"Hallo, Guten Abend, ich bin Niels Bormann. Ich möchte mich ganz kurz vorab entschuldigen, dass hier heute ein Stück mit Israelis, Palästinensern und Deutschen stattfindet, das zehn Jahre alt ist. Das tut mir wirklich leid!"
Eine leere Bühne, ein Stuhlkreis und Niels Bormann, der sich als begriffstutziger Deutscher von Schuldgefühlen gekrümmt wortreich entschuldigt, dabei aber nur seinem Narzissmus und unterschwelligen Rassismus fröhnt. Das Setting des Abends ist identisch zur Inszenierung von 2009, nur zu den Greueltaten, für die Bormann Abbitte leistet, ist etwas Neues dazu gekommen:
"Ich hab mich damals immer für Mölln und Solingen entschuldigt, aber heute ist was anderes fällig: Eine Entschuldigung für den NSU. Die Verantwortlichen sind nicht gefasst, die Fragen sind offen. Wir brauchen eine Entschuldigung. Heute."
Zu Beginn mag man also noch hoffen, die Regisseurin habe die alte Rahmenhandlung mit neuen Inhalten gefüllt. Auch die AfD im Bundestag hätte ein aktueller Diskussionspunkt sein können, wenn Deutsche, Israelis und Palästinenser über das "Nie wieder!" sprechen, das mit der Aufarbeitung des Holocaust ausgerufen wurde. Angekündigt war schließlich ein Abend über die neue Generation von zugezogenen Israelis und Arabern in Berlin, eine Erkundung ihres Verhältnisses zu sich und den Deutschen.
Kein Betroffenheitstheater
Doch zu sehen ist kaum mehr als eine Art "Reenactment" der alten Inszenierung. Orit Nahmias wiederholt ihren "Don’t Compare"-Monolog, in dem sie davor warnt, die Nazis mit den Israelis und die wiederum mit den Palästinensern zu vergleichen – es seien doch auf der Welt genug Genozide für alle da. Und Lamis Ammar darf herausschreien, was damals schon von den palästinensischen Spielern angeprangert wurde: Araber seien in Deutschland die neuen Juden. Sogar der Song "Don’t stop sending us to Auschwitz" wird wieder gesungen, der die Faszination für den Holocaust sarkastisch aufspießt.
"Where did we come from? We just came from Auschwitz. And where are we going? I wish I knew. All I know is that I want peace. Even a small piece of peace will do. So don’t stop sending us to Auschwitz. So there won’t be an Auschwitz Number Two. Don’t stop sending us to Auschwitz. So Auschwitz won’t happen to you."
Das alles sprüht auch nach zehn Jahren vor bösem Witz. Dass diese politische Inszenierung heute noch zündet, spricht für Ronens so einmalige Mischung aus Humor und Härte, Gruppentherapie und Gesellschaftskritik. Es zeigt aber auch, wie sehr sich beim Thema Nahost-Konflikt die Fronten verhärtet haben: Hörten sich die Spieler damals zumindest noch zu, schalten die sechs zum alten Cast hinzugekommenen jungen Schauspielerinnen und -spieler jetzt auf Durchzug und beharren eiskalt auf ihrer Weltsicht. Die Zeit der Empathie ist vorbei.
Nichts wirklich Neues
Eine Neuinszenierung mag man "Third Generation – Next Generation" trotzdem kaum nennen, zu identisch sind die Texte, ist die Ästhetik. Allein der Auftritt von Dimitrij Schaad am Ende lässt ahnen, wie brisant der Abend hätte werden können. Schaad gibt vor, in Wirklichkeit Dieter Schmidt zu heißen – und seine Migrationsbiografie erfunden zu haben, um am Gorki Theater zu reüssieren:
"Dieter Schmidt sagt, wie es ist. Dieter Schmidt hat Mut zur Wahrheit. Die Multikultimöse Dimitrij Schaad ist tot. Ich habe ihn erfunden, weil ich dachte, dass ich mich dem Zeitgeist der Internationalität unterwerfen müsste, um im Kulturbetrieb voranzukommen. Aber wenn ich mir die politische Stimmung in Österreich angucke, weiß ich, dass die Zuschauer- und die Kritikerliebe zu diesem Theater nur eine vorübergehende Phase der Willkommenskultur war und das das jetzt langsam ins Gegenteil umschwenkt. Und ich reagiere. Ich habe gekündigt. Dieter Schmidt hat, wie Sie alle, die Schnauze voll von amateurhaftem autofiktionalem Dokutheater über die importierten Konflikte anderer. Wir haben auch eigene Probleme."
Mit diesem Monolog des bedenklich nach rechts rückenden Deutschen hätte man eine breite Schneise ins Heute schlagen und fragen können, was in diesem Land inzwischen wirklich schief läuft. Doch weil Schaad seinen konservativen Gorki-Kritiker gleich zum sandalentragenden Bausparer-Deppen macht, der die Kehrwoche, die Schwarzwaldklinik, Tupperdosen und die Deutschlandhymne liebt, bleibt der Abend dann doch beim schlichten Schwarz-Weiß-Kabarett stehen.
Wer "Dritte Generation" nicht gesehen hat, das Stück, das bis 2016 an der Berliner Schaubühne lief und mit Sprengkraft einen ganz neuen Stil des autobiografischen Inszenierens erfand, mag sich hier gut amüsieren. Für alle anderen bleibt es ein eher ratloser Aufguss des damaligen Erfolgsstücks.