Friedbert Meurer: Wenn Griechenland oder Portugal von den Rating-Agenturen schlechtere Noten wegen ihrer Schulden bekommen, dann ist das schlimm genug. Aber gestern ging es um eine ganz andere Dimension. Standard & Poor's, eine der führenden Rating-Agenturen, hält es für möglich, dass die Kreditwürdigkeit der USA, der weltgrößten Wirtschaftsmacht, innerhalb der nächsten zwei Jahre herabgestuft wird. Ein Sprecher im Weißen Haus spricht von einer politischen Entscheidung der Rating-Agentur, aber er sagt, man begrüße doch jede Unterstützung dafür, dass sich der Kongress auf den Abbau der Schulden einigt.
John Kornblum war US-Botschafter in Deutschland, heute berät er eine große Wirtschaftskanzlei. Guten Morgen, Herr Kornblum!
John Kornblum: Guten Morgen!
Meurer: Hat die Rating-Agentur mit ihrer Warnung recht?
Kornblum: Sie haben natürlich recht in dem Sinne, dass sie gewarnt haben. Die politische Klasse in den USA unternimmt nicht genug, um diesem Problem entgegenzutreten.
Meurer: Ist das ein "Hallo"-Wachruf für die Politik in den USA?
Kornblum: Ja, es ist ein Wachruf, aber es ist natürlich kein einzelner, denn es ist nicht überraschend. Die politische Debatte in den letzten sechs Monaten, vor allem hinsichtlich des Defizits, ist sehr polarisiert und nicht gerade logisch gewesen.
Meurer: Ist es wirklich eine ehrliche Warnung? Halten Sie das für möglich, Herr Kornblum, dass die USA herabgestuft werden in der Bonität?
Kornblum: Nein! Ich halte es nicht für möglich und Standard & Poor's wahrscheinlich auch nicht. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Standard & Poor's sich nicht gerade mit Lorbeeren bekleckert hat in den letzten Jahren über ihre Ratings. Sie waren teilweise auch für die Hypotheken-Krise zuständig. Ich glaube, das war teilweise ein Versuch von Standard & Poor's, etwas eher als sonst zu sagen, wir passen auf und wir wissen, was los ist. Aber zweitens natürlich, die Zahlungsfähigkeit der Vereinigten Staaten ist immer noch da und man glaubt nicht, dass es eigentlich zu einer Herabstufung kommen wird.
Meurer: Nur das Problem ist, es scheint so, als würden zwei Züge aufeinander rasen in den USA, ein demokratischer und ein republikanischer. Wer kann das noch stoppen?
Kornblum: Ja, ich sehe es etwas anders. Ich glaube, der Zug gehört hauptsächlich den Republikanern. Sie machen eine Wette und es kann sein, dass die Wette aufgeht, es kann sein, dass sie nicht aufgeht. Sie machen eine Wette, dass die Stimmung im Lande so gegen Defizite ist, dass sie sehr aggressiv und sehr stark rangieren können und dass sie dann nachher von den Wählern belohnt werden. Das wissen wir noch nicht. Obama versucht, auch zu kürzen, aber er hat eine andere Wette gemacht und das ist, dass die Wähler eigentlich gerade bei den Sozialleistungen nicht so viele Kürzungen haben möchten. Was im Endeffekt passiert, kann man nicht wissen, aber wichtig zu wissen ist, dass es sechs Senatoren gibt, die eine sogenannte "Gruppe VI" gebildet haben in dem Versuch, einen Kompromiss zu finden.
Meurer: Was können die sechs ausrichten, wenn im Senat oder im Abgeordnetenhaus Tea-Party-Leute in eine andere Richtung wollen?
Kornblum: Ja, das ist genau das Problem. Die Republikaner haben ein großes Problem, indem dieser Populismus, den es gegeben hat, jetzt gerade in ihrer Partei Fuß gefasst hat. Aber die Amerikaner haben eine Tradition, ähnlich wie in England. Wenn eine Gruppe von hoch respektierten Politikern zusammenkommt und wenn sie sagen, wir haben den bestmöglichen Kompromiss hier ausgearbeitet, dann wird das sehr, sehr oft auch angenommen.
Meurer: Es geht ja jetzt in den nächsten Wochen schon ganz konkret darum, dass die gesetzliche Obergrenze der erlaubten Staatsschulden von zurzeit 14,3 Billionen Dollar angehoben wird. Mal vorab: Halten Sie das für richtig, diese Grenze noch mal anzuheben?
