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Yvonne Gebauer (FDP) zum Schulstart
Es bleibt bei Masken, Testen und Lüften

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat zu Beginn des neuen Schuljahres Präsenzunterricht für alle Schülerinnen und Schüler angekündigt. Damit das möglich ist, bleiben die bekannten Hygienemaßnahmen erstmal bestehen – auch das Tragen von Masken während des Unterrichts.

Yvonne Gebauer im Gespräch mit Sandra Schulz | 16.08.2021
Yvonne Gebauer (FDP)
Für NRWs Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) steht fest: Präsenzunterricht findet statt - aber nur mit Hygienemaßnahmen (dpa)
In fünf Bundesländern sind die Ferien schon zu Ende. In Nordrhein-Westfalen startet der Unterricht am Mittwoch (18.08.2021). Das Ziel der NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) ist es, sicheren Präsenzunterricht zu ermöglichen, sagte sie im Dlf. Verpasster Stoff müsse nachgeholt werden und man habe gesehen, dass alle Präsenzunterricht wollen und brauchen, so Gebauer.
Schüler einer gemischten Klasse der Stufen 4-6 gehen nach dem auf dem Schulhof erfolgten Schnelltest wieder ins Klassenzimmer der Fritz-Karsen-Schule im Berliner Ortsteil Britz. (Bewegungsunschärfe durch lange Belichtungszeit) Für die letzten zwei Wochen vor den Sommerferien gibt es in der Hauptstadt noch einmal Präsenzunterricht mit allen Schülerinnen und Schülern.
Lehrerverband sieht noch große Baustellen für normalen Schulbetrieb
Beim Gesundheitsschutz und bei der Digitalisierung sieht der Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, noch großen Handlungsbedarf mit Blick auf das kommende Schuljahr.
Um den Unterricht in den Schulen sicher zu gestalten, setzt sie neben den bekannten Hygienemaßnahmen auch auf Luftfilter, die allerdings "das Lüften nicht ersetzen", wie sie im Dlf sagte. Seit Mitte Juli können die Schulen in NRW auch zusätzliches Personal einstellen. Dafür stehen aktuell 160 Millionen Euro zur Verfügung – allerdings nur bis Ende 2022.

Sandra Schulz: Können Sie gut schlafen vor dem Schulstart?
Yvonne Gebauer: Ja, ich kann gut schlafen, weil wir auch gut vorbereitet sind. Wir haben die Schulen rechtzeitig noch im vergangenen Schuljahr informiert, wie es denn entsprechend weitergeht, und die letzten Informationen dann noch mal in der vergangenen Woche, nämlich mit dem Präsenzunterricht für alle Schülerinnen und Schüler.

"Luftfilter ersetzen nicht das Lüften"

Schulz: Was Ihren Nachtschlaf ja beeinträchtigen könnte, das ist die teilweise noch fehlende Ausstattung der Schulen mit Luftfiltern. Wieso hakt es da?
Gebauer: Ja, das ist natürlich keine schöne Angelegenheit, dass diese Bund-Länder-Vereinbarung, die es braucht, um als Land die entsprechenden Förderrichtlinien auf den Weg zu bringen, dass diese Bund-Länder-Vereinbarung immer noch nicht fertig ist – so jedenfalls mein letzter Stand. Gleichwohl: Wir haben ja schon im Frühjahr ein Programm aufgelegt mit 50 Millionen als Land, worüber die Schulträger entsprechend Luftfiltergeräte anschaffen konnten und dies auch bereits getan haben. Jetzt gilt es, daran zu setzen, dass diese 94 Millionen, das Geld des Bundes plus unser Geld noch mal vom Land erhöht, dass das auch abgerufen wird, aber wie gesagt, da warten wir noch auf die entsprechende Bund-Länder-Vereinbarung.
Ich möchte aber in dem Zusammenhang auch gleich noch mal sagen: Luftfilter sind ein Baustein in einem Sortiment von Maßnahmen, was den Unterrichtsbetrieb sicher machen möchte oder sicher macht. Aber Luftfilter ersetzen nicht das Lüften. Es muss auch im Herbst und es muss auch im Winter gelüftet werden. Lüften bleibt weiter das A und O.

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Kommunen können das Geld für Luftfilter abrufen

Schulz: Wenn wir noch mal auf die konkreten Zahlen schauen: Der Kölner Stadtanzeiger zitiert den Direktor des Umweltbundesamtes mit der Einschätzung, dass 15 bis 25 Prozent der Räume nicht ausreichend belüftet werden können. Sie haben jetzt das Wort "schon" fallen lassen. Viele Eltern, viele Lehrkräfte, viele Schülerinnen und Schüler fragen sich, was mit diesem "schon" gemeint ist, wenn das jetzt zum Ende der Sommerferien wieder nicht steht?

