Abdul Abbasi wartet auf dem Balkon seines Studentenwohnheims. Er raucht noch schnell eine. Dann macht er Kaffee, sagt, er habe nicht so viel Zeit heute. Der 22 Jahre alte Syrer ist engagiert und gefragt - und er hat etwas zu sagen.
"Ich bin ein Mensch, der sehr gerne spricht. Ich bin in einem Land, wo es Freiheit gibt, wo ich meine Meinung äußern kann. Leider hatte ich das in Syrien nicht. Viele Themen konnte ich dort überhaupt nicht äußern, besonders politische Themen oder auch, was den Staat, die Regierung, das Regime betrifft."
Vormittags hatte Abdul Abbasi ein Treffen mit Thomas Oppermann, SPD-Fraktionschef im Bundestag. Beide leben in Göttingen. Abends geht es zu einem Vortrag nach Flensburg. Auf dem Tisch liegt ein Schreiben vom Bundeskanzleramt: eine Einladung zu Angela Merkel, es ist schon das zweite Treffen. Und zwischendurch muss Abdul Abbasi für Klausuren lernen. Er studiert Zahnmedizin - aber er möchte später mehr, nicht nur als Zahnarzt arbeiten. Er will sich politisch einmischen.
"Ich rede gerne über Probleme. Auch als Teil der syrischen Community hier. Über die Probleme reden, Kritik üben - das führt am Ende zu einer positiven Lage."
Zweisprachiger Kanal auf Deutsch und Arabisch
Um sich einzumischen und Probleme anzusprechen, hat Abdul Abbasi einen YouTube-Kanal gegründet, zusammen mit Alaa Faham. Der Kanal heißt German LifeStyle, die Videos wurden teils über 100.000-mal angeklickt. Sie sind zweisprachig, Deutsch und Arabisch. Meist sind die Videos lustig, oft aber auch ernst. Etwa, wenn es um Anschläge von Flüchtlingen in Deutschland geht. Alaa Faham:
"Ich hoffe, dass wir endlich mal in Frieden leben, dass wir zusammenhalten, dass wir eine Lösung dafür finden. Ich wollte nur das rauslassen. Auf Wiedersehen!"
Alaa Faham und Abdul Abbasi wehren sich dagegen, dass Syrer, Flüchtlinge oder Muslime pauschal mit Terror in Verbindung gebracht werden. Und sie helfen mit, wenn es darum geht, islamische Extremisten zu stoppen. So übersetzen sie im Herbst 2016 einen Fahndungsaufruf der sächsischen Polizei ins Arabische. Daraufhin halten drei Syrer einen syrischen Terrorverdächtigen fest und übergeben ihn der Polizei. Das bringt Abdul Abbasi Einladungen in Talkshows ein.
Er will aber nicht nur verändern, wie Syrer von Deutschen wahrgenommen werden. Sondern auch umgekehrt. Er will in syrischen Kreisen Selbstkritik anstoßen. Auch was die Religion betrifft. Der Student stammt aus einer sunnitischen Familie aus Aleppo, versteht sich aber als nicht religiös.
"Ich arbeite an der Idee, dass wir keinen Menschen wegen seines Glaubens oder seinem Willen, wie er denken will, ausschließen sollen. Und das ist für mich immer halt mein Schwerpunkt, dass wir diese Akzeptanz für alle haben müssen, egal wie sie denken, solange es ein stabiles Niveau von Respekt zwischen den Menschen gibt."
Es klingelt. Die Eltern einer Mitbewohnerin kommen zu Besuch.
"Hey, hallo, alles gut?"
Die nächste Kaffeerunde wartet schon, doch Abdul Abbasi will das Interview noch zu Ende bringen. In seinen YouTube-Videos geht es auch um deutsche Mülltrennung oder darum, dass Syrer immer erst mal mehrfach ablehnen, wenn ihnen etwas zu essen angeboten wird - aus Höflichkeit.
Religion ist kein Tabu-Thema mehr
Auch das Thema Religion ist Abdul Abbasi wichtig, sagt er, aber bisher kam es in seinen Videos nicht vor.
"Es interessiert uns gar nicht, welche Religion man hat. Es interessiert uns nur, wie diese zwei unterschiedlichen Menschen zusammensitzen und trotz ihrer Unterschiede zusammenleben können. Das ist für uns wichtig."
Abdul Abbasi sagt, er diskutiere viel mit Syrern über Probleme, wie Geschlechterrollen oder die Auslegung des Islams. Und er habe den Eindruck: Da verändert sich was. Viele Syrer in Deutschland würden sich inzwischen trauen, über Religion zu diskutieren.
"Vorher kann ich Dir sagen war es ein Tabu-Thema. Jetzt ist es anders. Und ich bemerke, dass ich jetzt mit vielen Menschen darüber reden kann und dass sie jetzt wissen, das ist kein Tabu mehr."
Über die Dinge reden, gute wie schlechte, das ist Abdul Abbasis Anliegen. Damit die Dinge in Bewegung kommen.
"Wenn ich nicht bemerke, wie die Menschen immer versuchen, zu diskutieren, zu reden, sich zu verbessern, dann würde ich aufhören. Aber wenn ich ein positives Ergebnis sehe, das gibt mir immer diese Motivation, weiterzumachen."