Moderation: Wenn bei einer großen Konferenz von Rüstungskonzernen da vorne jemand auf der Bühne steht und verkündet, dass der weltweite Waffenhandel eingeschränkt wird. Oder wenn bei einem Unternehmen, das viel Geld verdient, weil es in Afrika große Teile der Wasserreserven kontrolliert, wenn dort ein Redner verkündet, dass man sich aus diesem unmoralischen Geschäft zurückziehen werde. Dann könnten das so typische Aktionen der Aktivistengruppe "The Yes Man" sein.
Vor allem zwei Männer stecken dahinter - meist benutzen sie Pseudonyme. Der eine nennt sich Andy Bichlbaum - eigentlich heißt er Jacques Servin -, der andere - sein bürgerlicher Name ist Igor Vamos - nennt sich Mike Bonanno. Seit mehr als 20 Jahren sind die beiden unterwegs - eine Art Konferenz-Guerilla.
Und auch jetzt bei der Weltklimakonferenz wurden die beiden eingeschleust - genauer gesagt am Vorabend der Konferenz auf Einladung des Theaters Bonn.
Als Mitglieder der US-Umweltbehörde warben sie für die Idee, Flüchtlinge zur emissionsfreien Energiegewinnung einzusetzen, indem man sie den ganzen Tag in Fahrradpedale treten lässt. Slogan: "Your Future is in their legs". Das Ganze hat auch einen Namen, den meine Kollegin Sigrid Fischer im Corsogespräch mit den "Yes Men" noch mal nennt.
"Die Bürger müssen selbst aktiv werden"
Sigrid Fischer: "Refugreenergy", was für eine Wortkreation, wie sind Sie denn darauf gekommen?
Jacques Servin: Wir haben vor ungefähr einem Monat einen Workshop mit 20 jungen Künstlern in Belgien veranstaltet. Wir wollten etwas machen, was sie betrifft, und das ist das Thema "Flüchtlinge". In Belgien dürfen Flüchtlinge nicht arbeiten. Man bekommt sogar Schwierigkeiten, wenn man ihnen Geld oder Essen draußen im Park anbietet. Und dieses Problem wollten wir mit einer öffentlich-privaten Partnerschaft lösen, indem belgische Bürger Flüchtlingen helfen, ohne sich schuldig zu machen. (lacht)
Fischer: Vielleicht übernimmt Angela Merkel die Idee, wir haben gerade Koalitionsverhandlungen. Sie beide bringen auch gute Nachrichten mit nach Bonn: In dieser Ausgabe der New York Times steht: Verstaatlichtes Öl finanziert Klimaschutzbemühungen.
Igor Vamos: Ja, wir haben diese gefälschte Zeitungsaugabe 2009 veröffentlicht, als Obama gerade gewählt war. Also lange her, aber es macht ja Sinn: Es gibt Vorgängerbeispiele. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele Produktionszweige verstaatlicht, um den Krieg zu gewinnen.
Servin: Die Idee dieser gefakten Zeitung ist auch zu sagen, es reicht nicht, wählen zu gehen oder zu hoffen, dass die klugen Leute das richtige tun werden. Die Bürger müssen selbst aktiv werden. Und auf dieser Konferenz hier sind ja eine Menge kluger Leute, die aber zu sehr der Idee von öffentlich-privaten Partnerschaften vertrauen, nach dem Motto: Lasst uns mal die Kräfte des Marktes nutzen, um die Welt zu verbessern. Aber diese Idee ist schädlich. Der Markt wird von sich aus nie die richtigen Entscheidungen treffen. Das muss demokratisch initiiert werden, die Menschen müssen der Wirtschaft zum Beispiel sagen: Wir wollen in 10 Jahren 100 Prozent erneuerbare Energien! Los, sorgt dafür, dass das passiert!
"Für die nächste Zeit werden wir nicht die Welt lenken"
Fischer: Mit Ihren Aktionen sind Sie beide ja Teil dieser demokratischen Initiative.
Servin: Ja, die Idee ist, hier auf der Konferenz Leute zu gewinnen, die mehr Einfluss haben als die meisten von uns. In den USA sind wir gerade aufgeschmissen, für die nächste Zeit werden wir nicht die Welt lenken. Wir sind sozusagen "außer Betrieb". Wenn es Antworten geben kann, dann nur von einem Land wie Deutschland.
Fischer: Was hat sich für Sie beide geändert mit der Präsidentschaft von Donald Trump? Ihre Projekte scheinen wichtiger als jemals zuvor. Haben Sie Ihr Engagement verstärkt?
