Ein Mann im blauen T-Shirt und in lottriger, dunkler Hose robbt über eine kahle, schwarze Bühne, die bis auf die Brandwand entkleidet ist, setzt sich auf einen Hocker und tappt nervös mit den Füßen. Dieser König ist vom Schicksal mit einer grausamen Recherche betraut, und Bernd Grawert nähert sich in der Verkörperung des Ödipus dieser Aufgabe mit kräftiger, fast athletischer Körpersprache.
In diesen ersten Szenen der Aufführung schlummert das Grauen in nichts anderem als der Sprache, in irgendwelchen dunklen Verheißungen, in Göttersprüchen, die in der Fassung von Heiner Müller, basierend auf Hölderlins poetischer und rätselhafter Übertragung des antiken Stücks, quasi in dreifacher Umformung auf uns gekommen sind. Der Chor, der von Thebens Pest eigentlich zu berichten hätte, wird hier von einer Schar junger Schauspielstudenten gebildet. Er gibt zunächst nur Gröl-, Kreisch-, Hechel- und Keuchlaute von sich, bevor der Tyrann die in dunkelgraue Anzüge gesteckten jungen Leute in die Sprachbildung einführt.
- "For-schen
- For-schen
- Fo-fo-fo-Forschen
- Fo-fo-fo-Forschen"
Die szenische Sprachnachhilfe ist leider fast wörtlich zu nehmen:
Die erste, chorreiche Stunde der Aufführung, da wo es um die Exegese der Götterworte geht, ist in Dimiter Gotscheffs Inszenierung zäh und wenig stückerhellend. Da aber, wo Menschenworte den manischen Forscher in eigener Sache immer tiefer in die grausige Erkenntnis zwingen, gelingen verschiedene schöne Momente. Nun rufen sich Bernd Grawert und die im dritten Rand postierte Bibiana Beglau wie über ein weites Tal Fragen und Antworten zu.
- "Hey,
- Hey heppa,
- Helassa, pflanzte Polybos mich nicht?
- Na, ha, nicht Polybos pflanzte dich und nicht ich.
- Hey
- Hey, wie das?
- Aus meiner Hand empfing er als Geschenk dich."
Bibiana Beglau spielt auch Kreon sowie den blinden Seher Tiresias, also quasi alle Instanzen, die den Herrscher in die Wahrheitssuche zwingen. Wie ein Bündel ist sie in den Armen des Tyrannen Ödipus zusammengerollt, bereit, für ihre Zeugenaussage erwürgt zu werden. Sie ist ein Wesen der Transformation, irgendwo zwischen den allwissenden Göttern und den blinden Sterblichen, am Ende gar ein Schicksalsvogel.
Die Erkenntnis wird unausweichlich: Ödipus entstammt Thebens Königshaus, ist Kind der Frau, mit der er selbst nun Kinder zeugte, und tötete an einer Weggabelung den ihm unbekannten Vater. Die Mutter und Gattin Jokaste spielt Karin Neuhäuser: Erst windet sie sich in Posen der Abwehr gegen das Unabweisliche, bevor ihr am Ende ein großer Moment von Theater gelingt: Den Lippenstift entfernt und abgeschminkt, kommt sie als Magd an die Vorderbühne und berichtet vom Tod ihrer Figur, vom Selbstmord der Jokaste. Vom hohen und etwas hohlen Ton der Tragödie ist nun nichts mehr geblieben als eine ergreifende Tränenarie: Und mit der Schauspielerin, die sich ihrer Figur entledigt hat, sind auch wir aus der Tragödie in die jämmerliche Gegenwart des Melodramatischen gefallen, wo es keine kathartische Heilung mehr gibt, sondern nur noch schales Mitleid. Das Christentum hat unsere Haltung gegenüber der Tragödie versaut, meint, salopp zitiert, Heiner Müller im Programmheft. Wahrscheinlich stimmt das. Aber Dimiter Gotscheff, der Heiner Müller im Herzen trägt wie kein anderer, hat diesen Verlust am Hamburger Thalia Theater nur eben angedeutet, und seine Inszenierung führt uns leider auch nur noch vor, dass der Weg zurück verrammelt ist.
