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Yasuni-Nationalpark in Ecuador
Geopfert zugunsten des Öls

Von Patrick Obrusnik |
    "Es ist nie zu spät, wenn der Wille und die Kraft des Volkes hinter etwas steht. Die Menschen bei uns sagen: solange die Seele im Körper ist, lebt die Hoffnung."
    Die Hoffnung lebt. Davon ist Alberto Acosta tatsächlich überzeugt. Das Ende des Referendums sei nicht das Ende der Bemühungen, den Yasuní-Nationalpark zu erhalten. Rund 590.000 Unterschriften waren für einen Erfolg des Referendums notwendig gewesen. 750.000 hatten die Initiatoren, die sogenannten Yasunidos, gesammelt. Doch die oberste Wahlbehörde annullierte die Hälfte davon – aus formellen Gründen. Hinter dem Scheitern des Referendums stecke sein ehemaliger Wegbegleiter, Präsident Rafael Correa. Auch davon ist Alberto Acosta überzeugt:
    "Der Präsident war dagegen. Er wollte keine Volksbefragung. Als die Yasunidos die Unterschriften sammelten, erklärte der Präsident ganz deutlich, dass er damit nicht einverstanden war. Dann habe man den Yasunidos das Leben schwer gemacht. Sie konnten nicht einmal auf öffentlichen Plätzen Unterschriften sammeln, vor allem nicht in Quito und Guayaquil. Und darum sind wir empört über diese Situation."
    Dabei hatten Präsident Correa und Acosta zusammen an der Umweltinitiative gearbeitet. Genauso wie auch an der neuen ecuadorianischen Verfassung, die im September 2008 in Kraft trat. Darin verankert sind Staatsziele, wie soziale Gerechtigkeit kulturelle Vielfalt, Gleichberechtigung und eben auch der Schutz der Umwelt:
    "Die Rechte der Natur in der Verfassung verankert... Das hat die Situation grundlegend verändert. Das Leben, die Natur sind viel wichtiger als das Geld. Aber der Präsident spricht jetzt von sogenannten Rechten der Natur. Er glaubt nicht mehr an die Rechte der Natur und respektiert nicht die Verfassung. Das ist das Traurige."
    850 Millionen Barrel Erdöl werden im Yasuní-Nationalpark vermutet. Ecuador hatte angeboten dieses Öl im Boden zu belassen: Um das 10.000 Quadratkilometer große Ökosystem mit seinem einzigartigen Artenreichtum zu erhalten, um den Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. Und um die Urvölker, die noch in völliger Abgeschiedenheit leben, unangetastet zu lassen. Einzige geforderte Gegenleistung: Kompensationszahlungen in Höhe der Hälfte der entgangenen Erdöleinnahmen: rund 3, 6 Milliarden Dollar. Die Staatengemeinschaft der Welt staunte und applaudierte. Aus Deutschland kam Zustimmung: von allen Parteien des Bundestags. Ein bedeutender Moment für die Umwelt-Initiative, betont Acosta.
    "Wie ich mich gefreut habe! Ich wusste, dass dieses Projekt, das nah an der Utopie liegt, machbar war. Aber leider hat sich die Lage verändert mit der zweiten Regierung Merkel, die diesem Projekt regelrecht einen Dolchstoß verpasst hat. Sie hat gesagt, man könne dieses Projekt nicht weiterführen, da es ein schlechtes Beispiel sein konnte. Andere Länder könnten das gleiche verlangen."
    Die Unterstützung für das Projekt schwand weltweit. 3,6 Milliarden Dollar sollten zusammenkommen, sechs Jahre später waren gerade mal 13 Millionen Dollar in den Kompensationsfonds der Vereinten Nationen eingezahlt. Schließlich erklärte Ecuadors Präsident Correa die Yasuní-Initiative für gescheitert. Der Kongress erlaubte daraufhin Ölbohrungen im Öko-Schutzgebiet unter Auflagen.
    "Die Welt hat uns im Stich gelassen. Das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Wahrheit ist, dass die ecuadorianische Regierung keine richtige politische Strategie gehabt hat. Manchmal war der Präsident dafür, manchmal dagegen. Und das war nicht gut, um Vertrauen in der Welt zu schaffen, damit die anderen Länder der Welt solche Projekte finanzieren."
    Im vergangenen Jahr trat Alberto Acosta gegen seinen ehemaligen Weggefährten an, musste sich bei der Präsidentschaftswahl aber Amtsinhaber Correa geschlagen geben. Letzterer hatte versprochen mit den Einkünften aus der Erdölförderung die Armut zu bekämpfen. Dennoch: Acosta hofft darauf, dass es dazu nicht kommt. Dass der Yasuni-Nationalpark weiterhin unangetastet bleibt. Seine Hoffnungen ruhen auf einem neuen Referendum, welches uneingeschränkte Ölbohrungen im Schutzgebiet erlauben soll. Die Folge wäre: die Vernichtung eines Öko-Paradieses, aber auch der Genozid an drei dort lebenden Urvölkern – wie die Vergangenheit schon gezeigt habe:
    "Diese Menschen möchten keinen Kontakt mit unserer Zivilisation. Und wir wissen schon, dass ähnliches passiert ist. Die Texaco war da, in den 60er-, 70er-Jahren. Und zwei Völker sind ausgerottet worden. Und das können wir uns jetzt nicht mehr erlauben. Weil im Grunde ist es eine ethische, nicht nur eine politische Frage: Wir müssen entscheiden zwischen Erdöl und Leben."
    Und selbst wenn alles Hoffen und Bangen nichts bringt, und in dem ecuadorianischen Öko-Paradies die Bohrtürme errichtet werden: der Kampf gegen Profitgier und für die Umwelt war nicht umsonst gewesen, sagt Ökonom und Vordenker Alberto Acosta. Denn mittlerweile ist Yasuní überall.
    "Zurzeit gibt es auf den Kanarischen Inseln eine Bürgerbewegung, die sich gegen die Erdölausbeutung in diesem Gebiet organisiert. Und als Beispiel orientieren sie sich an dem, was in Yasuní passiert. Und das gleiche finden wir in Nigeria, am Niger-Fluss. Das Gleiche passiert in Kolumbien, auf der Insel San Andre. Die Idee ist geboren. Und diese Idee wird weiterleben."