprechend übertragen, dass wir das auch in Europa einführen."
Diese Forderung, die Bürger stärker direkt zu beteiligen, wird von der CDU nicht unterstützt. Auch deshalb gibt es kein gemeinsames Wahlprogramm der Union zur Europawahl. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer:
"Wir legen größten Wert darauf, dass nichts weiter zentralisiert wird in Brüssel, sondern dass alle Entscheidungen, die wir selbst treffen können, auch dort getroffen werden."
Der Bundestagsabgeordnete Thomas Silberhorn verweist auf die Kritik, der nicht nur er im Wahlkreis begegnet.
"Da gibt es einen Trend zur Bevormundung, zur Zwangsbeglückung, ein Eifer der Regulierung, der den Regionen - mittlerweile vielfach auch den Kommunen - den eigenen Handlungsspielraum abschneidet. Und wenn wir hier am Ende Akzeptanz für die europäische Integration finden wollen, dann müssen wir genau beides tun: Auf der einen Seite ein starkes Europa, wo es um die Selbstbehauptung nach außen geht, aber ein schlankes Europa, wo es um die Selbstbeschränkung nach innen geht."
Die CSU wandert allerdings auf einem schmalen Grad. Die Europakritik darf nicht zu weit getrieben werden. Die Folge könnte Wahlverweigerung sein - und das wäre das Letzte, was die Partei gebrauchen kann. Denn die CSU kann nur in Bayern gewählt werden, muss aber bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde überspringen - sonst ist sie in Strassburg und Brüssel nicht mehr dabei.
Ein Scheitern wäre ein Menetekel knapp vier Monate vor der wichtigeren Bundestagswahl. Manche in der CSU sind von Alptraumvisionen geplagt. Doch Parteichef Seehofer weigert sich, auch nur darüber nachzudenken.
"Ich habe in meinem ganzen politischen Leben noch nie mich mit Geistergeschichten in der Politik beschäftigt. Und weil ich dieses Gespenst wirklich, auch wenn man bescheiden und zurückhaltend ist, so nicht sehe, beschäftigte ich mich damit nicht. Wir sind gut unterwegs als CSU und ich denke, wir werden auch eine gute Vertrauensbasis der Bevölkerung bekommen."
Der CSU-Chef verlässt sich auf sein Bauchgefühl; auch beim strittigen Thema: Volksbefragungen. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel befürchtet, Volksentscheide - wie sie die kleine Schwester fordert - könnten grundlegende europäische Weichenstellungen verhindern, so wie es in Irland und Frankreich der Fall war. Der CSU-Politiker Silberhorn hat eine andere Meinung:
"Im Ergebnis glaube ich, dass dieses Nein zum Verfassungsvertrag oder zum Vertrag von Lissabon nur auch deshalb zustande kommt, weil im Alltagsgeschäft so viel an Überregulierung und Bevormundung da ist, dass sich in der Bevölkerung ein Unmut aufstaut, der sich dann eben entlädt, wenn die Leute überhaupt mal gefragt werden. Wenn man hier mehr Selbstbeschränkung üben würde und auf der anderen Seite klarer die großen Aufgaben der europäischen Integration angehen würde, dann wird man für solche grundlegenden Weichenstellungen auch die Bevölkerung gewinnen können. Natürlich müssen Abgeordnete dann auch hinstellen und erklären und überzeugen, warum sie einen europäischen Vertrag schließen wollen. Aber diese Verträge werden im Bundestag und Bundesrat meistens mit zwei Drittel Mehrheit ratifiziert. Diese zwei Drittel in Bundestag und Bundesrat werden es doch bitte schön im Kreuz haben, dafür in der Bevölkerung wenigstens eine einfache Mehrheit zu finden."
Kompetenzen, die nach Brüssel verlagert wurden, sind ebenso wenig zurückzuholen, wie eine Aufnahme neuer EU-Mitglieder rückgängig gemacht werden kann. Schon deshalb, sagt CSU-Generalsekretär Dobrindt, müssten die Menschen hier mitentscheiden. Auch die Unionsschwester werde das erkennen:
"Bisher hat es Deutschland nie geschadet, wenn die CDU der CSU gefolgt ist. Und deswegen kann man sagen, auch in diesem Falle glaube ich daran, dass wir uns durchsetzen werden."
