"Hi I'm Poppy and I'm from the future. I'm a singer", sagt die Sängerin und Youtuberin Poppy. Sie ist hübscher als Barbie und so süß wie die Zuckerwatte, die sie in ihren Videos isst. "Hi YouTube, is it hot in here or is it just Poppy?"
Poppy liebt die dadaistische Wiederholung, die im normalen Internet eigentlich jeder sofort wegklicken würde. Aber irgendwie ist das bei Poppy anders.
"My telephone defines me"
"Hi YouTube, hi Guys"
Sie liebt die Zukunft, das Internet und ihr Smartphone.
"My telephone defines me, when it is dead, so am I."
Wenn das stirbt, stirbt sie gleich mit. Das alles erzählt sie seit zwei Jahren auf ihrem YouTube-Channel, fast täglich füttert "That Poppy" ihren Kanal mit neuen Videos. Sie steht immer in einem weißen Raum - hellblond und makellos scheint sie in einer hellrosanen Parallelwelt zu leben.
"Maybe in the future everyone will have their own YouTube channel. Just think about it for two seconds."
In dieser Welt erzählt sie davon, dass bald jeder einen eigenen YouTube-Kanal haben wird und dort endlich jeder so sein darf, wie er will. Ist das nun die nächste Ironie-Schleuder? Neoliberaler Zwangsoptimismus? Obwohl ihre Videos total abstrus sind, muss ich weiterklicken. Was soll das alles nur?
"Everything is perfect"
"Wer ist Poppy?"
Alles wird gut, sagt sie im Tonfall eines naiven Kindes, das eine Sekte anführt. Sie prophezeit: Die Zukunft wird gut, Computer sind die beste Erfindung der Welt. Und die Musik verrät, irgendwas stimmt hier nicht. Manchmal rätseln bis zu sieben Millionen Zuschauer, was das alles soll:
"Man kann so viel reininterpretieren und genau das ist das Problem, meine Freunde."
"Schaut man sich dazu die Videos auf YouTube an, bemerkt man jedoch unzählige satanische Posen und subliminale Andeutungen."
Auf YouTube finden sich etliche Videos, die sich fragen: Ist sie echt, ein Avatar, gesteuert von den Illuminaten, nur ein Popstar, eine Parodie der Popstars?
"Nun muss die Frage gestellt werden: Wer ist Poppy?"
"I don't really know."
Weiß nicht, sagt selbst Titanic Sinclair im Telefon-Interview. Poppy ist sein Projekt.
"Poppy ist das menschgewordene Internet - digitalisiert als moderner Popstar."
Der Status quo des Pop und der Netzkultur. Und zugleich dessen Parodie. Titanic Sinclair lebt als Videokünstler in Hollywood. Dort, wo jeder Künstler, Schauspieler, Sänger oder YouTube-Star ist oder sein will.
"Aber keiner sagt wirklich etwas mit seiner Musik. Deshalb interessieren sich die Leute so sehr für Poppy. Wir haben etwas zu sagen, präsentieren die Aussage aber nicht auf dem Silbertablett. Davon gibt's echt genug. Man muss ja nur mal das Radio anmachen: Ich liebe dich, ich dich auch. Die Aussage des Songs ist sofort überdeutlich."
Authentizität zum Nachgoogeln
Nun ist Titanic Sinclair nicht der erste Mensch, dem auffällt, dass Mainstream-Pop aus den Charts selten mehr sagt als "ich liebe dich", "ich liebe dich nicht", "Party, Tanzen und so weiter". Auch die Kritik an den YouTube-Stars, die sich vermeintlich immer glücklich und total authentisch vor ihre Webcam setzen, ist nicht neu.
"Hi down here, it's me, Poppy. It's Internet time. I wanna thank all of you for all of your support. This is so much fun for me."
Heute will jeder Authentizität, die er sofort nachgoogeln kann. Ist Beyoncé wirklich schwanger? Was macht der eigene Ex-Freund heute? Wie wird das Wetter morgen um halb drei? Jede Antwort steht sofort im Netz. Nur bei Poppy bleiben immer noch Fragen offen. Und genau das ist so reizvoll: Zigtausende rätseln im Netz, denken darüber nach, was es bedeuten könnte, dass Poppy so surreal und süß auf dem Bildschirm flackert. Warum klingen ihre Songs genau so wie die, die sie ja kritisiert? Ist sie damit vielleicht bald die nächste Katy Perry? Das wäre mal wieder ziemlich ironisch.