"Viele von euch sind enttäuscht worden, manche von euch haben Wut im Bauch und Mut im Herzen. Einige haben vieles verloren. Andere befürchten, dass sie noch mehr als Hab und Gut verlieren können. Das Vertrauen in die Politik ist schneller verschwunden als die schönen Tage dieses Sommers."
"Wir sind keine Ausländerfeinde, wir sind Inländerfreunde!"
Es ist der Montagabend nach dem ersten Advent. 200 bis 300 Menschen stehen auf dem Holzmarkt in Arnstadt, einer kleinen Stadt zwischen Erfurt und Ilmenau, und hören Hans-Joachim König zu, AfD-Mitglied und Herausgeber einer rechtspopulistischen Stadtzeitung. Ihre erste Demonstration hier am Ort hat die AfD nicht zufällig auf diesen Platz gelegt. Hier haben sich auch 1989 die Menschen zusammengefunden, um gegen die SED-Herrschaft zu demonstrieren. Damals mit dabei war eigenen Angaben auch Olaf Kießling.
Olaf Kießling: "Wir brauchen kein betreutes Denken von oben! Und wir haben auch als DDR-Bürger gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen. Daher lassen wir uns die freie Meinung und das Wort nicht verbieten."
"Genau!"
"Egal, wer hier schreit und ruft."
"Jawooooohl!"
Olaf Kießling ist ein Hinterbänkler in der AfD-Fraktion im Erfurter Landtag. Zuvor war er Elektriker, Zahntechniker-Gehilfe, Vermögensverwalter, Buchhalter, Finanz- und Versicherungsmakler. Arnstadt ist seine Heimatstadt. Die Menschen um ihn herum sind meist in seinem Alter: über 50. Und die meisten von ihnen sind Männer. Etwas seitlich stehen ein paar jüngere Männer und Frauen. Einer trägt das Zeichen von THÜGIDA auf der Jacke, einer rechtsextremen Vereinigung, zu der die AfD offiziell auf Distanz geht. Ein anderer pfeift und schreit immer wieder in das Reporter-Mikrofon.
"Wir wollen, dass der Himmel über unserer Heimat strahlend blau wird! Weil es um alles geht, was uns lieb und wertvoll ist!"
"Weiß muss er sein!"
"Weil es um alles geht, was uns lieb und wertvoll ist! Es geht um die Zukunft unserer Kinder. Ich sage es deutlich: Wir sind keine Ausländerfeinde; wir sind Inländerfreunde!"
"Wir schaffen das nicht!"
Menschen im Osten werden "abgespeist"
Zwei freundliche Männer um die 60 hören genau zu. Sie stimmen mal zu, mal widersprechen sie den Rednern. Ein paar Mal halten sie den angetrunken jungen Mann zurück, der den Reporter bedrängt. Die beiden, Tino und Gerd nennen sie sich, erzählen, dass sie keine AfD-Mitglieder seien und sich auch anhören, wenn Gregor Gysi redet.
"Mich macht nichts wütend. Mich macht’s einfach nur traurig, dass die Leute hier im Endeffekt nicht begriffen haben, was nach der Wende passiert ist. Die Gewerkschaften haben schön die Löhne in Deutschland gedrückt, in Ost-Deutschland, die westdeutschen Kollegen haben wesentlich mehr bekommen. Natürlich haben sie erst mal alle Betriebe kaputt gemacht, haben das über die – wie hießen die damals? –, genau, die Treuhandanstalt! Die brauchen sich gar nicht zu wundern, warum sie den ersten damals erschossen haben! Brauchen sich überhaupt nicht wundern; das war einfach nur eine Frechheit, was die getrieben haben! Dann haben sie die Betriebe für einen Appel und ein Ei wieder aufbauen können, haben Fördermittel gekriegt, und können da immer wieder Geld verdienen, die Fabrikbesitzer – nee, Fabrikbesitzer sind es ja gar nicht mehr! –, wie heißen die heute? Heute sind es Aktionäre und alles Mögliche, meist 80 Prozent aus dem Westen. So, und da brauchen sie sich gar nicht zu wundern, wenn die Leute traurig sind! So, und die Leute werden hier immer noch für zwei Drittel des Gelds abgespeist. Es geht doch nur um eins: Gleichheit im Osten und im Westen!"
1989/90, als sich alles wandelte, war Tino Elektronik-Ingenieur in Lobenstein.
