Eliteschulen sollte es in Deutschland nach dem Willen der Väter des Grundgesetzes nicht geben. Dass man sich dennoch für die Zulassung für Privatschulen entschied, hing damit zusammen, dass die SPD Reformschulen ihre Arbeit ermöglichen wollte – aber auch nur dann, wenn sie allen Schülern zur Verfügung stehen. So kam im Grundgesetz der Art. 7 Absatz 4, zustande, das sogenannte "Sonderungsverbot für Privatschulen"
Grundsätze zur Verhinderung sozialer Abschottung
"Es ist eine der meist vergessenen Vorschriften im Grundgesetz, könnte man beinahe sagen: Sonderungsverbot besagt, dass bei der Genehmigung von Privatschulen, die nach dem Grundgesetz grundsätzlich zulässig sind, die Sonderung der Kinder nach den Besitzverhältnissen der Eltern ausgeschlossen sein muss. Das heißt also, Privatschulen dürfen als Ersatzschulen für staatliche Schulen nur zugelassen werden, wenn sie keine soziale Selektion betreiben."
Genau das aber tun die meisten der Privatschulen, weil die Bundesländer das Sonderungsverbot des Grundgesetzes unterlaufen. Zu diesem Schluss kommen Michael Wrase und Marcel Helbig, Rechtswissenschaftler und Bildungssoziologe am WZB, dem Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin. Das Ergebnis ihrer Untersuchung ist ernüchternd:
Von den 16 Bundesländern erfüllen nur Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zumindest fünf von neun Grundsätzen zur Verhinderung von sozialer Abschottung der Schulen. Bundesländer wie Thüringen oder Bremen beachten gar keine dieser Vorgaben. Weder ist eine Staffelung des Schulgelds nach Einkommen der Eltern vorgeschrieben, noch eine Höchstgrenze des durchschnittlichen monatlichen Schulgeldes. Laut Verwaltungsgericht Stuttgart dürfte dieses eigentlich nur bei 160 Euro im Monat liegen. In vielen Schulen wie der Berlin Metropolitan School fangen die Beiträge bei 200 Euro inklusive Nachmittagsbetreuung erst an – und gehen bis zu einer maximalen monatlichen Rate von 2.000 Euro für Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe. Eine soziale Durchmischung findet hier jedenfalls nicht statt.
Privatschulen erhalten Gelder von Kommunen und Städten
"Das Erstaunliche ist eben, dass die ja unglaublich hohe Schulgelder nehmen, beziehungsweise hohe Internatskosten, aber auf der anderen Seite noch die ganze staatliche Unterstützung erhalten. Das heißt, die Cosmopolitan School oder die Metropolitan School in Berlin die finanziert sich eben nicht auch den hohen Schulgebühren allein, sondern sie finanzieren sich zum größten Teil aus dem, was sie vom Berliner Senat bekommen. Und das ist bei Schloss Salem genauso."
Um dem Sonderungsverbot zu entsprechen, reiche es nicht aus, wenn einzelne Stipendien vergeben würden – oder wenn das Schulgeld niedrig gerechnet, aber dafür Gebühren für Nachmittagsbetreuung, Sport oder Förderunterricht berechnet würden. Die Bundesländer müssten die Bewilligung staatlicher Förderung etwa daran knüpfen, ob ein bestimmter Prozentsatz an Kindern vom Schulgeld befreit werde. Und auch die Aufnahmepraxis müsste überprüft werden - inwiefern Kinder zahlungskräftiger Eltern bei der Platzvergabe bevorzugt würden. Elite-Internate wie Schloss Salem oder das Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godeberg dürfte es nach der bisherigen Rechtsprechung eigentlich gar nicht geben, sagen die Studienautoren.
"Man versuchte das dann irgendwie so formal dann doch zu retten, indem man gesagt hat, die nehmen kein Schulgeld, die nehmen ja nur Internatsgebühren und das ist dann fürs Internat und das ist für die Schule, aber de facto, wenn man die Rechtssprechung wirklich beachtet, dann geht das eigentlich nicht. Da kann man sich dann höchstens drüber unterhalten, haben die vielleicht einen Traditionsschutz, diese Schulen."
Die Privatschulen wollen das nicht auf sich sitzen lassen. Die Studie sei ärgerlich und in der Summe falsch, erklärte Pater Siebner, Rektor des Aloisiuskollegs in Bonn-Bad Godesberg. Entsprechend der Vorgabe des Landes Nordrhein-Westfalen, das Schulgeld generell verbiete, werde am AKO gar kein Schulgeld genommen. Dafür kostet das angeschlossene Internat rund 1.600 Euro im Monat.
"Ich muss ja fürs Internat, muss ich ja einen Pensionspreis nehmen. Unsere Schule hat 750 Schüler, von denen sind keine 100 im Internat."
Bundesländer müssen Privatschulen in die Pflicht nehmen
Für die Externen würden lediglich Gebühren für die Übermittagsbetreuung von 115 Euro im Monat erhoben, auch für Sport und Nachmittagsangebote würden zusätzliche Gebühren berechnet. Und man würde von den Eltern außerdem erwarten, für den Förderverein zu spenden. Es gebe Stipendien sowohl für das Internat als auch für die Übermittagsbetreuung.
"Natürlich gibt es hier ein bürgerliches Milieu, das sich hier an der Schule wiederfindet, das kann man als wohlhabend, meinetwegen auch als elitär bezeichnen, was auch immer die beiden Herren damit meinen, aber wir haben hier das Ländchen, wir haben hier einfache Handwerkerfamilien, wir haben hier Hartz-IV-Empfänger an der Schule. Wir haben syrische Flüchtlingskinder bei uns an der Schule, ich weiß gar nicht, was die wollen!"
Wie hoch der Anteil der Stipendien und der syrischen Flüchtlingskinder ist, bleibt jedoch offen. Hier für Transparenz zu sorgen, und die Einhaltung von sozialen Kriterien im Sinne des Grundgesetzes einzufordern, das obliegt den Bundesländern. Höchste Zeit, dass sie ihren Verpflichtungen auch nachkommen, fordern die Wissenschaftler.