Vor gut einem Jahr preschte die streitbare französische Umweltministerin Ségolène Royal mit einem Boykottaufruf gegenüber Nutella in die Öffentlichkeit und schockierte Millionen europäische Frühstücker. Sie musste zurückrudern, als sich Greenpeace einschaltete. Ferrero, der Hersteller von Nutella, benutzt nur zertifizierte Rohware und ist somit der falsche Adressat für eine solch pauschale Kritik. Denn die Geschichte mit dem Palmöl ist keine einfache, so Ilka Petersen, ein Boykottaufruf würde bedeuten: mehr Treibhausgase, weniger Artenvielfalt, beides Kernanliegen des WWF:
"Die Politik müsste sich auf alle Fälle dafür einsetzen, dass alle Palmölimporte nach Deutschland an soziale und ökologische Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden." Denn diese Kriterien zu erfüllen, sei immer noch freiwillig, so Petersen. Es geht vor allem um das soziale Umfeld für die Menschen, die mit dem Palmölanbau ihr Geld verdienen, es geht um fairen Lohn und Bildungschancen, keine Kinderarbeit natürlich oder auch um die Flächen, auf denen die Ölpalme wächst: Sie sollte zu Flüssen ausreichend Abstand für Grünflächen halten, damit seltene Tierarten überleben können und Pflanzenschutzmittel auf den Palmen landen und nicht im Wasser.
Nur zertifizierte Öle einsetzen, das ist die eine Forderung, den Verbrauch drastisch senken, die andere. Und die ergeht an uns Konsumenten! Ilka Petersen rät: verarbeitete Produkte, egal ob süß, fettig oder salzig, im Regal lassen. Das täte auch der Gesundheit gut. "Beim Fleisch geht auch viel Palmöl in die Futtermittel für Rindfleisch und Geflügel und auch da sagen wir auch aus anderen Gründen: Weniger und dafür besseres Fleisch essen. Das würde auch unseren Palmölfußabdruck verringern."
Besser als Ersatz ist Verzicht
Den Palmölfußabdruck, den haben wir leider auch auf dem Gaspedal. Kein einziger Tropfen, so Petersen, sollte in deutschen Tanks landen. In Indonesien, dem wichtigsten Anbauland für Ölpalmen, könnte man durchaus damit Fahren, hierzulande geht es – wie gesagt – um Verzicht und Ersatz: "Wenn ersetzt wird, dann ist das heimische Öl schon die bessere Alternative, aber da haben wir zum Beispiel das andere Problem, dass wir die Fläche in Deutschland nicht haben." Auch wenn der Fruchtwechsel mit Sonnenblumen, Raps und anderen Kulturpflanzen für die Böden durchaus von Vorteil wäre, die Fläche ist dafür in Deutschland nicht da. Umso wichtiger sei es, auf ungenutzte oder brachliegenden Flächen Ölpflanzen auszusäen.
Was für Deutschland gilt, das hat Steffen Noleppa im Auftrag des WWF auch erstmalig weltweit berechnet. 400.000 Hektar würde man nicht mehr an Anbaufläche benötigen, wenn man Palmöl durch andere Öle ersetzt. Aber auch hier die gleiche Konsequenz: "Um diese 400.000 Hektar Palmöl einzusparen, bräuchten wir anderen Orts ungefähr 1,8 Millionen Hektar zusätzliches Land, um unsere Nachfrage konstant zu halten."
Jeder Quadratmeter Boden, der für die Ölproduktion gerodet wird und später zum Anbau genutzt, erhöht den CO2-Ausstoß. Und zum Schutz der Artenvielfalt ist eine Erweiterung der Anbauflächen zur Ablösung von Palmöl schon gar keine Alternative: "Palmöl, als auch das Substitut Kokosnussöl, kommt nun mal aus Ländern, die eine hohe Biodiversität – noch – haben."
Komplizierte Datenlage
Für Steffen Noleppa war aber nicht nur das Thema Biodiversität wissenschaftliches Neuland – die komplette Studie war eine Herausforderung: " Das hat sich dann lange hingezogen, die Datenlage ist in der Tat sehr kompliziert." So standen 1,8 Millionen Tonnen für Deutschland als Verbrauchszahl im Raum. "Wenn Sie mal in die Außenhandelsstatistik gucken, Indonesien, Malaysia, oder Papua Neuguinea, das ist das drittwichtigste Land, da kommen Sie nur auf eine Million Tonnen importiertes Palmöl, da fragt sich natürlich jeder, wo kommen denn die anderen 800 Tausend Tonnen her?"
Aus dem Hafen von Rotterdam, so sollte sich zeigen, als Import aus Holland. Vor allem das bereits verarbeitete Palmöl irritiert bei der Datenerfassung und versteckt sich in importierten Pizzen, in Backwaren oder anderen Leckereien, aber auch in Kosmetika, Arzneien und Chemikalien.
Damit die Kundschaft nicht allzu ratlos vor den Regalen steht, hat Vanessa Dilg "Codecheck" mit entwickelt und wird demnächst auch mit dem BUND zusammenarbeiten. Ihr Unternehmen konzentriert sich auf Lebensmittel und Kosmetika: "Das ist eine App, die man sich runterladen kann und den Barcode einscannen und dann bekommt man unterschiedliche Bewertungen. Wir konzentrieren uns dabei auf Palmöl, aber auch auf Mikroplastik, Nanopartikel und geben dem Verbraucher die Möglichkeit zu wissen, welche Inhaltsstoffe drin sind um selbst eine Entscheidung zu treffen, ob er das Produkt nutzen will oder nicht."