"Und dann war alles vorbei, beendet die Übung! Dann standst du da und hast nichts mehr gekriegt. Dann hast du dich selbstständig gemacht, hast gedacht: Na wunderbar! Hast die Bekannten, die man aus dem Westen hatte, die erzählen dir: 'Du kannst das so machen, du kannst das so machen, du kannst das so machen',, hast dich verschuldet … Äquivalent wie bei dir!"
"Und haben sich dann ganz schnell verkrochen."
"Die haben sich dann ganz schnell verkrochen. Und dann war alles weg! Und wir standen da wie die kleinen Deppen!"
Sein Freund Gerd springt ein: "Ich habe auch studiert, habe ein Hochschulstudium mit Abschluss, mit Diplom; dann wurde das nicht anerkannt! Dann haben wir mit Kommilitonen dafür gekämpft, dass unser Studium überhaupt anerkannt wurde! Und dann musste man sich ganz einfach umorientieren. Dann hat man Flexibilität vom Feinsten gelernt! Ich kann fast in jeder Branche arbeiten! Man hat sich immer wieder angepasst! Anpassung! Was hat man der DDR vorgeworfen, wer sich alles anpassen wollte! So, heute muss ich mich nur noch anpassen, sonst schaffe ich gar nichts mehr; da kann ich zu Hause bleiben in meinem Alter. Ich bin 59 Jahre. Ich arbeite heute im Glas! Das hätte ich mir in meinem Leben nicht träumen lassen! Ich habe schon Silizium-Kristalle gezogen, ich habe schon vieles gemacht. Warum? Ich habe mich angepasst."
Das, wovon die beiden erzählen, ist zehn, 20, fast 30 Jahre her. Aber es macht sie heute noch wütend. Sie suchen nach Anerkennung, nach Respekt, wollen wahrgenommen werden mit ihren komplizierten Lebenswegen, die sie sich nicht ausgesucht haben.
Verständnis für den Zorn
"Die Leute wollten in der Breite – völlig unüberlegt auch – diesen Anschluss! Sie haben sich in eine Enttäuschung hinein manövriert, die dann natürlich ab 94/95 kam."
Jens Sprenger ist ein paar Jahre jünger als die beiden Ingenieure. Der liberal-konservative Werbefachmann, Publizist und langjährige Kommunalpolitiker ist Mitglied der AfD, weil er viele programmatische Ziele der Partei teilt; und er leidet unter ihr, unter ihren Extremisten, vor allem aber unter ihrem Landesvorsitzenden in Thüringen, Björn Höcke. Aber Sprenger versteht den Zorn der Menschen im Osten.
"Also, diese Erwartungshaltungen, die aufgebaut gewesen sind, dass man im Grunde die Vorzüge der ehemaligen DDR mit den Vorzügen der Bundesrepublik verbinden kann, dass diese Verbindung gelingen könnte, diese Enttäuschung setzt dann 94/95 ein. Man hatte dann tatsächlich erkennen müssen, dass sich das Einlassen auf ein freiheitliches System natürlich auch damit verbindet, dass man verstärkt Eigenverantwortung übernehmen muss!"
Die Wut auf den ostdeutschen Straßen hat einen Vorläufer. 1993, als der Umbau und die Abwicklung der DDR-Industrie im vollen Gange waren, gibt es plötzlich Widerstand. In Bischofferode, im Norden Thüringens, wehrten sich 700 Bergarbeiter gegen die Stilllegung ihres rentabel arbeitenden Kalischachts.
"Herr Rexrodt, in Bischofferode kommt kein Müll rein, da können sie Gift drauf nehmen!" "Und Ostdeutschland lebt, das kann ich ihnen versprechen!" "Aber ihren Westmüll, den können sie einmauern!" "Pfui!"
"Ihr Geschrei wird das nicht lösen..."
"Pfui!" "Wirtschaftstöter! Wirtschaftstöter! "
"Pfui!" "Wirtschaftstöter! Wirtschaftstöter! "
Proteste über Monate, Hungerstreik, Solidarität aus der ganzen Welt, können zwar die Stilllegung der Grube nicht verhindern, aber bringen dreierlei: Zugeständnisse der Politik mit komfortablen Lohnfortzahlungen; das Bewusstsein, das man das eigene Schicksal in die Hand nehmen kann und muss; und einen Erfolg der PDS, die sich glaubhaft als ostdeutsche Identitäts- und Kümmererpartei etablierte. 1990 hat man im erzkatholischen Eichsfeld, wo Bischofferode liegt, Helmut Kohl zugejubelt. Auch Herbert Kindler, einer der 700 Bergleute, hatte Anfang der 90er große Hoffnungen.
