Archiv

YouTube und Gema
Einigung nach jahrelangem Streit

Die Gema und YouTube haben sich geeinigt: Der berühmte Sperrvermerk "Dieses Video ist in Deutschland nicht verfügbar" ist ab heute Geschichte. Nach jahrelangem Streit über Geld und Werbeeinnahmen feiern die Beteiligten die Einigung als einen Meilenstein, andere sprechen von einem Pyrrhussieg. Was ist es denn nun?

Philip Banse im Gespräch mit Susanne Luerweg |
    Sperrtafel bei Youtube
    Sperrtafel bei Youtube (imago stock&people)
    Susanne Luerweg: "Dieses Video ist in Deutschland nicht verfügbar" - dieser Sperrvermerk ist ab heute Geschichte. Denn die Gema und YouTube haben sich geeinigt. Jahrelang stritten sich die Verwertungsgesellschaft und die Google Tochter. Zuletzt scheiterte eine Einigung Anfang des Jahres. Einer der Knackpunkte der Auseinandersetzungen: Die Gema sieht in YouTube einen Musikdienst, der verantwortlich ist für die dort eingestellten Inhalte, YouTube selbst sieht sich nur als Plattform. Die Gema forderte Geld für jedes abgespielte Musikvideo, YouTube wollte aber bislang die Verwertungsgesellschaft und die von ihr vertretenen Musiker nur an den Werbeeinnahmen beteiligen. Jetzt feiern die Beteiligten die Einigung als einen Meilenstein, doch es gibt schon erste Stimmen die nur von einem Pyrrhussieg sprechen. Was ist es denn nun? Die Frage gebe ich direkt weiter an meinen Kollegen Philipp Banse, der sich seit Jahren mit dem Gema-YouTube-Konflikt beschäftigt. Herr Banse, was ist das? Tatsächlich ein Meilenstein?
    Philip Banse: Würde ich schon sagen. Also das ist ein ganz großer Schritt - in meinen Augen - in die richtige Richtung. Sie haben es gesagt, die haben sechs, sieben Jahre lang verhandelt und nun endlich ist eine Einigung erzielt. Und ich glaube, davon profitieren eigentlich alle Seiten. Also das sind sowohl die Komponisten, Künstler, die durch die Gema vertreten sind, 70.000 immerhin, die jetzt Geld bekommen, wenn ihre Werke auf YouTube abgespielt werden. Dass YouTube die Rechtssicherheit bekommt, weil sie auch mit YouTube Red so einem Bezahldienst in Deutschland auch einführen werden. Sie haben immer mehr Konkurrenz durch Spotify, Amazon Music, also die kriegen Rechtssicherheit. Und wir letztlich, die das konsumieren auf YouTube, sehen eben Videos, mehr als bisher.
    "Der Druck war erheblich"
    Luerweg: Aber wie kann es sein, dass diese Einigung so überraschend, so über Nacht kommt? Also keiner hat es so richtig mitgekriegt und bums, dann ist sie da.
    Banse: Naja gut. Jetzt haben die auch sechs, sieben Jahre verhandelt. Und beide Seiten haben großes Interesse daran, endlich zu einer Einigung zu kommen. Und ich habe es angedeutet, bei YouTube ist es glaube ich die wachsende Konkurrenz: Spotify, Amazon Music, immer mehr Dienste bieten Musik hier in Deutschland an und da ist es für YouTube wichtig, eben nicht immer mit diesen für alle unerfreulichen Sperrvermerken daherkommen zu müssen, sondern das Musikangebot weiter ausbauen zu können, legal. Deswegen war der Druck da und bei der Gema war der Druck auch erheblich, wo die Künstler gesagt haben, Leute, wir würden gerne unsere Werke da bei YouTube zeigen - der größten Musikabspielplattform der Welt - seht mal zu, dass ihr da eine Einigung hinkriegt, damit wir da unsere Werke zeigen können und auch Geld dafür bekommen.
