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Yuan-Abwertung
"Die Nerven der chinesischen Führung liegen zunehmend blank"

Nach Ansicht der China-Expertin Sandra Heep wird China seine Exportprobleme mit der Abwertung seiner Währung nicht lösen können. Nötig seien vielmehr strukturelle Reformen im Finanzsystem, im Fiskalsystem und im Bereich der Staatsunternehmen, sagte die Wissenschaftlerin vom Berliner Mercator Institut für China-Studien im DLF.

Sandra Heep im Gespräch mit Gerd Breker |
    Ein chinesischer Bankmitarbeiter zählt Renminbi-Yuan-Geldscheine
    Chinas Währung galt seit einigen Monaten als überbewertet. (picture alliance / dpa / Xu Jingbai)
    Gerd Breker: Am Telefon sind wir nun verbunden mit Sandra Heep. Sie ist die Programmleiterin Wirtschaftspolitik und Finanzsystem am Mercator Institut für China-Studien in Berlin. Guten Abend, Frau Heep.
    Sandra Heep: Guten Abend!
    Breker: Erst staatliche Eingriffe auf die chinesischen Aktienmärkte und jetzt die doppelte Abwertung der Landeswährung. Müssen wir uns Sorgen machen um die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt?
    Heep: Die beiden Eingriffe in diesen komplett verschiedenen Bereichen zeigen zumindest, dass die Nerven der chinesischen Führung zunehmend blank liegen, und dafür gibt es auch gute Gründe.
    Hohe Verschuldung erschwert Reformen im Finanzsystem
    Breker: China hat sich durch massive Investitionen der Staatsunternehmen sowie der Regierung auf allen Ebenen verschuldet. Was soll denn aus diesen Schulden werden, wenn nun das Wachstum ausbleiben sollte?
    Heep: Das ist in der Tat eine gute Frage, denn mit sinkendem Wachstum wird es natürlich wesentlich schwieriger, die Schulden zurückzuzahlen. Zudem besteht auch das Problem, dass eine hohe Verschuldung dringend notwendige Reformen im Finanzsystem erschwert.
    Nichtsdestotrotz ist China dazu in der Lage, trotz der Schulden Reformen durchzuführen, und wenn es China gelingt, das Wachstum zu stabilisieren, wenn auch auf niedrigerem Niveau, als das bisher der Fall war, dann sollten diese Schulden China zumindest nicht zum Straucheln bringen.
    Breker: Was bedeutet denn das alles für die Mittelschicht in China? Es gab ja so etwas wie einen Pakt mit der Partei: Verhaltet euch politisch ruhig, dann wird es euch wirtschaftlich gut gehen. Das ist doch jetzt in Frage gestellt, oder?
    Heep: Ganz so weit würde ich noch nicht gehen. In der Tat ist es zwar so, dass die Wachstumsraten schon stark gesunken sind. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass es der Mittelschicht schlechter geht, denn für die Mittelschicht kommt es nicht so sehr darauf an, wie sehr das BIP wächst, sondern es kommt darauf an, ob sie tatsächlich auch Arbeit haben, ob ihre Löhne steigen, und da sieht es im Moment noch sehr gut aus. Tatsächlich steigen die Löhne in China immer weiter, was einfach darauf zurückzuführen ist, dass die Gesellschaft zunehmend altert.
    Das heißt, von dieser Seite her gerät das bisherige chinesische Wachstumsmodell, das ja gar nicht so sehr auf Konsum, sondern eher auf Investitionen und Exporte ausgelegt war, zunehmend unter Druck, und das ist auch eine Entwicklung, die die Regierung nur sehr schwer unterbinden kann.
    Chinesisches Wachstumsmodell gerät unter Druck
    Breker: Sie sagen es: Die Industrieproduktion lahmt irgendwo. Es gibt insbesondere bei den Staatsunternehmen Überkapazitäten. Die Umsätze im Einzelhandel sind auch schwächer geworden. Der private Konsum kann also gar nicht die Exportschwäche auffangen.
    Heep: Das würde ich so zunächst einmal nicht sagen. Grundsätzlich hat China die Möglichkeit, noch sehr viele Weichen zu stellen, beispielsweise auch im Finanzsystem, wo es möglich wäre, es den Konsumenten leichter zu machen, Kredite aufzunehmen oder es ihnen auch beispielsweise zu ermöglichen, ihre Gelder so zu investieren, dass sie darauf eine bessere Rendite erzielen. Wenn das gelingt, dann kann beispielsweise auch der Konsum gestärkt werden.
    Außerdem wissen Sie ja, dass China bislang noch ein nicht besonders gut ausgebautes Sozialversicherungssystem hat. Wenn das verbessert wird, kann man auch darüber den Konsum stimulieren. Da gibt es noch sehr viele Wege. Man kann da sehr viel erreichen.
    Breker: Was wir jetzt erleben, eine Abwertung, eine deutliche Abwertung der Landeswährung, das macht - das ist altbekannt - die Exporte preiswerter und verteuert die Importe. Kann denn dieser Trick das aktuelle chinesische Problem der chinesischen Wirtschaft nun nachhaltig lösen?