"Überforderung durch zu hohen Anpassungsdruck"
"Dass Leute entlassen werden müssen, das war uns eigentlich von vornherein klar. Und dass wir dann voll loslegen können und wir können dann voll arbeiten, und kriegen auch dafür unser richtiges Geld. Aber die haben unsere Betriebe geschlossen – wir waren ja nur eine Konkurrenz. Wenn wir nicht produzieren, können die mehr produzieren. Was aus den Arbeitern geworden ist, hat die nicht interessiert, das ist Peanuts! Geld geht vor Menschenleben!"
Kindler hatte Glück und konnte über 20 Jahre lang seine Grube stilllegen. Seine Frau war lange arbeitslos. In ihrer Nachbarschaft stehen viele Häuser leer, noch mehr wurden abgerissen. Es ist ruhig geworden in Bischofferode nach den Protesten 1993. Die Stille wurde erkauft durch Geld und Resignation. Heute, 25 Jahre später, kocht die Wut im Osten wieder hoch. Warum jetzt? Jens Sprenger hat eine Erklärung.
"Den Ostdeutschen wurde 1989/90 im Grunde eine Anpassungsleistung abverlangt, die fast nicht zu erbringen gewesen ist. Jetzt spüren viele Ostdeutsche, dass ihnen wieder – und das innerhalb einer Generation – eine Anpassungsleistung abverlangt wird, die die letzte in ihren Auswirkungen noch übersteigen könnte, dass dieser Anpassungsdruck, der damit verbunden ist, sie eventuell jetzt wiederum komplett überfordern könnte. Denn den letzten Anpassungsschock haben sie im Grunde genommen noch nicht so richtig verarbeitet."
Der Widerstand gegen Zuwanderung, gegen die Zumutungen und Freiheiten der Globalisierung, gegen eine Politik, die sich lange als alternativlos bezeichnet hat, führe zu einer Art Retraumatisierung.
Keine Möglichkeit, sich in der Gesellschaft zu verwirklichen
"Die wesentliche Frage, 'Warum sind die Ostdeutschen eigentlich so ruhig, so friedlich und so duldsam gewesen?', hat mit Sicherheit auch sehr viel damit zu tun, dass man ihnen gesagt hat: 'Pass auf, du bist jetzt hier in einer neuen Gesellschaft angekommen, und jetzt musst Du Dich hier bewähren; zeig, was du kannst!' Dass diese Rahmenbedingungen im Grunde auch für viele nicht zu bewältigen gewesen sind, das hat man ihnen natürlich nicht. Und das führt natürlich dazu, dass viele jetzt in ein Alter kommen, wo sie sehen, dass ihnen die Optionen, sich positiv in dieser Gesellschaft zu verwirklichen, nicht mehr gegeben sind, aufgrund des Alters."
Der Frust, die Wut, die Ängste könnten im Jahr der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen eine explosive Mischung ergeben. Die AfD trotzt allen Skandalen und kann mit Ergebnissen deutlich über 20 Prozent rechnen. Sie könnte damit die Macht der SPD in Brandenburg, der CDU in Sachsen, der Linken und der CDU in Thüringen gefährden.
Zurück ins Eichsfeld. Herbert Kindler wollte nie weg aus Bischofferode. Arbeit, Sicherheit und Ordnung sind neben der Familie für ihn die zentralen Werte in seinem Leben. Und Gerechtigkeit.
"Klar hat man manchmal gesagt: Scheiße, zu DDR-Zeiten war es doch besser. Da hat jeder seine Arbeit gehabt, da ist jeder jeden Morgen losgelaufen, wusste, was er zu tun hat. Man kann sagen, 'Ja, Demokratie, Freiheit …' Es ist alles gut und schön; aber was ist draus geworden? Selbst mit der Jugend: Die waren früher organisiert bei den Pionieren, in der FDJ. Die waren beschäftigt. Die haben sich auch um die Leute gekümmert!"
"Selbstverständlich haben sie gerade in Ost-Deutschland – und zwar deutlich mehr als in Polen oder Tschechien, wo der Gedanke der Freiheit eine viel größere Rolle spielt – bei vielen den Anspruch, dass der Staat als Vollversorger auftritt. Sie sind so sozialisiert, das kann man den Leuten im Grunde auch nicht verübeln. Und hier schlägt sich eigentlich auch die Brücke zu einem totalitär-sozialistischen System zu denkbaren anderen Konstruktionen, die tatsächlich stärker die Verantwortung für die Menschen im Land übernehmen."