Durchgesetzt hat sich die CSU jedenfalls mit der grundsätzlichen Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft der Türkei. Auch hier argumentiert die CDU oft vorsichtiger, gebremst von einer Vorsitzenden, die sich als Kanzlerin in Brüssel nicht vorzeitig festlegen will. Das Vollmitglied Türkei, sagt Dobrindt dagegen, würde die EU überfordern:
"Alle Entscheidungen über Beitritte müssen auch danach beurteilt werden, ob die Europäische Union in der Lage ist, überhaupt weitere Mitglieder aufzunehmen. Ich behaupte, dass dies im Fall der Türkei definitiv nicht gegeben ist, und deswegen haben wir auch in unserem Wahlprogramm schon sehr deutlich reingeschrieben, dass es eine Vollmitgliedschaft der Türkei nicht gibt."
Ablehnung auch beim Thema: kommerzieller Einsatz grüner Gentechnik. Es hatte eine Weile gedauert, bis die CSU gemerkt hatte, wie die Mehrheit der Bauern zu diesem Thema steht. Nun aber hat sie dieses Ziel im Wahlprogramm formuliert.
Aber nicht nur in der Landwirtschaft, so heißt es aus der Parteiführung, gehe es um den Erhalt von Werten: Auch deshalb fordere man, einen Gottesbezug in die vertraglichen Grundlagen der EU aufzunehmen.
Den CSU-Spitzenkandidaten für Brüssel, Markus Ferber, sucht man übrigens auf den offiziellen CSU-Wahlplakaten vergeblich. Viel zu unbekannt, urteilt die Parteizentrale gnadenlos. Zur Mobilisierung der Wähler taugt der eigene Spitzenkandidat nicht. Stattdessen lächelt Ministerpräsident Seehofer von den Plakaten - und gegen Europamüdigkeit an.
Das größte Risiko für die CSU liegt in der Wahlbeteiligung, die im Jahr 2004 mit 39,7 Prozent im Freistaat einen Tiefstand erreichte. Große Hoffnung auf eine Trendwende hat man nicht: Die Bayern gelten sowieso als eher europaskeptisch. Und der Wahltag fällt heuer auch noch mitten in die Pfingstferien. Für die CSU eine ungewohnte Lage: Wahlziel ist nicht mehr ein großer Sieg, sondern die Verhinderung einer Niederlage.
"Es ist in der Tat so, dass der Nichtwähler eigentlich das Hauptproblem ist bei dieser Europawahl. Und es geht schon darum, die eigene Klientel bestmöglich zu mobilisieren, damit wenigstens aus dem eigenen Bereich der treuen Stammwählerschaft genügend zur Wahl gehen. Unser Klientel sind die Leistungsträger in Bayern. Es sind die Menschen, die wollen, dass Bayern in Europa stark vertreten ist. Es sind natürlich die wertgebundenen Bürger und Bürgerinnen Bayerns. Und ich setze nach wie vor auf die Landwirtschaft."
Spitzenkandidat Ferber macht sich längst keine Illusionen mehr. Seine Partei kann von einem Ergebnis von 57,4 Prozent wie bei der Europawahl 2004 nur noch träumen. Die Nervosität ist mit Händen greifbar. Auch an den Infoständen herrscht eher Flaute. Viele Bürger haben keine Lust, am 7. Juni wählen zu gehen.
Markus Ferber sitzt seit 1994 im EU-Parlament und ist in letzter Zeit vor allem als Kämpfer für die herkömmliche Glühbirne aufgefallen. Er führt die Riege der CSU-Europaabgeordneten an. Es sind neun - von 785. Immerhin mehr als die fünf aus Malta oder die sieben aus Slowenien. Ohne uns, glaubt der 44-Jährige, wäre das Europäische Parlament wirklich ärmer.
"Der bäuerliche Familienbetrieb, der auch benachteiligte Bergflächen bewirtschaftet, der hat sonst keine Lobby in Europa, wenn nicht bayerische Abgeordnete mit dabei sind. Aus Norddeutschland, großen Teilen Frankreichs, Dänemarks, Hollands brauchen wir keine Hilfe für die bayerischen Bayern erhoffen."
Ende der Woche Fototermin vor der Münchner Parteizentrale. Mit seinem Generalsekretär Dobrindt an seiner Seite enthüllt der CSU-Chef das Wahlkampf-Endspurt-Plakat. Darauf der Slogan:
Dobrindt: "Wir wählen Bayern nach Europa."
