Die Rodung der Wälder, verseuchtes Wasser und Feinstaub-belastete Luft schadet der Gesundheit, das lässt sich auch mit Zahlen belegen. Die WHO sieht 23 Prozent der weltweiten Todesfälle im Zusammenhang mit Luft- und Wasserverschmutzung oder der Belastung durch klimatische Extreme.
Noch direkter lässt sich der Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und menschlicher Gesundheit herstellen, wenn Erreger von Wildtieren auf Menschen übertragen werden, wie bei Ebola oder jetzt COVID-19.
Heute stellt die Umweltschutz-Organisation WWF ihre Analyse vor zu wachsenden Gesundheitsrisiken aufgrund der Umweltzerstörung. Wir sprechen mit Arnulf Köhncke. Er ist Leiter des Fachbereiches Artenschutz beim WWF Deutschland.
Britta Fecke: Herr Köhncke, warum nimmt denn die Gefahr von Zoonosen zu, von der Übertragung eines Erregers, der die Artengrenze überspringt, von der Fledermaus zum Beispiel auf den Menschen?
Arnulf Köhncke: Ganz grob zusammengefasst zeigt sich, dass eine intakte Natur, wie Sie gerade schon gesagt haben, ein Bollwerk ist gegen neue Krankheitserreger und Pandemien, dass aber, wenn wir Menschen immer stärker in die Natur eingreifen, intakte Ökosysteme stören, dass dann die Gelegenheiten zunehmen, bei denen Erreger von Wildtieren auf andere Wildtiere und auch auf den Menschen übertragen werden können.
Von der Zoonose zur Pandemie: COVID-19, SARS, Ebola oder das Zika-Virus
Fecke: Welche Krankheiten nehmen denn zu?
Köhncke: Die neuen Infektionskrankheiten, die aufgenommen werden, von denen stammt ein Großteil von Tieren, sind sogenannte Zoonosen, und wiederum ein Großteil, der von Tieren stammt, stammt inzwischen von Wildtieren. Das sind dann so bekannte Krankheiten bei den Zoonosen wie zum Beispiel die aktuelle Epidemie, oder die SARS-Pandemie. Es geht auch um Ebola natürlich. Es gibt auch andere Zoonosen wie zum Beispiel das Zika-Virus. Teilweise geht es aber auch um Infektionskrankheiten, die mit Umweltzerstörung zusammenhängen, wie zum Beispiel Malaria.
Fecke: Jetzt möchte man ja annehmen, wenn man die Lebensbedingungen zerstört, die Wälder oder die Gewässer zerstört, dass man damit auch die Überträger der Krankheiten ausrottet. Aber scheinbar ist dem nicht so?
Köhncke: Ja, das klingt vielleicht ein bisschen paradox, aber wenn man es zusammenstellt, wenn wir Ökosysteme stören, dann nehmen natürlich viele Arten ab, einzelne Arten. Aber Generalisten, die mit den neuen gestörten Bedingungen gut zurechtkommen, die nehmen zu, und Untersuchungen zeigen, dass die dann vielleicht sogar noch "besser" sind beim Übertragen von Krankheitserregern und dass deswegen die Gefahr der Übertragung steigt, wenn wir Ökosysteme stören.
Regenwald-Zerstörung schafft gute Bedingungen für Malaria-Mücken
Fecke: Ich muss da spontan an die Tauben in der Innenstadt denken. – Sie hatten im Vorgespräch mal kurz auch die Regenwald-Zerstörung in Brasilien angesprochen. Welcher Kontext lässt sich da herstellen?
Köhncke: Bei der Regenwald-Zerstörung in Brasilien gibt es eine sehr eindrucksvolle Studie, die zeigt, wenn nur ein geringer Prozentteil des Waldes zerstört wird, dass die Fälle von Malaria um bis zur Hälfte zunehmen können. Das liegt einfach daran, dass, wenn wir den intakten Regenwald stören, wir gute Bedingungen schaffen für die Mücken, die die Malaria übertragen, denn die mögen gerne Wasserflächen, die ein bisschen besonnt sind, die auch Wasserpflanzen haben und die eher pH-neutral sind im Wasser. Im Regenwald typischerweise, kann man sich gut vorstellen, ist es eher beschattet, der Boden ist eher sauer, das Wasser auch. Das heißt, da gibt es andere Mückenarten, aber nicht die, die die Malaria übertragen. – Das ist ein eindrucksvoller Zusammenhang, der wirklich deutlich macht, wie die Gesundheit von Menschen, die Gesundheit von Wildtieren und die Gesundheit der Umwelt fundamental zusammenhängen.
