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Yeneroglu zu Parlamentswahl in der Türkei
AKP-Politiker erwartet faire Abstimmung

Der türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu ist davon überzeugt, dass seine Partei bei den Wahlen eine "satte Mehrheit" bekommen wird. Zugleich begrüßte er im Dlf, dass dem Linken-Politiker Andrej Hunko als OSZE-Wahlbeobachter die Einreise in die Türkei verweigert wurde.

Mustafa Yeneroglu im Gespräch mit Peter Sawicki |
    Mustafa Yeneroglu, Abgeordneter der Großen Nationalversammlung der Türkei (AKP), aufgenommen am 24.04.2016 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema "Abhängig von Erdogan - Zu hoher Preis für weniger Flüchtlinge?" in den Studios Berlin-Adlershof. Foto: Karlheinz Schindler
    Der AKP-Politiker Mustafa Yeneroglu hofft darauf, dass sich nach der Parlamentswahl in der Türkei das deutsch-türkische Verhältnis normalisiert (picture alliance/dpa/Karlheinz Schindler)
    Peter Sawicki: Morgen wird in der Türkei ein neues Parlament gewählt. Außerdem stellt sich Präsident Erdogan zur Wiederwahl, das Ganze im vorgezogenen Urnengang. Dass der Präsident und seine Partei, die AKP, den fest eingeplanten Sieg auf ganzer Linie davonträgt, das ist nicht ausgemacht. Erdogan-Gegner stellen sich aber die Frage, ob der Staatschef ein negatives Ergebnis überhaupt akzeptieren würde. Bei einem klaren Sieg Erdogans, so umgekehrt die Befürchtung, werde die Türkei endgültig zu einem Ein-Mann-Staat.
    Dieses Thema wollen wir jetzt mit einem Unterstützer Recep Erdogans vertiefen. Am Telefon ist Mustafa Yeneroglu, er ist Abgeordneter der AKP im Parlament in Ankara, und auch er kandidiert morgen wieder für einen Sitz im Parlament. Guten Morgen, Herr Yeneroglu!
    Mustafa Yeneroglu: Guten Morgen!
    Sawicki: Hat sich Recep Erdogan verzockt?
    Yeneroglu: Nein, überhaupt nicht. Wenn Sie sich die Umfrageergebnisse vor Augen halten, dann sieht es so aus, dass Tayyip Erdogan einen sehr großen Abstand zum Kandidaten der Opposition Moharrem Ince hat, und wir sind recht zuversichtlich, dass auch die Wahlen entsprechend am Sonntag ausgehen werden.
    "Zeugnis im wirtschaftlichen Bereich recht ordentlich"
    Sawicki: Trotz der miserablen wirtschaftlichen Lage in Ihrem Land?
    Yeneroglu: Die wirtschaftliche Lage in der Türkei sieht so aus, dass sie nach wie vor stärker wächst als der globale Durchschnitt, dass die Verschuldung in der Türkei weit unter dem Durchschnitt der Industriestaaten ist, und dass gerade in den letzten 16 Jahren die Kluft beim Prokopfeinkommen zum EU-Durchschnitt stark zurückgegangen ist. Es ist so, dass bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit wir in spätestens 14 Jahren zum EU-Durchschnitt aufsteigen werden. Deswegen ist gerade das Zeugnis im wirtschaftlichen Bereich recht ordentlich. Und das wird das Volk auch entsprechend bei der Wahl am Sonntag beurteilen.
    "Wir sind zuversichtlich, was die Türkei anbetrifft"
    Sawicki: Das ist eine Sicht der Dinge, Herr Yeneroglu. Es gibt aber auch andere Zahlen. Ich kann Ihnen mal ein paar davon nennen. Die Teuerungsrate in Ihrem Land beträgt 13 Prozent, die Lira, die türkische Währung, hat gegenüber dem Euro zuletzt 20 Prozent an Wert verloren. Kurz zusammengefasst, es gibt viele Finanzexperten, die sagen, die Türkei lebt seit vielen Jahren auf Pump, und so langsam äußert sich das. Was sagen Sie dazu?