Seehofer: "Die CSU ist gut in Schwung und wir versuchen das ganze jetzt noch zu steigern: Wir haben 800 Informationsstände noch in den nächsten Tagen. Wir haben insgesamt 150 Veranstaltungen mit Regierungsmitgliedern. Insgesamt ist die CSU recht engagiert."
Wer nicht wählt, stimmt gegen Bayern - so Seehofers Leitsatz. Die Europawahl ist eine Art Stimmungstest im Superwahljahr. Weshalb der Ministerpräsident nicht müde wird, immer wieder die wirtschaftliche Bedeutung der EU für den Freistaat zu unterstreichen:
"Wir haben als Freistaat Bayern die Situation, dass jeder zweite Euro, der in Bayern erwirtschaftet wird, durch den Export von Waren, Gütern und Dienstleistungen in Europa verdient wird. Und wir haben die Situation, dass zwei Drittel des Zuwachses bei den Exporten in die neuen zehn Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gehen."
Welche politische Bedeutung die Europawahl für ihn persönlich hat, braucht Seehofer nicht extra betonen: Ein Dreivierteljahr nach dem Debakel bei der Landtagswahl muss er seine erste echte Prüfung als CSU-Vorsitzender bestehen. Landauf, landauf predigt der Ingolstädter, die CSU sei wieder da - inhaltlich und personell erneuert - und topfit. Und was denkt der Bürger über ihn und seine Partei?
"Der passt schon."
"Ich glaube, dass der Seehofer der Beste ist für Bayern. Weil halt momentan bei dieser Krise, die herrscht, er macht das Beste draus. Ich glaube, er macht es wirklich nicht schlecht. Das muss man einfach so sagen."
"Es muss mindestens das, was morgens gesagt wird, nachmittags noch gültig sein - und das ist es bei Seehofer nicht. Die Bayern fahren nur nach Brüssel oder Straßburg, um Geld abzuholen. Und wenn sie sich umdrehen, schimpfen sie über die EU. Deswegen bin ich der Meinung, sie müssen zittern, dass sie wieder drankommen."
"Sehr volkstümlich, war schon in Ordnung. Manchmal hat man den Eindruck, jedem nach seinem Wunsch redend, aber gut."
"Weil Bayern gerne eine Einzelrolle spielen möchte. Und ich finde das nicht glücklich. Ich empfinde das als Quertreiberei, als Besserwisserei."
"In erster Linie baut er mit jungen Leuten was Neues auf. Das muss man ihm lassen."
"Wenn er das weiter so durchzieht, geht auf die Jungen mehr ein, glaube ich, dass das eine Zukunft hat, dass es wieder besser wird."
Die Zeit ist knapp: Der Parteichef hat nur dieses eine Jahr, um seine CSU zurück auf Erfolgskurs zu führen. Erfolg manifestiert sich nur an der Wahlurne, sonst nirgendwo! Mit diesem Satz sei Seehofer zitiert. Daran wird er sich messen lassen müssen. Die Gretchenfrage lautet, drei Prozent rauf oder runter? Liegt die CSU am 7. Juni über oder unter den 43,4 Prozent, die sie im Herbst bei der bayerischen Landtagswahl holte. Der Vorsitzende höchstpersönlich hält beide Richtungen für möglich.
Das Gros der Meinungsforscher schließt ein Scheitern der CSU an der Fünf-Prozent-Hürde aus. Markus Ferber ebenso. Was aber passiert, wenn seine Partei mit Seehofer an der Spitze noch weiter an Stimmen verliert?
"Um die Wahrheit zu sagen: Ich habe mich mit dieser Frage bis heute nicht befasst. Der Parteivorsitzende hat natürlich eine Gesamtverantwortung für das Wahlergebnis. Dann werde ich mir zu gegebener Zeit Gedanken machen. Ich gehe aber davon aus, dass ich mir diese Gedanken nicht machen muss."
Ferber windet sich, doch er weiß sehr wohl: Seehofers Image als Retter der CSU wäre schwer angekratzt. Es würde ungemütlicher werden. Seine Kritiker würden sich aus der Deckung wagen. Nicht nur die fünf, wegen ihres Alters ausrangierten Landesminister haben mit ihm noch Rechnungen offen. Bis zur Bundestagswahl aber wäre der Parteivorsitzende mangels personeller Alternative ungefährdet.