    Heep: Nein, das kann er mit Sicherheit nicht. Sie haben ja richtig gesagt, dass sich Chinas Wirtschaft gerade in einem sehr tief greifenden Umbruch befindet, und wenn China nun seine Währung abwertet, dann kann das zu einer leichten Milderung der Probleme im Exportsektor führen. Aber selbst die Probleme des Exportsektors kann eine Abwertung nicht komplett lösen, denn wie ich eben sagte, ist es so, dass die Löhne in China steigen, was natürlich zu steigenden Preisen der chinesischen Produkte führt, und dass auch die globale Nachfrage zurzeit sehr, sehr niedrig ist.
    Abwertung der Währung kann nicht sämtliche Probleme lösen
    All das macht es für den chinesischen Exportsektor schwierig und eine bloße Abwertung der Währung kann da nicht sämtliche Probleme lösen. Es ist also kein Allheilmittel, und nach wie vor besteht auf jeden Fall die dringende Notwendigkeit, in China strukturelle Wirtschaftsreformen anzugehen, vor allem im Finanzsystem, im Fiskalsystem, aber auch im Bereich der Staatsunternehmen.
    Breker: Eine Abwertung der Landeswährung ist auf jeden Fall keine Einladung an ausländische Investoren.
    Heep: Das ist in der Tat richtig. Man muss diese Abwertung der Währung allerdings auch ein bisschen differenzierter betrachten. Tatsächlich ist es so, dass die chinesische Währung in den vergangenen Monaten wirklich überbewertet war, und man hat das in Peking zugelassen, unter anderem, weil man auf gar keinen Fall in den Verdacht geraten wollte, eventuell die Währung zu manipulieren, denn China möchte ja auch noch in diesem Jahr seine Währung vom IWF offiziell als Reservewährung anerkannt sehen, und da hat man sich deshalb zurückgehalten.
    Tatsächlich war die Währung aber überbewertet und nun hat man angesetzt, das zu korrigieren. Man hat es wohl nicht so ganz geschickt gemacht. Hätte man einfach gesagt, wir reformieren jetzt unser Wechselkursregime und lassen den Märkten freien Lauf, dann wäre das Ergebnis vermutlich das gleiche gewesen und man hätte nicht so sehr intervenieren müssen und man hätte damit auch Investoren und überhaupt die gesamte Weltwirtschaft, die China ja gerade mit Argusaugen beobachtet, nicht so sehr verschreckt.
    "Tatsächlich war die Währung überbewertet"
    Breker: Das IWF lobt China für die Abwertung der Landeswährung. Das heißt, die Chancen, als Reservewährung den Yuan zu etablieren, sind weiterhin vorhanden?
    Heep: Die Chancen gibt es nach wie vor. Allerdings hängt das natürlich auch davon ab, ob China sich jetzt daran hält, tatsächlich den Marktkräften bei der Bestimmung des Wechselkurses eine stärkere Rolle zuzugestehen. Andererseits ist es auch so, dass der IWF gerade noch letzte Woche gesagt hat, dass China vermutlich diesen Schritt in diesem Jahr noch nicht nehmen können wird, aber der politische Wille, China in der internationalen Finanzarchitektur eine größere Rolle zuzugestehen, ist auf jeden Fall da, auch wenn es vielleicht noch bis zum nächsten Jahr dauert, bis der Yuan in diesen Korb aufgenommen werden kann..
    Breker: Das chinesische Modell ist ja so eine Art marktorientierte Reformen unter Kontrolle der Partei. Hat sich das in dieser Situation bewährt? Kann sich das auf Dauer bewähren?
    Heep: Das ist eine gute Frage. Im Moment sehen wir ja, dass das Pendel sehr stark in Richtung Intervention und Kontrolle ausschlägt. Tatsächlich ist es aber so, dass das, was China in den nächsten Jahren an Reformen gebrauchen wird, eigentlich gar nicht so gut mit so einer starken politischen Kontrolle des Wirtschaftssystems zu vereinbaren ist. Das heißt, die Reformen, die da anstehen, die bedeuten auch, dass sich der Staat bis zu einem gewissen Grade zumindest aus dem Wirtschaftssystem zurückziehen muss und Kontrolle aufgeben muss, und die Frage ist natürlich, ob die Kommunistische Partei dafür tatsächlich auch den Mut aufbringen wird.
    Der chinesische Motor beginnt zu stottern
    Breker: Frau Heep, verabschiedet sich China als Motor der Weltwirtschaft oder läuft dieser Motor einfach nur ein wenig langsamer?
    Heep: Der Motor läuft zurzeit schon ein wenig langsamer und er fängt vielleicht auch an, ein bisschen zu stottern, denn das, was die Regierung da gerade tut mit all ihren Interventionen, das sorgt halt allerorts für Irritationen. Aber grundsätzlich denke ich, dass es noch zu früh ist, um zu sagen, dass China sich als Motor verabschiedet. Aber es wird eben kein ganz so starker Motor mehr sein in den nächsten Jahren und daran müssen wir uns gewöhnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.