Es bleibt bei Maske, Tests und Lüften

Gebauer: Nein! Ich habe gesagt, dass das Land schon ein Programm aufgelegt hat im Frühjahr des vergangenen Schuljahres. Das meinte ich mit dem "schon", wo wir 50 Millionen aufgelegt haben und von denen 20 Millionen durch die Kommunen abgerufen worden sind. Man muss schon auch schauen, was gibt das Land, was wird durch die Kommunen abgerufen. Jetzt sind 94 Millionen da, die auch wieder abgerufen werden können. Das "schon" bezog sich auf unser Programm vom Frühjahr diesen Jahres.
Schulz: Wichtige Klarstellung. – Sie haben in der vergangenen Woche ja neue Quarantäne-Regeln vorgestellt, die jetzt gelten sollen, wenn der Schulbetrieb wieder losgeht. Wenn ein Corona-Fall auftritt, dann müssen nur noch die unmittelbaren Sitznachbarn in Quarantäne beziehungsweise wirklich direkte Kontakte. Wie passt das zu dem Wissen, dass die Delta-Variante ja nun doch deutlich ansteckender ist als all ihre Vorgänger?
Gebauer: Das passt dazu, weil wir auch viele Hygiene-Maßnahmen, viele Infektionsschutz-Maßnahmen weiter in den Schulen haben als Voraussetzung für diesen sicheren Präsenzunterricht. Wir haben unsere Hygiene-Maßnahmen in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium, mit den kommunalen Spitzenverbänden, mit der Unfallkasse noch einmal aktualisiert. Wir haben entsprechend auch jetzt zu Beginn die Maske im Unterricht. Draußen auf dem Schulhof darf sie abgezogen werden. Wir testen zweimal in der Woche und wir haben natürlich einen anderen Impfstatus, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Und alle wollen Präsenzunterricht, weil wir natürlich wissen, wir brauchen einen sicheren Präsenzunterricht, der auch Inzidenz-unabhängig ist, weil wir diesen regelmäßigen Schulbetrieb brauchen – einerseits, um am Ball zu bleiben bei den Schülerinnen und Schülern. Wir brauchen ihn aber auch, weil wir noch aufholen müssen, was in der Vergangenheit zu kurz gekommen ist. Mit all diesen Sicherungsmaßnahmen, die ich gerade genannt habe, starten wir dann in den Präsenzunterricht und bleiben dort auch.

"Wir starten hier riesige Aufholprogramme"

Schulz: Trotzdem kann man sich wahrscheinlich vorstellen, was passiert, wenn ein Corona-Fall über Stunden in der Klasse ist, gemeinsam mit anderen Kindern. Konkret auf Ihre Pläne reagierend, hat der SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach vor einer Durchseuchung gewarnt. Er sagt, Ihr Kurs läuft faktisch auf eine Durchseuchung raus. Nehmen Sie das in Kauf?
Gebauer: Nein, ich nehme das nicht in Kauf. Ich habe ja gesagt, dass wir entsprechend hier unsere Schutzmaßnahmen weiter fortführen, auch mit der Maske im Unterricht. Aber alle und auch, glaube ich, Herr Lauterbach sind sich im Vorfeld darüber einig gewesen, dass wir den Präsenzunterricht aus den genannten Gründen für unsere Schülerinnen und Schüler brauchen. Wir starten hier riesige Aufholprogramme. Aber wir wissen, am Ende des Tages ist und bleibt der Präsenzunterricht die beste Form des Lehrens und des Lernens, und deswegen sollten wir alles tun, damit unsere Kinder auch im Präsenzunterricht nicht nur starten, sondern bleiben können. Dazu gehört natürlich auch, dass sich Erwachsene als ältere Generation jetzt durchgehend impfen lassen, damit wir so viel Normalität wie möglich unseren jüngsten, unserer jüngeren Generation zurückgeben können.

"Es kommt nicht zu Ausbrüchen in den Schulen"