"Keine Mehrheit für Demokratie" in der Unterschicht
Ähnlich wie der konservative AfD-Mann Jens Sprenger sieht dies der Sozialwissenschaftler und "parteilose Sozialdemokrat" Peter Reif-Spirek.
"Und diese Erwartungshaltung ist enttäuscht worden, die ist unter Druck geraten durch den globalisierten Kapitalismus und seine Nicht-Regulierung. Und dann erfolgt bei denen ein Wechsel, indem dieses sozialstaatliche Versprechen nationalisiert wird, indem gesagt wird: Indem wir solche Sicherungen anderen vorenthalten, die von außen als Fremde kommen, sichern wir die erreichten Standards."
"Und die neue deutsche Frage des 21. Jahrhunderts ist also die Frage über die Verteilung unseres Volksvermögens nicht von Oben nach Unten, nicht von Jung nach Alt, sondern über die Frage über die Verteilung unseres Volksvermögens von Innen nach Außen."
Kapitalismus, Ausbeutung, Verteilungsgerechtigkeit sind für den Rechtsaußen in der AfD Björn Höcke keine Themen, sondern nur noch wir und die. In seinem Rentenkonzept gibt es höhere Rentenzahlungen für deutsche Staatsbürger. Im Osten kommt er damit gut an. Denn sein Konzept belohnt eine Identität, der sich alle Anhänger sicher sein können, und die man ihnen – anders als die Würde oder den Respekt – nicht nehmen kann: Sie sind Deutsche. Damit macht Höcke ein Angebot und stößt in eine politische Repräsentationslücke, die Peter Reif-Spirek seit Jahren beklagt: In den ärmeren Vierteln, wo sich die Abgehängten, die Arbeitslosen, die Unterschichten konzentriert haben, liegt die Wahlbeteiligung seit vielen Jahren erheblich unter dem ohnehin geringen Durchschnitt - "so dass in den Unterschichtenquartieren dieser Gesellschaft die Demokratie eigentlich keine Mehrheit mehr hat."
Die Rolle der Abwanderung qualifizierter Frauen
Die Funktionärsklasse der SPD habe hierher schon lange den Kontakt verloren. Die Linken, die lange Jahre den sozialen Protest im Osten demokratisch einbinden konnten, die eine ostdeutsche Identitätspolitik machten, erreichten immer mehr junge urbane Modernisierungsgewinner und verlören damit ihre alte Wählerschaft, zumal die parteitragenden Milieus im Osten dünn sind, und, so Peter Reif-Spirek, "durch die Abwanderungsprozesse natürlich der vergangenen 30 Jahre auch ausgezehrt worden sind. Und die rechtspopulistischen Parteien sind im hohen Masse männlich dominierte Parteien. Das heißt: Die gut qualifizierten Frauen, die vielleicht auch andere demokratische Strukturen mitprägen könnten, die sind häufig weggewandert. Und zurückgeblieben sind, wenn man so will, die ostdeutsche Variante des angry white man."
Bei Wahlumfragen ist bei den Männern im Osten die AfD inzwischen stärkste Partei.
"Das große Problem ist, dass Deutschland, dass Europa ihre Männlichkeit verloren haben. Ich sage: Nur, wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft. Und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde!"
Björn Höcke ruft zur "Mannhaftigkeit" auf – vielleicht auch in Reaktion auf die Zuwanderung, junger, dynamischer Männer aus dem Süden. Tino und Gerd auf der Demonstration haben zum Thema Flüchtlinge eine sehr klare Meinung:
"Kein Mensch, der im Krieg leben soll, niemandem, würde ich das versagen, 'Kann ich nicht in eine friedliche Gegend kommen?' Na gerne! Nur, das ist ja völlig aus dem Ruder gelaufen. Und mittlerweile kommen ja Menschen, die aus armen Regionen dieser Welt hierher kommen, legen sich in die soziale Hängematte; und der Pöbel arbeitet dafür, und das sind eigentlich wir. Ich tue ja was fürs Bruttosozialprodukt in diesem Land! Das hat doch mit Gerechtigkeit nichts zu tun! Und da muss man sich nicht wundern, wenn sich Menschen plötzlich umorientieren und sagen: "Was sagt jetzt die AfD?"
