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Zank und Streit bei Familie Mandela

Während Nelson Mandela mit dem Tod ringt, liefert sich seine Familie einen erbitterten und vor allem öffentlichen Streit um sein Erbe. Es geht um Gräber, Firmen und natürlich um Geld. Die einzige, die in dieser Situation Würde bewahrt, ist Nelson Mandelas dritte Ehefrau Graca Machel.

Von Jan-Philippe Schlüter |
    Er wolle öffentlich keine schmutzige Wäsche waschen, sagt Nelson Mandelas Enkel Mandla bei einer Pressekonferenz – um im nächsten Atemzug richtig auszuteilen. Wütend und verbittert beleidigt er seinen jüngeren Halb-Bruder Ndaba.

    "Er weiß sehr genau, dass mein Vater eine verheiratete Frau geschwängert hat. Er ist das Ergebnis dieses Aktes. Außerdem hat Ndaba meine Frau geschwängert. Und das ist niemals von den sogenannten Familienmitgliedern diskutiert worden, die immer behaupten, sie wollen Harmonie in der Familie haben."

    Es ist der vorläufige Tiefpunkt in der Familienfehde. Mit einer Mischung aus Faszination, Abscheu und Ungläubigkeit schauen die Südafrikaner, wie sich die Familie Nelson Mandelas öffentlich zerfleischt, während der schwer krank auf der Intensivstation liegt.

    "Die Familie sollte in dieser Zeit vereint sein, sagt Thembiso Mbambo. Sie müssen aufhören, sich zu streiten. Das ist ein schwerer Moment für sie. Und da sollten sie der Welt zeigen, dass sie zusammenhalten."

    Hintergrund des Streits ist wohl die Frage: Wer ist der rechtmäßige Nachkomme von Nelson Mandela als Familienoberhaupt? Und natürlich die Frage: Wer macht hier Kasse? Mandelas Enkel Mandla ist der älteste männliche Erbe. Also stünde es ihm zu. Aber der große, massige Mandla ist nicht unbedingt das, was man einen ehrenhaften Mann nennt. Der dem Namen Mandela auch gerecht werden würde. In den Gerichten seiner Heimat am Ostkap ist er Dauergast. Sei es wegen ausstehender Unterhaltszahlungen, sei es wegen Bigamie-Vorwürfen, sei es, weil er zwei kritische Journalisten acht Stunden lang gegen ihren Willen festgehalten hat - ohne Wasser, Essen oder Toilettengang.

    In dieser Woche hieß es vor Gericht: Alle gegen Mandla. 16 Familienmitglieder haben ihn verklagt, weil er vor zwei Jahren eigenmächtig die Leichname von drei Kindern Nelson Mandelas umgebettet hat. Vom Familiengrab in Qunu in das 30 Kilometer entfernte Dorf Mvezo. Der Richter hat deutlich gemacht, was er davon hält: Mandlas Verhalten sei skandalös und bösartig.

    "Der Beschuldigte muss die Überreste sofort zurückgeben. Spätestens aber bis Mittwoch, den 3. Juli 15 Uhr. Die örtliche Polizei wacht darüber, dass bei der Exhumierung die notwendigen medizinischen Regeln eingehalten werden. Die Überreste werden dann wieder vergraben. Auf dem Anwesen der Familie Mandela in Qunu."

    Selbst nach diesem klaren Urteil hat Mandla nicht kooperiert. Die Polizei musste das Eisentor seines Anwesens mit einer Spitzhacke aufbrechen. Vor Dutzenden von Fotografen und Kameraleuten. Für Mandla ist die Niederlage niederschmetternd. Er ist Chief von Mvezo, das einflussreiche traditionelle Oberhaupt. Und er hat große Pläne mit dem Dorf. Für etwa vier Millionen Euro baut er eine Art Nelson-Mandela-Erinnerungsstätte. Das Grab der Mandelas als Pilgerstätte für Touristen aus aller Welt wäre da ein willkommener Umsatzbringer gewesen.