Schulz: Was ist, wenn das Virus sich doch rasant ausbreitet? Wir wissen, die Schulkinder können aktuell überhaupt nicht geimpft werden. Da ist kein Impfstoff zugelassen. Und es gibt auch Zurückhaltung, zurückgehend auf die Zurückhaltung der Stiko, der Ständigen Impfkommission, was die über Zwölfjährigen betrifft. Wenn das Virus jetzt wieder rasant unter den Schulkindern sich ausbreitet, gehen die Schulen dann doch wieder zu?
Kurz nach dem Interview wurde die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) für 12- bis 17-Jährige offiziell bekanntgegeben.
Niedersachsen, Hannover: Ein Kinderarzt impft ein Kind mit einem 6-fach-Kombinationsimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus (Wundstarrkrampf), Kinderlähmung (Polio), Keuchhusten (Pertussis), Haemophilus influenzae Typ b (Hib) und Hepatitis B.
Corona-Impfung ab zwölf Jahren - Sollten Eltern ihre Kinder nun impfen lassen?
Die Gesundheitsminister wollen jetzt auch 12- bis 17-Jährigen ein Impfangebot unterbreiten. Auch die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt nun eine Corona-Impfung für Zwölf- bis 17-Jährige. Was spricht für, was gegen eine Impfung von Kindern? Ein Überblick.
Gebauer: Schulkinder können sich impfen lassen. Es gibt keine Empfehlung, aber ab 16 haben wir gerade hier auch entsprechend Angebote in den Impfzentren jetzt noch mal auf den Weg gebracht, aber auch an den Schulen bei der Sekundarstufe II, dass wir dieses Impfangebot machen wollen. Bei den jüngeren Schülern ist es richtig. Bis zwölf ist das gar nicht möglich. Deswegen testen wir hier auch mit dem höchstsensitivsten Test, den es zurzeit auf dem Markt gibt, nämlich mit dem sogenannten Lolli-Test, mit dem PCR-Test, um hier auch höchstmögliche Sicherheit den Schülerinnen und Schülern zu geben. Mein Appell noch mal an die Bevölkerung: Es hängt davon ab, dass sich Erwachsene impfen lassen, damit wir die Impfquote steigern. Damit sichern wir am Ende des Tages auch den Präsenzunterricht der Schülerinnen und Schüler. Und vielleicht ein letzter Satz: Die Schulen, die bereits jetzt im Präsenzunterricht sind, haben natürlich auch geschaut, wie entwickelt sich das Inzidenz-Geschehen an den Schulen, und es ist so, dass wir natürlich auch infizierte Kinder in den Schulen haben. Aber es kommt nicht zu Ausbrüchen in den Schulen. Das haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten schon gesehen. Aber das mit der Delta-Variante jetzt als neueste Information.
Schulz: Frau Gebauer, meine Frage war, ob die Schulen offenbleiben.
Gebauer: Ja, wir werden alles daransetzen. Ich habe ja gerade gesagt, meine Haltung zum Präsenzunterricht ist dieselbe wie im vergangenen Jahr. Mein Einsatz dafür auch. Es muss jetzt allen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen klar sein, dass wir diesen Präsenzunterricht für unsere Schülerinnen und Schüler brauchen. Deswegen muss auch auf allen Ebenen dafür etwas getan werden, und das passiert am besten mit dem Impfen.

Mehr Geld für Personal - begrenzt bis Ende 2022

Schulz: Ein riesen Thema, auf das ich noch kommen möchte, sind natürlich auch die Lücken, die die Kinder jetzt möglicherweise aufgesammelt haben in der Zeit der Schulschließungen. Wie viele zusätzliche Lehrer hat Nordrhein-Westfalen denn eingestellt, um konkret gegen diese Lücken vorzugehen?
Gebauer: Wir haben vier Säulen, nämlich extra Geld, extra Personal, extra Zeit und extra Blick. Für die Säule extra Personal stehen Nordrhein-Westfalen 160 Millionen Euro zur Verfügung, mit dem entsprechend dieses Personal an die Schulen gebracht werden kann. Seit Mitte Juli können die Schulen sich entsprechend hier bewerben beziehungsweise Anträge stellen. Die Bezirksregierungen sind schon an die Schulen herangetreten und unterstützen und beraten sie dabei, wie das geschehen kann. Das können Lehrkräfte sein, das kann aber auch anderes sozialpädagogisches Personal sein oder aber auch Menschen, die die Schulen bei ihren besonderen Herausforderungen vor Ort unterstützen. Wie gesagt, 160 Millionen Euro allein für diese Säule extra Personal.

Gemeinsame Finanzierung durch Bund und Land

Schulz: Sie sagen jetzt seit Mitte Juli. Da kann man im Moment von ausgehen, dass zum Ende der Sommerferien, zum Schulbeginn davon wahrscheinlich noch keine einzige Person eingestellt wurde?
Gebauer: Nein, davon kann man nicht ausgehen. Das kann schon durchaus sein. Aber wir werden jetzt in den kommenden Tagen und Wochen sehen, wie viele es tatsächlich bereits schon sind. Und man muss ja sagen, das sind 430 Millionen Euro, die entsprechend hier Nordrhein-Westfalen aus dem Bundesprogramm bekommen hat, beziehungsweise 215 vom Bund und wir als Land haben 215 Millionen Euro noch einmal oben draufgelegt. Das ganze Programm ist ausgerichtet bis Ende 2022. Das heißt, in diesem Zeitraum können entsprechende Maßnahmen genutzt werden beziehungsweise auf den Weg gebracht werden. Für diese Zeit gilt natürlich das extra Personal.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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