Als Wissenschaftler müsse man immer differenziert antworten, sagte Quaschning. Es sei aber sehr wichtig, dass wissenschaftliche Erkenntnisse anders übersetzt würden, damit möglichst viele Menschen sie verstehen. Und das habe Rezo mit seinem Video getan.
Quaschning nannte für die "Übersetzung" ein Beispiel: Wenn ein Mensch einem anderen ein Glas Wasser mit Zyankali verabreiche und der Mensch sterbe daran, würde die Wissenschaft sagen, dass die Verabreichung höchstwahrscheinlich für den Tod des Menschen verantwortlich sei. Im Stile Rezos würde man sagen: "Der hat den umgebracht, krasser Mörder". Und dasselbe brauche es beim Klimaschutz. "Wir verabreichen der Erde gerade eine hoch gefährliche Dosis an Zyankali. Und wir weisen als Wissenschaftler auch darauf hin - aber eben auf unsere Art. Viele Menschen denken dann, ach das ist ja vielleicht gar nicht so schlimm." Das führe dazu, dass nicht gehandelt werde. "Offensichtlich muss man so zuspitzen, damit Druck entsteht." Übertriebene Warnungen seien manchmal richtig, um Handeln voranzutreiben. Das sei aber nicht Aufgabe der Wissenschaft.
"Wir werden die Klimaschutzziele verfehlen"
Er sei dankbar für das Video, sagte Quaschning. Damit lege Rezo den Finger in offene Wunden. "Wir haben momentan überhaupt gar keine Chance, mit der aktuellen Politik auch nur ansatzweise das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten. Wenn wir in Deutschland in dem Tempo mit der Energiewende weitermachen, werden wir - und da ist sich die Wissenschaft einig - in einer krassen Art und Weise die Klimaschutzziele verfehlen und die Erde in einen katastrophalen Zustand treiben. Deswegen hilft es jetzt nichts, wenn man einen Arbeitskreis oder ein Klimakabinett einrichtet. Sondern dann muss man handeln. Und das findet einfach momentan nicht statt."
Mario Dobovisek: "Machen sie nicht", sagt Rezo in seinem Video und greift die Regierungsparteien immer wieder scharf an, dafür bedient er sich der Studien und Aussagen von Wissenschaftlern. Einer, der immer wieder auftaucht, ist Volker Quaschning, Ingenieur, Wissenschaftler und Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wissenschaft in Berlin. Und jetzt ist er bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Quaschning!
Volker Quaschning: Ja, schönen guten Morgen!
Dobovsiek: Lässt sich das so einfach sagen, wie es Rezo tut, Herr Quaschning: Die CDU zerstört unser Leben?
Quaschning: Ja, als Wissenschaftler muss man ja immer etwas differenziert antworten, aber ich bin persönlich erst mal sehr dankbar, dass es das Video gibt und auch, dass es das in der Art und Weise gibt, wie es ist. Ich bin selber parteipolitisch ungebunden, ich weiß noch nicht mal, wen ich am Sonntag wählen werde ganz genau. Aber trotzdem empfinde ich es als Wissenschaftler sehr wichtig, dass wir die Sachen, die wir haben, einfach mal anders übersetzen, sodass es andere Leute auch wirklich verstehen, was in diesen Arbeiten drin steht. Und deswegen, wie gesagt, finde ich es persönlich sehr wichtig, dass es dieses Video gibt.
"Man muss offensichtlich zuspitzen"
Dobovsiek: Sie reden von einer Übersetzung, aber wie geht Rezo mit den Fakten um?
Quaschning: Na, er hat zumindest mal viele Fakten genannt, hat natürlich dann einiges vereinfacht und zugespitzt. Ich will es vielleicht einfach an einem Beispiel noch mal verdeutlichen, warum diese Übersetzung so wichtig ist. Nehmen wir einfach mal an, es gibt einen Menschen, der einem anderen ein Glas Wasser hinstellt, Zyankali beimischt, der andere verstirbt, und nun würde Rezo sagen, boah, der hat ihm jetzt hier Gift gegeben, sodass der andere total krass verreckt ist, so ein Mörder. Das wäre also die Übersetzung. Wir in der Wissenschaft können das so nicht formulieren, das heißt, wir würden das versuchen, immer sehr exakt zu machen, und dann würden wir sagen, na ja, die Verabreichung einer tödlichen Dosis Zyankali macht es höchstwahrscheinlich, dass der andere Mensch gestorben ist. So. Wenn ich das dann so höre als normaler Mensch, dann würde man sagen, na ja, vielleicht ist die Wissenschaft sich ja gar nicht so einig, die wissen ja noch gar nicht mal, dass Zyankali tödlich ist. Und genau das, was jetzt in diesem Beispiel passiert ist, machen wir ja im Klimaschutzbereich, das heißt, wir verabreichen der Erde eine wirklich hochgefährliche Dosis an Zyankali, wir in der Wissenschaft weisen darauf hin, dass das gefährlich ist, da ist gar kein Widerspruch, aber natürlich in der Art und Weise, wie wir das in der Wissenschaft machen müssen. Und nun gibt es da draußen ganz viele Leute, aus der Politik eingeschlossen, die sagen, na ja, ist ja vielleicht gar nicht so schlimm, und das führt dazu, dass nicht gehandelt wird. Und deswegen muss man einfach offensichtlich so zuspitzen und es so machen wie Rezo, dass der Druck entsteht, wirklich diese Gefahr abzuwenden.