    Komplexe Rechtslage
    Luerweg: Noch ist es ja so, dass die Zahlungen freiwillig sind, heißt es zumindest. Also YouTube zahlt und eigentlich müssten dies ja diejenigen tun, die ihre Videos hochladen. Nur dann wird es ja irgendwann mal wieder absurd, man lädt ja da hoch, gerade wenn man kein Geld hat auch oft, oder?
    Banse: Ja. Also das ist dann natürlich ein bisschen eine komplexe Gemengelage. De jure ist es heute wahrscheinlich immer noch so, dass, wenn ich dort ein Lady Gaga Video hochlade, dass das nicht legal ist, weil ich dafür keinerlei Rechte habe, ich kann sie aber auch nicht klären. De facto ist es jetzt aber so, dass YouTube den Rechteinhabern - meistens der Musikindustrie - eine Technik zur Verfügung stellt, die sagt, aha, guck mal Rechteinhaber, da hat der Nutzer XY ein Musikvideo hochgeladen, für das ihr die Rechte habt, was wollt ihr tun? Dann haben sie drei Möglichkeiten: Sie können entweder sagen, ist okay, soll er machen, wir wollen auch kein Geld von der Werbung haben. Sie können sagen, ist okay, soll er machen, aber wir hätten gerne Anteil von der Werbung. Oder, ist nicht okay, wir sperren das Video. So, diese Sperren, das ist kaum vorgekommen, weil alle gesagt haben, dann verdienen wir lieber damit. Jetzt kommt sozusagen die Gema hinzu und kann sagen, ja, auch wir profitieren davon, wenn Leute dieses Video hochladen und wir kriegen pro Klick eine bisher unbekannte Summe.
    Luerweg: Aber was heißt das konkret? Bleiben wir mal bei dem Beispiel Lady Gaga. Also Sie laden ein Video von Lady Gaga hoch und wer zahlt dann? Also dann zahlen, gibt es das Geld eben aus der Werbung? Gibt es das von YouTube? Aus welchem Topf kommt das?
    Banse: Es gibt ja mehrere Leute, die an diesem Video mit der Musik Rechte haben. Das ist zum einen der große Teil der Musikindustrie. Die kriegen halt von YouTube angezeigt, YouTube erkennt anhand digitaler Fingerabdruckmethoden, dass ich ein Video hochgeladen hab, was beispielsweise zu Sony Music gehört, wo die große Rechte dran haben. Und dann kann Sony Music entscheiden, wir sperren das oder wir sagen, ja soll er machen und wir wollen auch kein Geld von der Werbung haben, die in oder neben dem Video durch YouTube angezeigt wird. Oder, wir hätten gerne Anteil von dieser Werbung, die im oder neben diesem Video angezeigt wird. Und das ist das meiste, was die Musikindustrie derzeit macht. Jetzt kommt die Gema dazu und sagt, ja aber auch wir hätten gerne für die Künstler, die in diesem Video auftreten Gema Gebühren und da zahlt jetzt YouTube - soweit wir das wissen - pro Klick eine bisher nicht bekannte Summe an die Gema, die das dann wiederrum an die Künstler verteilt. Und dieses Geld, was YouTube an die Gema zahlt kommt eben aus der Kasse von YouTube.
    Beinharte Verhandlungen
    Luerweg: Und wieviel Geld da raus kommt, das wissen wir in der Tat noch nicht, bisher hieß es immer, die Gema wolle 0,375 Cent pro Video haben, das fand YouTube immer viel zu viel, vermutlich ist die Summe geringer. Das kann man schon mal so sagen, oder?