Frei werdende Wohnungen nur für Flüchtlinge
"Ich glaube, die Arroganz von der SPD und der CDU, die haben ganz einfach vergessen, dass sie eine Arbeiterpartei sind und dass sie eine christlich-demokratische Partei sind. Die haben es nicht begriffen, wo ihre Wähler hingehen."
Sie erzählen von einem Wohngebiet im sozialen Abstieg, wo Ausländer ihre Händel austrügen. Und davon, dass sie selbst keine Wohnung bekämen, weil die frei werdenden alle für Flüchtlinge vorgehalten würden.
"So, jetzt haben sie in Erfurt in einem Wohngebiet eine Moschee errichtet. So, hier in Deutschland ist das halt möglich mit dem geschichtlichen Hintergrund, dass wir ja mal Nazis waren, 'Ja, das müssen wir machen, so liberal und so entgegenkommend müssen wir sein! Ja, dann lasst sie doch eine Moschee bauen!' Dass die Menschen in so einem Gebiet sagen, 'Wir wollen das nicht!', das ist doch nicht normal, das geht doch nicht! Das kann man doch niemandem aufzwingen, dass ich das zu ertragen habe, dass da plötzlich eine Moschee steht! Da habe ich eine Wohngegend … Wissen sie, was das Haus noch wert ist? Nichts!"
Zur Klarstellung: Von der Moschee in Erfurt ist zunächst nur der Grundstein gelegt; sie wird am Ende so groß werden wie ein Zweifamilienhaus. Das Minarett acht Meter hoch. Kein Muezzin wird rufen. Und die Moschee liegt in einem Gewerbegebiet an der Ausfallstraße, neben dem Wohngebiet. Doch Minderheitenschutz, Grundrechte gerade für Minderheiten sind für viele Wütende im Osten kein Thema. Jens Sprenger betrachtet es von der anderen Seite.
"Man muss doch rekapitulieren, dass die DDR ein großer Käfig gewesen ist, der die Menschen vor allen Verwerfungen und Freiheiten einer geöffneten, globalisierten Welt geschützt hat. Es gibt breite Kreise der Bevölkerung, die das Gefühl haben, dass sie mit ihrer nativen Position in die Minderheitenposition geraten könnten und fühlen sich selbst in der Position der Minderheiten und in ihren Ansichten bedrängt. Die Ostdeutschen sagen, 'Respektiert uns doch mit unserer Art, wie wir die Welt sehen!' Und ich sage euch ganz deutlich: Wir sind keine Nazis, wir sind rechtschaffende Bürger, die unsere Zukunft positiv gestalten wollen und unsere Welt vor Schaden bewahren wollen."
Kein Protest nach "Führer"-Rufen
"Ein Land, ein Volk, ein Führer!" ruft einer aus der THÜGIDA-Ecke, nicht allzu laut, aber doch vernehmbar. Es ist nicht der Tenor der AfD-Kundgebung in Arnstadt. Aber es widerspricht auch niemand.
"Mir scheint es manchmal so zu sein, dass viele Ostdeutsche in ihrer Seele so gekränkt sind aus den letzten Jahrzehnten, dass sie jeden Strohhalm ergreifen und bereit sind, sich jeder politischen Meinung anzuschließen, wenn ihnen angeboten wird, dass sie in ihren Sorgen und Nöten ernstgenommen werden, und wenn ihnen angeboten wird, dass es – egal wie auch immer diese Lösung aussehen könnte – eine andere Zukunft angeboten wird."
"Ja, die Parole 'Hol dir dein Land zurück!' ist eine geniale politische Parole, weil sie an den Wähler als politisches Subjekt appelliert, die eigenen politischen Verhältnisse selbst zu gestalten. Und von daher ist diese Parole auch eine Parole, die aus der politischen Linken hätte kommen können. Das Land, was die AfD 'zurückholen' will, ist in weiten Teilen eine imaginierte Vergangenheit, sie zielt auf die Wiederherstellung der Vergangenheit als Zukunftsprogramm. Und die Parole ist deswegen so stark, weil sich in sie alle Verlustängste projizieren lassen, die Menschen in den neuen Bundesländern gemacht haben, weil sie ihre eigene, individuelle Lebensgeschichte und ihre eigenen sozialen Verwundungen in dieses Angebot einer großen Erzählung integrieren können."