"Übertriebene Warnungen, um das Handeln voranzutreiben"
Dobovsiek: Jetzt verkauft der aber klar Erkenntnisse der Wissenschaft als unumstößlich. Das ist Wissenschaft aber nie, wie Sie selber auch sagen, Herr Quaschning. Haben Sie dabei keine Bauchschmerzen?
Quaschning: Na ja, es gibt erst mal Fakten, sehr viele, die dabei unumstößlich sind. Wenn Sie eine tödliche Dosis Zyankali trinken, dann ist es, wie gesagt, sehr wahrscheinlich, dass Sie daran sterben, auch wenn es andere Faktoren gibt. In der Wissenschaft können wir das nur nachweisen, indem wir eine Obduktion machen. Aber bei dem Klimawandel oder den Folgen, die kommen, heißt ja die Obduktion: Wir zerstören erst mal so, wie wir es vorhersehen, die Erde und die Zukunft, und weisen dann nachher nach. Und deswegen, glaube ich, ist es schon sehr wichtig, dass wir entsprechend doch vielleicht in einigen Punkten übertriebene Warnungen machen, um das Handeln voranzutreiben. Und genau diese Aufgabe kann ja die Wissenschaft nicht übernehmen. Und deswegen, wie gesagt, finde ich es so gut, dass es dieses Video gibt.
"Die Bundesregierung duckt sich in dieser Frage einfach weg"
Dobovsiek: Schauen wir uns da zum Beispiel andere Teile aus dem Video an, da geht es unter anderem um den Drohnenkrieg als mögliches Kriegsverbrechen und die Stationierung amerikanischer Atomraketen – nicht ganz Ihr Fachgebiet, aber wir haben verabredet, dass wir auch darüber kurz sprechen können. Denn beim Klima sind Rezos Argumente stark, sagen auch Sie, wie sieht es dann mit den anderen Teilen des Videos aus Sicht eines Wissenschaftlers aus?
Quaschning: Na ja, auch hier legt er den Finger in offene Wunden, die es gibt, die natürlich auch wieder vereinfacht und zugespitzt sind. Das gibt er ja sogar auch selber zu. Aber es sind ja auch Punkte wie zum Beispiel bei dem Drohnenkrieg, also was er da wieder sagt von den Fakten, dass also hier deutsche, also amerikanische Militärbasen in Deutschland auch ein Dreh- und Angelpunkt sind für solche Handlungen, das ist ja unumstritten, das ist ja Fakt. Und nun ist es auch so, dass die Bundesregierung in dieser Frage sich einfach weg duckt. Das heißt, es wird in Deutschland ja gar nicht diskutiert, wollen wir das, dass solche Sachen von Deutschland aus passieren, sondern wir akzeptieren es einfach. Auf Fragen dazu sieht die Bundesregierung dann auch nicht sehr gut aus. Wenn man das natürlich analysiert, politisch hängt da ein ganzer Rattenschwanz dran. Wir könnten natürlich jetzt sagen, okay, wir unterbinden das, wir schmeißen jetzt die Amerikaner aus Rammstein raus, dann würde natürlich im Umkehrschluss Donald Trump vermutlich die NATO verlassen und wir hätten dann ein großes Problem, hier die Verteidigung zu gewährleisten. Und deswegen ist es natürlich sehr bequem für Deutschland und die deutsche Politik, einfach zu sagen, na ja, ist zwar nicht schön, was da passiert, aber bevor wir jetzt unsere Militärausgaben erhöhen, lassen wir das einfach mal so.
"Lügen, alternative Fakten sind hier nicht drin"
Dobovsiek: Und genau deshalb, Herr Quaschning, sagen seine Kritiker, Rezo klammere bewusst alles aus, was seine aus seiner Sicht einzig legitime Position, seine Meinung relativieren könnte. Was unterscheidet ihn dann von Populisten?