    Yeneroglu: Es ist so, dass die Privatwirtschaft in der Türkei in den letzten Jahren sich zu stark verschuldet hat. Das liegt teilweise auch an der globalen Öffnung der türkischen Firmen, insbesondere an deren Auslandsinvestitionen, und natürlich der globalen Liquiditätsmenge. Aber was die Situation im öffentlichen Sektor anbetrifft, ist die Verschuldung in den letzten 16 Jahren sehr stark zurückgegangen. Die Privatwirtschaft zeigt ein Defizit von gegenwärtig 222 Milliarden Dollar auf.
    Wir sind aber zuversichtlich, was die Türkei anbetrifft, weil der Anteil an der Weltwirtschaft ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Die globale Exportaktivität der türkischen Wirtschaft ist stark gestiegen, und das insbesondere auch bei der Verschuldung.
    Man muss natürlich sich vor Augen führen, dass gerade die türkische Wirtschaft genauso stark gewachsen ist wie auch die Verschuldung. Es ist also nicht so, dass die Verschuldung stärker gewachsen ist als die Wirtschaft selbst.
    Sawicki: Trotzdem fliehen Investoren immer mehr aus der Türkei, also die Investitionen in der Türkei nehmen ab, und das führen Experten unter anderem auf die eingeschränkte Rechtsstaatlichkeit in der Türkei unter Präsident Erdogan zurück. Also noch einmal: Hat Präsident Erdogan mit seinem Kurs die Wirtschaft, die internationale Wirtschaft verschreckt?
    Yeneroglu: Ich habe Ihnen gerade Zahlen genannt. Was die Frage der Rechtsstaatlichkeit betrifft, ist es so, dass in den letzten vier, fünf Jahren die Türkei wirklich große Herausforderungen bewältigen musste. Wir haben im Nahen Osten mehrere katastrophale Situationen gehabt, die die Türkei zum Großteil allein tragen musste, ohne eine große, nennenswerte Unterstützung aus Europa.
    Wir haben einen Militärputsch gehabt vor zwei Jahren, dessen Folgen nach wie vor da sind. Und wir haben nach wie vor einen täglichen Terrorismus, der dazu führt, dass täglich viele Menschen umkommen. Das sind alles eben sicherlich Faktoren, die dazu führen, dass die Kritik aus Europa zunimmt, weil eben sie oftmals einseitig ist, weil sie die Situation nicht im Gesamten erblickt und leider sich nicht solidarisch mit der Türkei zeigt, die eben vor diesen großen Herausforderungen auch gerade zum Schutz der Demokratie, zum Schutz der Menschenrechte auch handeln muss. Und das mögen viele Leute in Europa nicht, und deswegen betrachten sie die Situation einseitig.
    Sawicki: Aber sind diese ganzen Herausforderungen, die Sie genannt haben, Herr Yeneroglu, Rechtfertigung genug, um keine fairen Wahlen zu garantieren?
    Yeneroglu: Das stimmt ja in keiner Weise. Gerade, weil es ja faire Wahlen sind, ist es zum ersten Mal seit 16 Jahren so, trotz eben sämtlicher Wahlerfolge seit 2012, dass die Opposition jetzt Luft schnuppert und zum ersten Mal für sich Chancen sieht, zumindest die Parlamentswahl zu gewinnen. Aber auch da sind wir zuversichtlich, da sind wir auch der Überzeugung, dass wir eine satte Mehrheit auch im Parlament bekommen werden.
    Sawicki: Aber die Einschränkungen werden ja durchaus beklagt von Organisationen außerhalb, aber auch von Wählern in der Türkei, in den kurdischen Gebieten beispielsweise wurden Wahllokale zusammengelegt. Viele Menschen müssen jetzt deutlich höhere Distanzen zurücklegen, um überhaupt wählen gehen zu können. Ist das wirklich der richtige Vorgang, um faire Wahlen zu garantieren?
    Yeneroglu: Es sind bestimmte Orte, wo die PKK-nahe Partei HDP bei der letzten Wahl nahezu 100 Prozent der Stimmen geholt hat, aufgrund der Situation, dass dort die PKK die Menschen vor Ort einschüchtert. Deswegen sollten die Wahlergebnisse genau in diesen kleineren Teilen des Landes in den Stadtteilen anonym bleiben. Das ist zum Schutz der Bevölkerung, das dient der Demokratie.
