Doppelter Tabubruch
Youtube-Video geht viral: Sängerin Parastoo Ahmadi gibt im Iran Live-Konzert ohne Kopftuch - Justiz ermittelt bereits

Die Sängerin Parastoo Ahmadi ist im Iran ohne Kopftuch aufgetreten und hat das Konzert bei Youtube gestreamt. Das Video erreichte binnen zwei Tagen mehr als eine Million Aufrufe und viele Kommentare, die den Mut der Sängerin hervorheben. Doch die Justiz des Regimes ermittelt bereits.

    Das Foto zeigt die iranische Sängerin Parastoo Ahmadi bei ihrem Live-Konzert im Iran - ohne Kopftuch, in einem schwarzen Kleid.
    Die Sängerin Parastoo Ahmadi hat im Iran ein Konzert gegeben - ohne Kopftuch. (Screenshot Youtube / Parastoo Ahmadi, abgerufen am 13.12.2024)
    Parastoo Ahmadi ist 27 Jahre alt und hat ihr Konzert ohne Publikum im Innenhof einer ehemaligen Karawanserai aufgenommen, also einer historischen Herberge für Reisende. Mit dabei: vier männliche Musiker - mit Gitarren, Schlagzeug und Klavier. Ahmadi selbst trug ein schwarzes, schulterfreies Kleid und hatte ihre Haare während des gesamten Konzertes offen.

    Verbot, in der Öffentlichkeit solo zu singen

    Ihr Auftritt stellt einen doppelten Tabubruch dar: Im Iran gelten strike Bekleidungsregeln für Frauen, die durch ein neues Gesetz mit teils drastischen Strafen weiter verschärft werden. Zudem ist es Frauen schon seit der Revolution von 1979 untersagt, in der Öffentlichkeit solo zu singen.
    Das knapp 28-minütige Video des Konzertes wurde bei Youtube als Livestream veröffentlicht und inzwischen - Stand Freitag - mehr als eine Million Mal angeklickt. In einem Text, der zu Beginn eingeblendet wird, heißt es: "Ich bin ein Mädchen, das für die Menschen singen möchte, die ich liebe. Das ist ein Recht, vor dem ich meine Augen nicht verschließen kann."

    "Zeitpunkt ist sicher kein Zufall"

    Die Publizistin und Iran-Expertin Gilda Sahebi sagte im Deutschlandfunk Kultur, die Sängerin habe schon vorher kürzere Clips ohne Kopftuch gepostet. Der Zeitpunkt jetzt sei aber kein Zufall: Gerade seien die verschärften Strafen bei Verstößen gegen die Kopftuchpflicht auf den Weg gebracht worden - und das iranische Regime sei gerade so schwach und isoliert wie nie zuvor.
    Der Journalist Bamdad Esmaili sagte im WDR, der Auftritt sei sicher monatelang geplant worden. Und die Sängerin ignoriere im Prinzip alles, was das Regime von den Frauen in der Islamischen Republik einfordere. Auch die iranische Frauenrechtsaktivistin Alinejad erklärte, die Sängerin verkörpere alles, was das Regime fürchte, und ihre Stimme sei eine Waffe gegen Tyrannei.

    Justiz ermittelt - Konzert sei "illegal" gewesen

    Die Autorin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal, die die Lage im Iran ebenfalls seit Jahren beobachtet, spricht von einem "Moment außergewöhnlichen Mutes" - und betont, damit habe die Sängerin eine jahrelange Haftstrafe riskiert.
    Und das Regime reagiert bereits. Der Künstlerin und ihren Musikern könnten harte Strafen drohen. Das Justizportal Mizan teilte mit, das Konzert sei illegal gewesen und habe weder den rechtlichen noch den kulturellen Regeln entsprochen. Nun würden angemessene Maßnahmen ergriffen. Weitere Details sind noch nicht bekannt. Die frühere Iran-Korrespondentin Natalie Amiri schrieb bei X, jetzt bekomme die Sängerin "die Abrechnung des Regimes".
    Diese Nachricht wurde am 13.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.