Susanne Luerweg: Bild, Bams und Glotze – das reicht, um bekannt zu werden, verkündete einst der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Lange her und schlicht Schnee von gestern. Die Instrumente, um im digitalen Zeitalter groß zu werden, lauten Youtube, Instagram und Facebook. Und die Prominenten heißen Le Floid, Bibi oder Unge. Hanne Detel, Medienwissenschaftlerin von der Uni Tübingen, hat die Netzprominenten wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Schönen guten Tag.
Hanne Detel: Guten Tag.
Luerweg: Was genau ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Netz- und einem Prominenten der vordigitalen Zeit?
Detel: Die alten Prominenten, die mussten noch mehrere Hürden oder auch Gates durchlaufen, weil es gab eine Vorauswahl in gesellschaftlichen Teilsystemen. Also beispielsweise musste man sich erst als Sportler oder in der Politik etablieren, um dann überhaupt wahrgenommen werden in der breiten Öffentlichkeit. Und das zweite Gate: die klassischen Medien. Die waren früher die einzigen, die die Möglichkeit geben konnten, Sichtbarkeit zu erzeugen für ein breites Publikum. In der heutigen Zeit ist es natürlich anders, da gibt es diese ganzen neuen Plattformen und die bieten die Möglichkeit, einen direkten Kanal aufzubauen.
Luerweg: Das heißt, es ist schlicht leichter, Netzprominent zu werden als früher? Einfach nur prominent zu werden, weil man kann sich ja selbst inszenieren und selbst vermarkten?
Detel: Man kann schon sagen, dass es einfacher geworden ist. Es gibt mehr Proiminente in der heutigen Zeit, es gibt auch eine größere Varianz. Aber es ist dennoch so, dass man jetzt nicht sagen kann: Ich stelle irgendwas online und werde damit mal kurz prominent. So einfach ist es nicht. Und man kann sich auch angucken, gerade die Langzeitprominenten wie ein Le Floid oder auch wie eine Bibi, das dauert eine ganze Weile bis sich so jemand etabliert hat und da gehört ein bisschen mehr dazu, als irgendwas online zu stellen.
"Eine eigene Identität, eine Marke und das Publikum immer größer werden lassen"
Luerweg: Aber was gehört denn genau dazu? Was muss man denn machen, um netzprominent zu werden?
Detel: Also ich unterscheide da zwischen verschiedenen Typen der Netzprominenz: Es gibt da zum einen die Kurzzeitprominenten, bei denen ist es so, dass es ein besonders lustiger, emotionaler, ein besonders herausstechender Inhalt sein kann, der eine Person für kurze Zeit in die Öffentlichkeit katapultieren kann. Aber auf der anderen Seite gibt es dann auch die Langzeitprominenten, und bei denen ist es so, dass sie wirklich über längere Zeit hinweg, kontinuierlich, Inhalte online stellen müssen. Die müssen eine eigene Identität erarbeiten, die müssen bestimmte Inhalte immer wieder produzieren. Die müssen sich wie eine Marke aufbauen und so nach und nach ihr Publikum immer größer werden lassen. Und so was braucht Zeit. Das ist nach und nach ein Verdienen der Aufmerksamkeit.
Wir haben noch länger mit Hanne Detel gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Luerweg: Das heißt, ich werde mal kurz Youtube-Star, so leicht ist es doch nicht, wie es manchmal klingt?
Detel: So einfach ist es nicht. Außer natürlich, man wird kurzzeitig in die Öffentlichkeit katapultiert. Das funktioniert manchmal schon, aber das hat auch sehr viel mit Zufälligkeit zu tun und was es für andere Themen gibt und so weiter.
Luerweg: Sie haben jetzt gerade Bibi schon erwähnt. Bibi's Beauty Palace, das ist ein sehr viel gesehener Youtube-Kanal, wo eine junge Dame auch gerne mal recht ungefiltert Produkte in die Kamera hält. Wie schwierig ist das, wenn das so das Role Model für Jugendliche ist? Ist da nicht auch ein bisschen die Grenze überschritten, wo man sagen muss, da wird hemmungslos Werbung gemacht? Sogenannte Influencer, so nennt man sie ja inzwischen, sind die inzwischen wichtiger als die klassischen Medien für die Werbeindustrie?
"Die vermeintliche Authentizität spielt eine große Rolle"
Detel: Für die Werbeindustrie, würde ich sagen, noch nicht. Für Jugendliche zum Teil schon. Es gibt da erste Studien, die zeigen, gerade in den USA, dass das bestimmte Youtuber fast bekannter sind als die klassischen Prominenten oder die Stars, die man irgendwie aus Film und Fernsehen und so weiter kennt. Für die Werbeindustrie werden die natürlich immer wichtiger. Da spielt eine große Rolle, dass die sehr nah zu ihrem Publikum stehen, einen sehr engen Kontakt zu ihrem Publikum haben. Ja, die Vorbildfunktion spielt natürlich eine große Rolle und Authentizität ist da ein Stichwort, das immer wieder genannt wird - oder auch zumindest vermeintliche Authentizität.
Luerweg: Le Floid, der gilt ja für viele junge Menschen als Infoquelle, wenn es um Politik geht. Er hat 2015 ein Interview mit Angela Merkel geführt, da wurde er ziemlich heftig für kritisiert. Derzeit macht er zusammen mit den jungen Unternehmern und der "Bild"-Zeitung sowas, das nennt sich "Germany's next Bundeskanzler", eine Art Castingshow. Das ist ja auch ein Netzphänomen eines Netzprominenten, wo man doch äußerst kritisch mal draufgucken sollte oder wo man ein bisschen zusammenzuckt.
Detel: Also ich muss sagen, auf der einen Seite hat das natürlich auch Vorteile, weil Le Floid oder auch andere Netzprominente, die sich mit politischen Themen beschäftigen, bei jungen Leuten ein Interesse für Politik vielleicht auch wecken können, weil sie es schaffen, die Themen vielleicht auch lockerer anzupacken, unterhaltsamer anzupacken. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass ein Le Floid oder auch andere Netzprominente aus dem Bereich, keine journalistische Ausbildung haben wie jetzt die klassischen Journalisten, die während ihres Volontariats oder auch während ihrer journalistischen Arbeit sich immer wieder mit ethischen Themen auseinandersetzen. Mit Fragen, wie läuft eigentlich gute Recherche ab, wie läuft gutes Fact-Checking ab? Das passiert natürlich bei Netzprominenten nicht in dem Ausmaß, oder das können sie zum Teil auch nicht, weil sie Einzelpersonen sind, die die Themen irgendwo zusammenklauben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hanne Detel: "Netzprominenz", Herbert von Halem Verlag, Köln 2017. 376 Seiten, 35 Euro.