    Was in Deutschland leider oftmals ignoriert wird, ist, dass die HDP, die in Deutschland als prokurdisch dargestellt wird, eine Partei ist, die den Terrorismus der PKK nicht ablehnt, die gerade unterstützend für den Terrorismus der PKK wirkt. Dass das gerade in Deutschland unterdrückt wird, ist ein starkes Zeichen dafür leider, dass man sich aus Deutschland heraus nicht solidarisch gegen den Kampf gegen den Terrorismus verhält.
    Sawicki: Warum verweigern Sie dann deutschen Politikern die Einreise als Wahlbeobachter?
    Yeneroglu: Im Gegenteil …
    Sawicki: Der Linken-Politiker Andrej Hunko darf nicht einreisen. Er sollte die Wahl für die OSZE beobachten.
    Yeneroglu: Genau. Wenn Sie sich den Hintergrund anschauen, dann werden Sie feststellen, dass eben die genannte Person aktiver Unterstützer der Terrororganisation PKK ist, dass er oft mit verbotenen Zeichen der PKK in Deutschland sich hat ablichten lassen. Und ein solcher Beobachter wird sicherlich nicht unparteiisch sein, und deswegen hat er auch in der Türkei nichts verloren.
    Sawicki: Aber wenn Sie den Hintergrund kennen, dann können Sie ihn doch trotzdem frei arbeiten lassen und Ihre Schlüsse dann daraus ziehen, oder nicht?
    Yeneroglu: Stellen Sie sich mal vor, dass Unterstützer der Terrororganisation "Islamischer Staat" in Deutschland einreisen dürfen, könnten.
    "Die PKK und der IS sind beide brutale Terrororganisationen"
    Sawicki: Die PKK und der IS sind auf einer Linie für Sie?
    Yeneroglu: Die PKK und der IS sind beide brutale Terrororganisationen, die täglich für Terrorakte verantwortlich sind. Leider ist es so, dass eben die deutsche Haltung bezüglich der PKK natürlich eine andere ist, trotz der Situation, dass nach wie vor täglich Soldaten und Zivilisten umkommen aufgrund der Terrorakte der PKK. Das ist eben eine große Tragödie, dass in Deutschland, dass das öffentliche Bild in Deutschland ein anderes ist, weil man leider meint, eben selbst nicht Opfer oder Ziel von Terrorakten zu sein, und deswegen sich bei der PKK anders verhält. Und das geht nicht, das widerspricht der Solidarität zwischen Bündnispartnern, und das widerspricht der Solidarität im Kampf gegen den Terrorismus.
    Sawicki: Sie sprechen das schwierige Verhältnis zu Deutschland, auch zu Europa an, das die Türkei momentan hat. Bereut Recep Erdogan eigentlich mittlerweile seine Attacken gegen Deutschland, dem er ja Nazi-Methoden vorgeworfen hat?
    Yeneroglu: Es gab gegenseitige Attacken, die sicherlich nicht dazu geführt haben, dass das deutsch-türkische Verhältnis besser geworden ist.
    Sawicki: Bereut er seine Attacken? Er hat ja dazu beigetragen dann zum Streit.
    Yeneroglu: Nein, nein, so ist das nicht. Wenn Sie sich auch da den Hintergrund anschauen, dann ist es so, dass das sicherlich aus Deutschland insbesondere mit der Armenien-Resolution völlig unnötig war, eben in eine Spirale einzutreten, die die Beziehungen sich sicherlich nicht hat zum Besseren wenden lassen.
    Jetzt müssen wir nach den Wahlen gucken, dass wir wieder eben mit Blick auf die Zukunft, mit dem Blick auf die über drei Millionen Menschen, türkische Menschen, die in Deutschland leben, und mit dem Blick der tiefen historischen Beziehungen, der guten wirtschaftlichen Beziehungen nach vorn schauen. Und das wird bedeuten, dass man eben sich auf die Kernbereiche und auf die positiven Punkte der deutsch-türkischen Beziehungen konzentrieren muss. Und da gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, an denen wir arbeiten müssen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.