Die Eins zu sein, der Beste - oder wenigstens davon überzeugt zu sein, dass es so ist – dieser Wettbewerbsanspruch ist essentieller Teil von Rap. Und so ist es nicht überraschend, dass die 1 auch bei der Namensgebung im deutschen Rap ganz vorne mit dabei ist. Und auf Englisch klingt es gleich noch etwas cooler.
Rap ist die lokalpatriotischste aller Musikarten
Pal One, Mach One, Akte One, Pal One, Kay One, Sketch One, Chaoze One, Shacke One. Die alle haben sich den Nummer-1-Status der Einfachheit halber gleich in ihre künstlerische Geburtsurkunde geschrieben. Generell macht es Sinn, dass gerade im Rap so viele Künstlernamen mit Zahlen zugewuchert sind. Denn Rap ist die lokalpatriotischste aller Musikarten, nirgendwo sonst ist die Identifikation mit der eigenen Stadt oder sogar dem eigenen Viertel so zentral. Und Zahlen sind da der einfachste und eindeutigste Weg sich zu verorten. In Berlin zum Beispiel ist trotz des Handyzeitalters eine fast schon inflationäre Besinnung auf die gute alte Festnetzvorwahl unübersehbar.
0-3-0. Das ist so sehr Berlin, damit ist alles gesagt. Und zwar von sehr vielen Rappern gleichzeitig. Zum Beispiel: Brudi 030, Ghazy 030, M.O. 030. Natürlich muss man auch dazusagen: Es hat ja auch keine deutsche Stadt mehr Rapper. Deswegen liegt Berlin auch beim Postleitzahlen-Game ganz vorne.
Ufo361 ist einer von etlichen Berlinern die eine in der Stadtfolklore legändere Zahl für sich vereinnahmt haben. Die 36, die steht noch heute für den Stadtteil Kreuzberg, obwohl sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr Teil der Postleitzahl ist. Aber die 36 ist für Rap perfekt, denn sie symbolisiert das alte Kreuzberg, das echte, das Raue, den Problembezirk. Der Vollständigkeit halber: 361 ist die Kombination aus 36 und 61, die 61 war die zweite Postleitzahl Kreuzbergs. So viel ist sicher: Ufo361 klingt wesentlich besser als, schauen wir mal auf die aktuellen Postleitzahlen: Ufo 10785. Oder Ufo 10967.
Auf jeden Fall ist die Liste der Berliner Postleitzahlen-Rapper lang. Aber die Liste der Nicht-Berliner Postleitzahlen-Rapper, die kann sich auch sehen lassen. Zum Beispiel mit den 257ers aus Essen oder Nate 57 aus Hamburg.
Es geht aber auch etwas uneindeutiger. Zum Beispiel mit Audio88. Aber nicht Heil-Hitler-88. Obwohl das anscheinend sogar manchmal Nazis glauben.
"Sogar die NPD fragt mich jede Woche nach nem Feature. Scheiß auf Nazis, ich spitte nur für meine Brüder."
Denn die 88 steht für was völlig anderes, auch für zweimal H, aber für Hip-Hop. Angeblich. Audio88 hat auch schon mal gesagt, das steht für Heinrich Heine.
Verwirrungspotential durch Zahlencodes
Dass zu viel Interpretationsmöglichkeiten allerdings auch nicht förderlich sind, das beweisst Chris, der schreibt sich statt mit einem "i" mit einer 7. Liest sich also Cr-Sieben-Z. Und weil das offensichtlich jeden Menschen verwirrt, hat Chris dem ganzen Thema auch ein halbes Lied gewidmet.
"Was mich angekotzt hat, waren die Flyer,
Ich glaub', dass bei keinem MC der Name darauf so oft falsch war. Ich heiße einfach Chris. Das ist alles.
Das ist nur ‘ne 7 statt 'nem I, aber niemand schnallt es.
Also fuck it, ich habe mich dran gewöhnt, dass man mich buchstabiert, ich hab’ versucht, es zu erklär'n, sie waren nur verwirrt."
Ich glaub', dass bei keinem MC der Name darauf so oft falsch war. Ich heiße einfach Chris. Das ist alles.
Das ist nur ‘ne 7 statt 'nem I, aber niemand schnallt es.
Also fuck it, ich habe mich dran gewöhnt, dass man mich buchstabiert, ich hab’ versucht, es zu erklär'n, sie waren nur verwirrt."
Die Verwirrung ist durch die Erklärung jetzt nicht verschwunden. Aber wenigstens gibt es eine Erklärung. Das ist nicht überall so. Zum Beispiel beim gerade gehyptesten Rapper Deutschlands, dem Euro-Dance-Gangster Apache 207. Die 207, die bleibt ein Geheimnis. Er gibt ja auch keine Interviews. Also kann man nur intelligent vermuten. 207, das ist der Bundestagswahlkreis von Ludwigshafen, Apaches Heimatstadt.