    Banse: Man kann, wie gesagt, nur spekulieren. Es ging nicht darum, dass YouTube nicht zahlen wollte, das haben sie ja in der Anmod auch gesagt, sondern es ging auch um den Modus, also es ging um die Höhe der Zahlung und den Modus. YouTube wollte immer nur zahlen, oder wollte immer die Rechteinhaber nur an der Werbung beteiligen, die in oder neben diesen Videos angezeigt wird. Das ist aber nicht in jedem Fall der Fall. Also nicht alle Hochlader aktivieren Werbung. Das heißt, es gibt ganz viele Musikvideos, da wird einfach keine Werbung angezeigt, YouTube nimmt kein Geld durch Werbung ein, und wollte deswegen auch nichts an die Rechteinhaber ausschütten. Die Gema hat gesagt, ist uns egal, ob ihr damit Geld einnehmt, wir wollen pro Klick auf dieses Video - ob Werbung oder nicht - Geld haben. Und dann hat die Gema gesagt, wir wollen Summe X pro Klick haben und da hat YouTube gesagt, und das ist uns zu viel. Und irgendwo dazwischen werden die sich jetzt geeinigt haben.
    Luerweg: Das heißt, so ein bisschen klang das ja immer so " YouTube sind die bösen, Gema sind die guten", also jetzt mal so schwarzweiß gedacht, kann man so auch nicht richtig sagen. Also es waren da, da gab es eine ganz große Grauzone, die jetzt offensichtlich sich auflöst.
    Banse: Ja genau. Diese Schwarzweiß-Gegenüberstellung, YouTube die bösen und Gema die guten, das denke ich, hat nie funktioniert. Alle haben ihre Interessen, alle haben ihre auch legitimen Interessen und das waren einfach beinharte Verhandlungen, die jetzt offensichtlich zu einem, wie ich finde, guten Ergebnis gekommen sind, das uns, gerade was so das liberale Verbreiten und Teilen urheberrechtlich geschützter Werke auf YouTube erheblich erleichtert, ohne, dass da Künstler über den Knorpel gezogen werden.
    Luerweg: Ja heute ist Zahltag heißt es, weil es wird ja auch rückwirkend gezahlt. Wer kriegt denn da jetzt ganz viel Geld? Herr Grönemeyer, der sitzt da jetzt zuhause und freut sich.
    Banse: Man weiß, dass der Verteilschlüssel der Gema so strukturiert ist, dass eben diejenigen, die viel haben, auch viel bekommen. Deswegen denke ich, wird Herr Grönemeyer da schon ein bisschen was von abbekommen.
    Zukunft anderer Plattformen
    Luerweg: Auch das könnte man in Zukunft ja vielleicht mal überdenken. Noch eine Frage Herr Banse: YouTube ist eine Plattform, kann es jetzt auch noch auf andere zukommen, dass sie demnächst zahlen müssen, dass die Gema bei ihnen anklopft und sagt, rück mal Geld raus?
    Banse: Ich könnte mir schon vorstellen, dass das auch für andere große Plattformen, sagen wir mal einen Präzedenzfall wird, weil die natürlich jetzt immer sagen können und die Gema immer sagen kann, guckt euch YouTube an, die zahlen für das, was ihre Nutzer hochladen, warum wollt ihr das nicht auch machen? Aber es gibt keinen Automatismus, weil das eben nicht jetzt sozusagen rechtsverbindlich für alle da ist, sondern das ist ein Vertrag, den die beiden ausgehandelt haben, auch wenn es die größte Plattform ist.
    Luerweg: Genau. YouTube, die größte Plattform, die zum Google Konzern gehört, die will ab heute für Musikvideos von Gema-Mitgliedern zahlen, 70.000 können sich jetzt auf Geld freuen. Was sich hinter dieser Einigung verbirgt, darüber habe ich mit meinem Kollegen Philip Banse gesprochen. Und jetzt haben wir genug über Geld und Gebühren für Musik geredet, jetzt hören wir einfach welche, und zwar von der amerikanischen Reggae Formation "The Frightnrs", der Titel "Nothing more to say". Herr Banse, erst einmal vielen Dank für das Gespräch.
    Banse: Gern geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.