Wildtier-Märkte: ideale Bedingungen zum Verbreiten von Krankheiten
Fecke: Welche Rolle spielt denn in diesem Kontext der illegale Wildtier-Handel?
Köhncke: Der illegale Wildtier-Handel spielt leider eine große und sehr deutliche Rolle als im Grunde, wenn man so will, Katalysator dieser Übertragungsmöglichkeiten, denn beim illegalen Wildtier-Handel werden illegal und oft unreguliert hoch riskant Wildtiere gehandelt. Die Wildtier-Märkte mit Lebendtieren schaffen leider ideale Bedingungen zum Verbreiten von Krankheiten. Deshalb fordern wir vom WWF auch ein entschiedenes Vorgehen gegen den illegalen Wildtier-Handel und bessere Kontrollen des legalen Wildarten-Handels.
"Wir brauchen Gesetzgebungen"
Fecke: Wir werden ja doch immer wieder eingeholt. Ebola war eine Epidemie, die mehrfach zu vielen Todesfällen geführt hat. Jetzt liegt die ganze Welt lahm aufgrund dieser SARS-Erkrankung COVID-19. Was sind die Forderungen? Was müssten wir tun, damit wir nicht immer wieder von diesen Zoonosen aus unserem Leben gerissen werden?
Köhncke: Neben der eben gesagten Forderung nach dem entschiedenen Vorgehen gegen den illegalen Wildtier-Handel geht es vor allen Dingen darum, die Artenvielfalt zu schützen und anzuerkennen, dass wir sie brauchen für gesunde Ökosysteme und für menschliche Gesundheit. Wir brauchen den Schutz der biologischen Vielfalt und ein Ende der Lebensraumzerstörung. Das fängt aber natürlich nicht erst vor Ort an in den Gebieten mit hoher Artenvielfalt. Das fängt auch bei uns an. Deutschland muss sich einsetzen für einen Stopp der Entwaldung, für einen Erhalt von weltweit vielfältigen Lebensräumen, und das bedeutet auch, wir brauchen Gesetzgebungen wie zum Beispiel ein Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten, das uns hilft, auch unserer Verantwortung hier in Deutschland gerecht zu werden und eine Vorreiterrolle einzunehmen.
Fecke: Das klingt ja immer ein bisschen abstrakt, Entwaldung in Brasilien, was können wir dagegen tun. Warum kann denn der deutsche Verbraucher, oder mit welchem Verhalten kann der deutsche Verbraucher denn dafür sorgen, dass in Brasilien nicht noch mehr Regenwald gerodet wird?
"Entwaldungsfreie Lieferketten und Support für Entwicklungsländer"
Köhncke: Einerseits geht es darum, dass die Produkte, die hier bei uns auf dem Markt sind, mit Entwaldung in anderen Ländern verbunden sind. Das Paradebeispiel, das viele Menschen kennen, ist der Sojaanbau in Brasilien und die Verwendung von Soja als Futter für die Tierzucht. Es geht auch ganz viel um den Regenwaldverlust als Weidefläche für Tierzucht. Es gibt viele solche Beispiele, leider auch aus Südostasien. Man kennt ja die Palmöl-Beispiele. Es gibt auch Pfeffer, andere Produkte, die angebaut werden, für die Wald gerodet wird.
Was mir persönlich aber auch im WWF ganz wichtig ist: Es geht nicht nur darum, was einzelne Menschen, was wir alle bei unseren Konsumentscheidungen für Verantwortung haben. Es geht auch darum, was unsere Regierung machen kann, um uns dabei zu unterstützen. Deswegen geht es uns auch ganz klar um nationale und europäische Gesetze zu zum Beispiel entwaldungsfreien Lieferketten und gleichzeitig auch um den Support, um die Unterstützung, technisch wie finanziell, für Entwicklungs- und Schwellenländer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.