Quaschning: Na ja, sage ich mal so: Seine Position ist ja schon, dass er sehr klar sagt, was ist, und das vor allen Dingen auch mit Fakten beleuchtet. Also Populisten verzerren die Wahrheit, geben Unwahrheiten ein und vermischen, sage ich mal, Fakten aus der Wahrheit mit vielen alternativen Fakten, sodass ein verzerrtes Bild aus der Welt da ist. Und das macht er eigentlich nicht. Das heißt also, er sagt ganz klare Fakten. Er zieht seine eigenen Schlüsse daraus, das ist natürlich durchaus legitim – aus diesen Fakten kann jemand anders auch andere Schlüsse ziehen oder vielleicht es auch anders bewerten. Aber was er nicht macht, was Populisten machen, dass er einfach versucht, hier mit alternativen Fakten, wie wir das zum Beispiel ganz deutlich in Amerika von der Politik von Donald Trump sehen, zu arbeiten, das heißt also Lügen, alternative Fakten sind hier nicht drin, nur eine sehr zugespitzte, eigene Bewertung.
Dobovsiek: Mit Blick auf das Klima, um darauf wieder zurückzukommen, und seine Partei, die CDU, äußert auch der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer Kritik. Hören wir mal kurz rein, was er dazu sagt.
Klaus Töpfer: Da ist viel Luft nach oben und ich hoffe, dass man auch merkt, da muss mehr getan werden. Eine von den ökologischen Fragen abgekoppelte Wirtschaftspolitik ist immer eine schlechte.
"Wir werden die Erde in einen katastrophalen Zustand treiben"
Dobovisek: Viel Luft nach oben also, sagt Klaus Töpfer in unserem Interview der Woche, das Sie morgen hier um 11.05 Uhr im Deutschlandfunk in voller Länge hören können. Wie viel Luft nach oben ist denn da noch bei der CDU?
Quaschning: Na ja, wir haben momentan überhaupt gar keine Chance, mit der aktuellen Politik auch nur ansatzweise das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten. Also wenn wir in Deutschland in dem Tempo mit der Energiewende weitermachen, werden wir – und da ist sich die Wissenschaft wirklich einig – in, so wie es Rizo ausgedrückt hat, krasser Art und Weise die Klimaschutzziele verfehlen und die Erde in einen katastrophalen Zustand treiben. Also da ist man sich einig. Die Maßnahmen allein, wie man da hinkommt, da gibt es vielleicht noch ein bisschen Streit, aber dass wir hier ein sehr großes Problem haben oder, anders ausgedrückt, dass das Zyankali tödlich ist, das ist unumstritten. Und deswegen hilft es ja nichts, wenn man jetzt einen Arbeitskreis oder ein Klimakabinett einrichtet, das überlegt, was könnten wir denn tun, sondern wenn der andere am Trinken vom Zyankali ist, muss man handeln. Und das findet einfach nicht statt momentan.
CDU-Positionspapier mit "leeren Phrasen"
Dobovsiek: Die CDU reagiert mit einem eigenen Positionspapier, ein offenbar schon gedrehtes Antwortvideo hält sie zurück. Was halten Sie von diesem Umgang mit dem Video von Rezo, oder, andersherum gefragt, was wird in der Politik davon bleiben?
Quaschning: Na ja, ich habe dieses Positionspapier gelesen und auch gleich einen Faktencheck durchgeführt, den können Sie auf meiner Internetseite nachlesen. Also es sind im Prinzip wieder sehr leere Phrasen, die die CDU dort bedient, so nach dem Motto, ja, wir tun ja schon genug, und es gibt gar keine Antworten auf die Frage, wie können wir denn jetzt wirklich das Problem des Klimawandels angehen, was müssten wir dafür tun? Es ist gar nicht weiterhin der Wille erkennbar, die nötigen Schritte zum Klimaschutz einzuhalten. Und deswegen denke ich, dass dieser Druck, den wir ja nicht nur von Rezo sehen, sondern auch durch diese großen Demonstrationen von Fridays for Future, einfach notwendig ist, damit die Politik sich bewegt und das nötige Handeln dann umsetzt.
"Die junge Generation wird nicht ernst genommen"
Dobovsiek: Weil Sie Fridays for Future ansprechen, das ja auch unterstützen: Ist dieses Video von Rezo im Grunde etwas, auf das eine ganze Generation gewartet hat?
Quaschning: Na ja, im Prinzip ja. Wir haben einen echten Generationenkonflikt, den wir hier haben. Die junge Generation wird in vielen Fragen gar nicht ernst genommen, und die junge Generation ist im Prinzip die Generation, die diese Folgen auch ausbaden muss, das heißt, beim Klimaschutz, genauso beim Internet, ich meine, Rezo ist eigentlich ja gar kein Klimaschützer, das ist ja die Internetdiskussion, die diese Youtuber ja ebenfalls aufgebracht hat, und hier haben wir gerade Politik von Parteien, die die junge Generation überhaupt nicht ernst nimmt, aber die Klimafolgen treten erst im Jahr 2100 ein, und die junge Generation wird das ausbaden müssen, und deswegen, glaube ich, haben wir diesen zugespitzten Konflikt auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.