In diesen ersten Szenen der Aufführung schlummert das Grauen in nichts anderem als der Sprache, in irgendwelchen dunklen Verheißungen, in Göttersprüchen, die in der Fassung von Heiner Müller, basierend auf Hölderlins poetischer und rätselhafter Übertragung des antiken Stücks, quasi in dreifacher Umformung auf uns gekommen sind. Der Chor, der von Thebens Pest eigentlich zu berichten hätte, wird hier von einer Schar junger Schauspielstudenten gebildet. Er gibt zunächst nur Gröl-, Kreisch-, Hechel- und Keuchlaute von sich, bevor der Tyrann die in dunkelgraue Anzüge gesteckten jungen Leute in die Sprachbildung einführt.
- "For-schen
- For-schen
- Fo-fo-fo-Forschen
- Fo-fo-fo-Forschen"
Die szenische Sprachnachhilfe ist leider fast wörtlich zu nehmen:
Die erste, chorreiche Stunde der Aufführung, da wo es um die Exegese der Götterworte geht, ist in Dimiter Gotscheffs Inszenierung zäh und wenig stückerhellend. Da aber, wo Menschenworte den manischen Forscher in eigener Sache immer tiefer in die grausige Erkenntnis zwingen, gelingen verschiedene schöne Momente. Nun rufen sich Bernd Grawert und die im dritten Rand postierte Bibiana Beglau wie über ein weites Tal Fragen und Antworten zu.
- "Hey,
- Hey heppa,
- Helassa, pflanzte Polybos mich nicht?
- Na, ha, nicht Polybos pflanzte dich und nicht ich.
- Hey
- Hey, wie das?
- Aus meiner Hand empfing er als Geschenk dich."
Bibiana Beglau spielt auch Kreon sowie den blinden Seher Tiresias, also quasi alle Instanzen, die den Herrscher in die Wahrheitssuche zwingen. Wie ein Bündel ist sie in den Armen des Tyrannen Ödipus zusammengerollt, bereit, für ihre Zeugenaussage erwürgt zu werden. Sie ist ein Wesen der Transformation, irgendwo zwischen den allwissenden Göttern und den blinden Sterblichen, am Ende gar ein Schicksalsvogel.
Die Erkenntnis wird unausweichlich: Ödipus entstammt Thebens Königshaus, ist Kind der Frau, mit der er selbst nun Kinder zeugte, und tötete an einer Weggabelung den ihm unbekannten Vater. Die Mutter und Gattin Jokaste spielt Karin Neuhäuser: Erst windet sie sich in Posen der Abwehr gegen das Unabweisliche, bevor ihr am Ende ein großer Moment von Theater gelingt: Den Lippenstift entfernt und abgeschminkt, kommt sie als Magd an die Vorderbühne und berichtet vom Tod ihrer Figur, vom Selbstmord der Jokaste. Vom hohen und etwas hohlen Ton der Tragödie ist nun nichts mehr geblieben als eine ergreifende Tränenarie: Und mit der Schauspielerin, die sich ihrer Figur entledigt hat, sind auch wir aus der Tragödie in die jämmerliche Gegenwart des Melodramatischen gefallen, wo es keine kathartische Heilung mehr gibt, sondern nur noch schales Mitleid. Das Christentum hat unsere Haltung gegenüber der Tragödie versaut, meint, salopp zitiert, Heiner Müller im Programmheft. Wahrscheinlich stimmt das. Aber Dimiter Gotscheff, der Heiner Müller im Herzen trägt wie kein anderer, hat diesen Verlust am Hamburger Thalia Theater nur eben angedeutet, und seine Inszenierung führt uns leider auch nur noch vor, dass der Weg zurück verrammelt ist.