Kornblum: Na ja, ob es richtig ist oder nicht, es ist absolut notwendig, weil die Staatsausgaben steigen. Und es ist nicht möglich, innerhalb der nächsten paar Wochen die Haushalte irgendwie so in den Griff zu bekommen, dass man das nicht machen muss. Und ich nehme an, es wird passieren. Es wird wie gesagt ein Spiel jetzt gespielt, wer zuerst nachgibt. Und deshalb ist es sehr wichtig, dass es auch jemand gibt, der versucht, einen ehrbaren Kompromiss zu finden.
Meurer: US-Präsident Obama und die Demokraten haben ja bei der Zwischenwahl im November einen ziemlichen Denkzettel verpasst bekommen. Viele Amerikaner haben einfach Angst wegen der wirtschaftlichen Entwicklung und der hohen Schulden. Tut der Präsident genug und nimmt die Sorgen des Mittelstands ernst in den USA?
Kornblum: Na ja, das ist sehr interessant, Ihre Frage ist sehr interessant. Er versucht, jetzt einen Kompromiss zu finden. Und ich meine, dass das der richtige Weg ist. Aber es gibt genauso viele Menschen, die die republikanische Politik ablehnen, als die, die ihr zustimmen, und er wird ziemlich kritisiert jetzt aus seiner eigenen Partei, dass er die Behauptungen der Republikaner zu sehr annimmt, dass man auch bei den Sozialleistungen kürzen muss. Die große Frage wird sein, wenn ein Kompromiss gefunden wird, wird zwischen den Sozialleistungen und dem Steuersatz, weil der Steuersatz natürlich den Besserverdienenden dient. Und das ist genau, was der Mittelstand sagt, was nicht richtig gemacht wird.
Meurer: Machen Sie sich Sorgen um die Kreditwürdigkeit der USA?
Kornblum: Kein bisschen. Wenn Sie die Erfahrungen von anderen Ländern anschauen, dann sehen Sie, ein Staat ist immer in der Lage, seine Schulden zu bezahlen. Die Vereinigten Staaten haben eine Riesenwirtschaft. Das Problem ist nicht das, sondern das Problem ist, werden die Vereinigten Staaten vernünftig und auch glaubwürdig handeln. Und das hilft oder schadet der Wirtschaft. Das ist der große Punkt. Kreditwürdigkeit steht hier nicht zur Frage.
Meurer: Der frühere Botschafter in Deutschland, John Kornblum. Heute berät er die große Wirtschaftskanzlei Noerr. Herr Kornblum, besten Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Kornblum: Ich bedanke mich.
John Kornblum war US-Botschafter in Deutschland, heute berät er eine große Wirtschaftskanzlei. Guten Morgen, Herr Kornblum!
John Kornblum: Guten Morgen!
Meurer: Hat die Rating-Agentur mit ihrer Warnung recht?
Kornblum: Sie haben natürlich recht in dem Sinne, dass sie gewarnt haben. Die politische Klasse in den USA unternimmt nicht genug, um diesem Problem entgegenzutreten.
Meurer: Ist das ein "Hallo"-Wachruf für die Politik in den USA?
Kornblum: Ja, es ist ein Wachruf, aber es ist natürlich kein einzelner, denn es ist nicht überraschend. Die politische Debatte in den letzten sechs Monaten, vor allem hinsichtlich des Defizits, ist sehr polarisiert und nicht gerade logisch gewesen.
Meurer: Ist es wirklich eine ehrliche Warnung? Halten Sie das für möglich, Herr Kornblum, dass die USA herabgestuft werden in der Bonität?
Kornblum: Nein! Ich halte es nicht für möglich und Standard & Poor's wahrscheinlich auch nicht. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Standard & Poor's sich nicht gerade mit Lorbeeren bekleckert hat in den letzten Jahren über ihre Ratings. Sie waren teilweise auch für die Hypotheken-Krise zuständig. Ich glaube, das war teilweise ein Versuch von Standard & Poor's, etwas eher als sonst zu sagen, wir passen auf und wir wissen, was los ist. Aber zweitens natürlich, die Zahlungsfähigkeit der Vereinigten Staaten ist immer noch da und man glaubt nicht, dass es eigentlich zu einer Herabstufung kommen wird.
Meurer: Nur das Problem ist, es scheint so, als würden zwei Züge aufeinander rasen in den USA, ein demokratischer und ein republikanischer. Wer kann das noch stoppen?
