Premierminister Youssef Chahed ist jung. 40 Jahre alt. Präsident Beji Caid Essebsi, der den neuen Regierungschef höchstpersönlich ausgesucht hat, ist fast ein halbes Jahrhundert älter. Ein junger, neuer Premierminister - das sollte an sich schon eine politische Botschaft sein. Denn in Tunesien klagen viele junge Menschen darüber, dass vor allem alte Männer die Politik dominieren. Und sich deshalb nichts bewegt.
Jetzt also soll es Youssef Chahed richten, ein gelernter Umwelt- und Rohstoffökonom. Gerade mal fünf Jahre ist er in der Politik. In seiner Partei Nida Tounés gilt er als guter Vermittler. Jetzt soll Chahed eine Regierung führen. Seine Ziele formuliert er knapp und klar:
"Erstens die Schlacht gegen den Terrorismus gewinnen. Zweitens der Korruption den Krieg erklären. Drittens für Wachstum und Arbeitsplätze sorgen. Viertens die Staatsfinanzen in Ordnung bringen und fünftens für Sauberkeit und Umweltschutz sorgen."
Fünf Punkte. Alle sind dringlich. Keine dieser Prioritäten ist neu. Terror-Anschläge haben viele Tunesier verunsichert. Die grassierende Korruption raubt ihnen den letzten Nerv. Die Arbeitslosigkeit wächst, die Staatsverschuldung ebenfalls. Und die Probleme bei Müllabfuhr und Umweltschutz machen die tunesische Misere besonders sichtbar.
Schwieriger Start
Alte Probleme – neue Regierung. Diese neue Regierung firmiert unter dem Etikett der "nationalen Einheit" – das hatte der greise Präsident Essebsi gefordert. Deshalb sind nun insgesamt sieben Parteien in der Koalition vertreten: Das Spektrum reicht von Islamisten bis zu ganz Linken. Manche Minister und Staatssekretäre stehen dem mächtigen Gewerkschaftsverband und der einflussreichen Arbeitgebervereinigung nahe. Mit allen musste der neue Premierminister die Besetzung der Ministerposten verhandeln. Anschließend kritisierten einzelne Koalitionspartner sofort bestimmte Personalentscheidungen.
Youssef Chahed wird also sehr auf die politische Balance achten müssen. Slim Laghmani, Professor für öffentliches Recht in Tunis, stellt deshalb fest:
"Er wird weniger Unterstützung im Parlament haben. Er hat nicht mal über seine Politik entscheiden können, das haben die beteiligten Parteien in den Verhandlungen getan. Er hat also weder sein eigenes Programm noch seine Mannschaft ausgesucht. Deshalb glaube ich, dass er politisch schwächer sein wird als sein Vorgänger."
Das erste konkrete Ergebnis der Bildung dieser neuen Regierung ist: Es gibt deutlich mehr Ministerien als unter der vorherigen Koalition. Das kostet Geld. Viele neue Minister müssen sich erst mal einarbeiten. Das kostet Zeit. Wieder einmal.
Hoher Erwartungdruck
Die große Frage ist nun: Woher soll diese neue Regierung die Kraft und Kompetenz schöpfen, um Reformen durchzusetzen? Um die viel kritisierte Bürokratie der Ministerien zu effizienter Arbeit zu bewegen? Der neue Premierminister appelliert:
"Ich habe die gesamte Verantwortung für die Zusammenstellung dieser Equipe auf mich genommen. Und ich bitte alle Parteien und Institutionen, das auch zu tun. Das Interesse unseres Landes steht heute an erster Stelle. Unser Land durchlebt schwierige, außergewöhnliche Umstände. Alle Tunesier warten auf uns und wir haben nicht das Recht, sie zu enttäuschen."
Der Geduldsfaden der "wartenden" Tunesier dürfte nicht allzu lang sein. Sie haben seit dem Sturz der Diktatur vor fünf Jahren schon einige Regierungen erlebt. Keine hat es bisher geschafft, die ganz praktischen Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Deshalb ist der Erwartungsdruck, der jetzt auf dem jungen Regierungschef Chahed lasten wird, ganz besonders hoch.