Servin: Ich bin nach der Wahl in eine lange, tiefe Depression verfallen, wie Sie sich vielleicht vorstellen können. Das ging vielen so. Es war ein herber Schlag. Aber so kann man ja nicht ewig leben, also rafft man sich wieder auf, und wenn man etwas optimistisch und kämpferisch ist, dann macht man weiter und legt noch eins drauf.
Vamos: Wir mussten alles, was wir machen, überdenken. Denn bisher zielten unsere Aktionen darauf, so auf die öffentliche Meinung einzuwirken, dass die Leute der Regierung Druck machen. Aber Druck von der Öffentlichkeit bedeutet dieser Regierung gar nichts. Was wir aber feststellen, ist, dass Journalisten jetzt viel mehr über unsere Projekte berichten. Der Journalismus in den USA ist zurzeit überhaupt so gut wie lange nicht.
"Jemand meinte: Das geht zu weit"
Fischer: In der letzten Yes-Men-Dokumentation sprechen Sie beide unter anderem über die Widersprüche, mit denen auch Sie leben müssen - wenn man so viel reist, ist die eigene CO2-Bilanz eben nicht so gut …
Servin: Ja, man hat keine Wahl. Obwohl - doch. Vor mir liegt eine Tafel Schokolade, die wurde per Segelschiff und Fahrrad aus der Dominikanischen Republik hierher gebracht. Die müsste jetzt in großer Menge subventioniert werden, dann wäre es eine Lösung. Das nennt man Demokratie.
Vamos: Und was, wenn die Leute das Falsche entscheiden? Dass sie keine Segelschiff transportierte Schokolade aus der Dominikanischen Republik wollen? Sondern Schokolade, die aus Babyblut hergestellt wurde?
Servin: Dann hoffen wir, dass sich die Guten durchsetzen, und nicht die Bösen. (beide lachen)
Fischer: Wie oft wirft man Ihnen vor, Ihr Humor sei zynisch? Oder das Thema sei zu ernst für solche Scherze?
Vamos: Heute waren es ein paar Leute. Weil wir im Vortrag gesagt haben: Vergesst nie, in Deutschland werden jedes Jahr 6 Millionen Autos produziert. (lacht)
Servin: Jemand meinte: Das geht zu weit. Und wir fragten: Wie? Sollen sie bei 5 Millionen aufhören? (beide lachen) Die Leute im Publikum dürfen solche Witze nicht machen, wir aber schon, weil unserer Großväter im Holocaust gestorben sind. Wir sagen damit eigentlich: Deutschland, du bist sehr vorbildlich mit deiner Vergangenheit umgegangen, du könntest in Sachen erneuerbare Energien auch viel besser sein.
"Wir haben einen Perversen im Weißen Haus sitzen"
Fischer: Sie engagieren sich ja nicht nur in Sachen Umwelt, Sie machen auch Aktionen gegen Rassismus, gegen Waffenbesitz. Jetzt gäbe es ein altes neues Thema: sexuelle Gewalt. Würde Ihnen dazu eine Aktion einfallen? Es ist so ein großes Thema im Moment.
Servin: Das ist es aber wegen Trump. Weil wir einen Vergewaltiger im Weißen Haus sitzen haben. Einen Perversen. Und man kriegt ihn da im Moment nicht raus. Ich glaube, deshalb kocht das alles jetzt hoch.
Vamos: Ja, da gibt's schon viel Empörung über seine Bemerkung, dass er Frauen angrapscht, ohne zu fragen.
Servin: Wie müssen sich Frauen in den USA fühlen, dass einer, der sowas gesagt hat, gewählt wurde? Die fragen sich: Wie soll ich meine Töchter jetzt erziehen?
Vamos: Wie sollen wir noch die Welt verstehen, wenn wir mit Bill Cosby aufgewachsen sind, diesem vorbildlichen Bürger und angepassten Afro-Amerikaner. Weinstein hat den Demokraten und Hillary Clinton so viel Geld gespendet und ist gleichzeitig ein mehrfacher Vergewaltiger. Und Tausende wussten das.
Servin: Cosby war vor Trump, und alle paar Jahre gibt es einen großen Skandal in der Sache, und dann ist er wieder weg. Wie bei Cosby. Aber mit diesem Arschloch im Weißen Haus ist was ausgelöst worden. Dieses Mal wird es nicht schnell vorbei sein. Es geht weiter, so lange, bis er zu Fall gebracht wird. Und das ist dringend nötig.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
"Refugreenergy" - die neuste Aktion der Yes Men, gibt es online - professionell aufgezogen als Werbekampagne einer Start-up-Firma.