Günter Hetzke: Viele kennen ihn aus der Werbung, den Schrei vor Glück oder vor Freude - das Markenzeichen des Online-Versandhändlers Zalando. Um 50 Prozent ist im vergangenen Jahr der Umsatz des Unternehmens geklettert, eine stolze Zahl, über die ich nun mit meinem Kollegen Andreas Kolbe aus unserer Wirtschaftsredaktion sprechen möchte. Herr Kolbe, wie gut steht denn Zalando wirtschaftlich da?
Andreas Kolbe: Das kommt ganz darauf an, mit welchem Blickwinkel wir auf das Unternehmen schauen. Wenn wir da klassische Bewertungsmaßstäbe ansetzen, dann steht Zalando nicht sonderlich gut da. Das Unternehmen ist jetzt sechs Jahre alt und schreibt seit seiner Gründung tiefrote Zahlen: 118 Millionen Euro Verlust hat Zalando im vergangenen Jahr gemacht, operativ, das heißt ohne Berücksichtigung von Steuern oder Zinsen für Kredite.
Aber bei einem Unternehmen wie Zalando schaut man eben nicht nur auf das was unter dem Strich hängen bleibt, sondern vor allem auf das Wachstum. Und das ist nach wie vor beeindruckend: Sie haben es schon angesprochen, um 50 Prozent hat der Umsatz zugelegt von 1,2 auf rund 1,8 Milliarden Euro; einer der umsatzstärksten Online-Händler in Deutschland.
Und zunehmend auch in Europa, denn Zalando expandiert - sowohl in der Fläche als auch im Sortiment: 14 Länder werden inzwischen beliefert - und das eben längst nicht mehr nur mit Schuhen, sondern auch mit Klamotten. Im vergangenen Jahr hat Zalando erstmals sogar mehr Geld mit Mode umgesetzt als mit Schuhen - und das war ja eigentlich die Keimzelle.
Hetzke: Warum tut sich Zalando so schwer, Geld zu verdienen?
Kolbe: Weil das noch nicht vorgesehen ist. Zalando ist ähnlich wie der große Konkurrent, das große Vorbild Amazon auf Wachstum ausgerichtet. Märkte erobern, Marktanteile hinzugewinnen, Größenvorteile ausnutzen. Das Geldverdienen kann dann später immer noch kommen, wenn man dann richtig groß ist.
Und es gibt kaum eine Branche, für das so entscheidend wie für den Versandhandel: Je mehr Sie einkaufen, desto bessere Konditionen bekommen Sie bei den Herstellern. Je mehr Pakete Sie verschicken, desto bessere Konditionen bekommen Sie von den Logistikfirmen. Je größer Sie die Versandlager bauen, desto besser lassen die sich automatisieren- und damit eben Kosten sparen: Denn am Ende will man eine Bestellung ja so wenig wie möglich von Mitarbeitern händisch bearbeiten müssen.
Das ist derzeit noch anders bei Zalando: vor allem wegen der hohen Rücksendequote. Schrei vor Glück, Sie kennen den Slogan. Der ging früher sogar noch weiter: Da hieß es: - oder schick’s zurück. Das hat Zalando dann irgendwann gestrichen. Denn die Kunden machen rege Gebrauch davon. Ungefähr jedes zweite Produkt wird wieder zurückgeschickt. Das kostet viel Geld - Portokosten und eben auch das Handling. Und das ist sicher auch einer der Hauptgründe, warum Zalando bis heute kein Geld verdient.
Hetzke: Seit Ende des vergangenen Jahres wird Zalando als Kandidat für die Börse gehandelt. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Kolbe: Da ist die Gerüchteküche ähnlich aktiv wie damals beim Börsengang von Facebook zum Beispiel oder von Twitter. Offiziell bestätigt ist nichts. Der Geschäftsführer Rubin Ritter sagt, ein Börsengang sei eine interessante Option für die Zukunft. Aber das habe derzeit keine Priorität.
Das Manager Magazin hatte die Spekulationen zuletzt angeheizt. Da hieß es, noch in diesem Jahr wolle man in Frankfurt oder New York an die Börse gehen. Die Voraussetzungen dafür hat Zalando immerhin schon geschaffen: Seit einigen Monaten ist das Unternehmen eine Aktiengesellschaft. Auch wenn das wie Ritter heute sagte - keine Vorentscheidung für einen Börsengang sei.