    Aber nicht nur Mandla will ans große Geld, auch seine Tante Makaziwe, mit der er jetzt streitet. Schon jetzt verkauft sie Wein mit dem Etikett "House of Mandela". Aber sie will mehr. Zusammen mit ihrer Halbschwester Zenani kämpft sie um die Kontrolle über die Firmen, die die Namens- und Bildrechte von Nelson Mandela verwalten. Es geht um mehr als eine Million Euro. Die beiden Damen sind vor Gericht gezogen, um die derzeitigen Direktoren der Firmen entfernen zu lassen. Dabei sind die vor einigen Jahren von Nelson Mandela persönlich eingesetzt worden. Einer ist George Bizos. Seit mehr als fünfzig Jahren Mandelas Anwalt und Vertrauter. Aber Mandelas Tochter Makaziwe bestreitet, dass es in dem Fall um Familienstreitereien geht.

    "Ihr von den Medien seid sehr faule Menschen. Ihr müsst mal recherchieren. Bei dem Fall geht es nicht um einen Familienstreit, okay? Es ist nur ein Antrag, gewisse Leute von ihren Direktorenposten zu entfernen. Das ist alles. Das ist kein Familienstreit, und auch kein Kampf um das Erbe oder das Vermächtnis von Nelson Mandela."

    Es ist aber nicht nur die Familie, die an Nelson Mandela zerrt. Auch Politiker versuchen immer wieder und bis zum letzten Moment, etwas von seiner Strahlkraft abzubekommen. Allen voran Präsident Jacob Zuma.

    Es sind verstörende Bilder, die im April im südafrikanischen Fernsehen zu sehen sind: Der 94jährige Nelson Mandela, vor Kurzem erst aus dem Krankenhaus entlassen. Von Alter und Krankheit gezeichnet sitzt er auf einem Sofa. Mandela macht den Eindruck, als würde er nicht verstehen, was um ihn herum geschieht. Neben ihm sitzt der feixende Präsident Jacob Zuma. Um sie herum andere wichtige Politiker ihrer Partei ANC. Sie diskutieren und lachen.

    "Er sieht sehr gut aus,"

    sagt Jacob Zuma danach,

    ""Er ist in guter Verfassung. Wir haben uns mit ihm unterhalten, er hat gelächelt. Er ist wirklich munter. Es geht ihm gut."

    Südafrika ist entsetzt. Die Menschen sind sich einig: Zuma missbraucht Mandela, um sein Image aufzupolieren. Nächstes Jahr wird schließlich gewählt. Auch die Chefin der Oppositionspartei Democratic Alliance, Hellen Zille, nutzt die Sympathien für Nelson Mandela. In dieser Woche hat sie vor dem Krankenhaus in Pretoria publikumswirksam Blumen abgelegt. Nicht ohne ihre Partei zu erwähnen: Die DA unterstütze den Vater der Nation.

    Nelson Mandela ist ein Held, mit dem man sich gerne schmückt. Von dem man hofft, dass er ein wenig auf die eigene Person oder das eigene Vorhaben abstrahlt. Aber seitdem er alt und gebrechlich ist, seit es scheint, als sei er fremdgesteuert, wirkt es nur noch schäbig. Der ehemalige Erzbischoff und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu hat die Familie angefleht, den Namen Mandela nicht zur besudeln. Es scheint nur eine Frau in der Familie zu geben, die Tutus Wunsch gerecht wird. Nelson Mandelas Ehefrau Graca Machel beeindruckt in diesen turbulenten und schwierigen Zeiten durch die Ruhe und die Würde, die sie verbreitet. Und die Nelson Mandela angemessen ist.

    "Ab und zu fühlt Madiba sich nicht gut, manchmal hat er auch Schmerzen, aber es geht ihm gut. Wie auch immer sein Krankenhausaufenthalt ausgeht: Es wird das zweite Mal sein, dass er seiner Nation die Möglichkeit gibt, vereint zu sein."
    Mandla Mandela bei einer Pressekonferenz
    Mandla Mandela bei einer Pressekonferenz (picture alliance / dpa)