Kornblum: Ja, ich sehe es etwas anders. Ich glaube, der Zug gehört hauptsächlich den Republikanern. Sie machen eine Wette und es kann sein, dass die Wette aufgeht, es kann sein, dass sie nicht aufgeht. Sie machen eine Wette, dass die Stimmung im Lande so gegen Defizite ist, dass sie sehr aggressiv und sehr stark rangieren können und dass sie dann nachher von den Wählern belohnt werden. Das wissen wir noch nicht. Obama versucht, auch zu kürzen, aber er hat eine andere Wette gemacht und das ist, dass die Wähler eigentlich gerade bei den Sozialleistungen nicht so viele Kürzungen haben möchten. Was im Endeffekt passiert, kann man nicht wissen, aber wichtig zu wissen ist, dass es sechs Senatoren gibt, die eine sogenannte "Gruppe VI" gebildet haben in dem Versuch, einen Kompromiss zu finden.
Meurer: Was können die sechs ausrichten, wenn im Senat oder im Abgeordnetenhaus Tea-Party-Leute in eine andere Richtung wollen?
Kornblum: Ja, das ist genau das Problem. Die Republikaner haben ein großes Problem, indem dieser Populismus, den es gegeben hat, jetzt gerade in ihrer Partei Fuß gefasst hat. Aber die Amerikaner haben eine Tradition, ähnlich wie in England. Wenn eine Gruppe von hoch respektierten Politikern zusammenkommt und wenn sie sagen, wir haben den bestmöglichen Kompromiss hier ausgearbeitet, dann wird das sehr, sehr oft auch angenommen.
Meurer: Es geht ja jetzt in den nächsten Wochen schon ganz konkret darum, dass die gesetzliche Obergrenze der erlaubten Staatsschulden von zurzeit 14,3 Billionen Dollar angehoben wird. Mal vorab: Halten Sie das für richtig, diese Grenze noch mal anzuheben?
Kornblum: Na ja, ob es richtig ist oder nicht, es ist absolut notwendig, weil die Staatsausgaben steigen. Und es ist nicht möglich, innerhalb der nächsten paar Wochen die Haushalte irgendwie so in den Griff zu bekommen, dass man das nicht machen muss. Und ich nehme an, es wird passieren. Es wird wie gesagt ein Spiel jetzt gespielt, wer zuerst nachgibt. Und deshalb ist es sehr wichtig, dass es auch jemand gibt, der versucht, einen ehrbaren Kompromiss zu finden.
Meurer: US-Präsident Obama und die Demokraten haben ja bei der Zwischenwahl im November einen ziemlichen Denkzettel verpasst bekommen. Viele Amerikaner haben einfach Angst wegen der wirtschaftlichen Entwicklung und der hohen Schulden. Tut der Präsident genug und nimmt die Sorgen des Mittelstands ernst in den USA?
Kornblum: Na ja, das ist sehr interessant, Ihre Frage ist sehr interessant. Er versucht, jetzt einen Kompromiss zu finden. Und ich meine, dass das der richtige Weg ist. Aber es gibt genauso viele Menschen, die die republikanische Politik ablehnen, als die, die ihr zustimmen, und er wird ziemlich kritisiert jetzt aus seiner eigenen Partei, dass er die Behauptungen der Republikaner zu sehr annimmt, dass man auch bei den Sozialleistungen kürzen muss. Die große Frage wird sein, wenn ein Kompromiss gefunden wird, wird zwischen den Sozialleistungen und dem Steuersatz, weil der Steuersatz natürlich den Besserverdienenden dient. Und das ist genau, was der Mittelstand sagt, was nicht richtig gemacht wird.
Meurer: Machen Sie sich Sorgen um die Kreditwürdigkeit der USA?
Kornblum: Kein bisschen. Wenn Sie die Erfahrungen von anderen Ländern anschauen, dann sehen Sie, ein Staat ist immer in der Lage, seine Schulden zu bezahlen. Die Vereinigten Staaten haben eine Riesenwirtschaft. Das Problem ist nicht das, sondern das Problem ist, werden die Vereinigten Staaten vernünftig und auch glaubwürdig handeln. Und das hilft oder schadet der Wirtschaft. Das ist der große Punkt. Kreditwürdigkeit steht hier nicht zur Frage.
Meurer: Der frühere Botschafter in Deutschland, John Kornblum. Heute berät er die große Wirtschaftskanzlei Noerr. Herr Kornblum, besten Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Kornblum: Ich bedanke mich.