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Zauberflöte und C-Moll-Messe
Der Freimaurer und Kirchenmusiker Mozart

Der 1756 in Salzburg geborene Wolfgang Amadeus Mozart gilt zu Recht als einer der bedeutendsten Komponisten der Klassik. Er hat neben seinen Opern auch erstaunlich viele sakrale Werke geschaffen. Doch wie passen seine Mitgliedschaft bei den Freimaurern und seine aufgeklärten Ideen zu seinen kirchenmusikalischen Kompositionen?

Von Alfried Schmitz |
    Der österreichische Komponist Wolfgang Amadeus Mozart nach einem zeitgenössischen Gemälde.
    Der Komponist Wolfgang Amadeus Mozart nach einem zeitgenössischen Gemälde. (dpa / picture alliance / )
    "Wir wissen von seiner eigenen Ehefrau, dass sie gesagt hat, er sei nicht im wirklichen Sinne religiös gewesen. Das bedeutet wohl in erster Linie, dass er kein ganz regelmäßiger Kirchgeher war, außer, wenn er dort musiziert hat", sagt Dr. Ulrich Leisinger vom Salzburger Mozarteum. Doch kann man von dieser überlieferten Aussage Constanzes wirklich darauf schließen, dass Mozart nicht religiös war? Auch der Musikwissenschaftler hat seine Zweifel.
    "Und da müssen wir dann doch sagen, die Hälfte seines Lebens war Mozart Kirchenmusiker."
    Und zwar ein sehr fleißiger, wenn nicht gar besessener. Vor allem in seiner Salzburger Zeit, als er von 1769 bis 1781 in den Diensten der dort amtierenden Fürsterzbischöfe Schrattenbach und Colloredo stand, schrieb er die meisten seiner Messen, Oratorien, Cantaten, Vespern, Sonaten und Litaneien.
    Im Dienst der Kirchenfürsten
    Doch auch schon vorher hatte Mozart erste Kirchenwerke komponiert. Auf der Rückreise von einer großen Westeuropatour, bei der die Eltern ihre beiden musikalisch begabten Kinder Nannerl und Wolfgang in Paris, London, Brüssel oder Amsterdam der Öffentlichkeit präsentiert hatten, machte die Familie 1766 Station im bayerischen Kloster Seeon.
    Speziell für die Gottesdienste der Benediktiner-Mönche dort komponierte der junge Mozart das Offertorium "Scande Coeli Limina".
    "Auch in dieser Zeit hat er seine ersten Messen geschrieben. Als Kind", so Christoph Großpietsch. Er ist ebenfalls Musikwissenschaftler. Wie sein Kollege Leisinger arbeitet auch er am Salzburger Mozarteum.
    "Berühmt ist zum Beispiel die Waisenhausmesse, die für das Waisenhaus am Rennweg in Wien komponiert worden ist."
    Als die Kirche am 7. Dezember 1768 durch den Wiener Fürsterzbischof Christoph Anton Graf Migazzi feierlich eingeweiht wurde, dirigierte der damals zwölfjährige Mozart seine Waisenhaus-Messe in C-Moll selbst.
    Zu weltlich für strenge Kirchenmänner
    "Diese Stücke haben schon den Mozart-Stil. Wie die späteren Werke. Wenn man es vom Religiösen sieht, auch diese freundliche, diese lebenszugewandte Art der Melodieführung, die eine große Weltlichkeit zeigt. Übrigens eine Weltlichkeit, die dann im 19. Jahrhundert bei den strengen Kirchenmusikern, die die alten Werke wieder zurückholen wollten, verpönt war. Das war zu weltlich."
    Die Weltlichkeit war Wolfgang von seinem Vater mit auf den Weg gegeben worden. Leopold Mozart stammte aus Augsburg und aus einer katholischen Familie, die man durchaus als aufgeklärt und dem Neuen aufgeschlossen bezeichnen kann, wie Ulrich Leisinger sagt.
    "Leopold Mozarts Vater war Buchbinder. Und ich glaube schon, dass man damals Bücher nicht nur gebunden, sondern auch durchgeblättert hat. Und da kam seinerzeit natürlich Vieles auf den Tisch dieser Familie Mozart in Augsburg. Augsburg war ohnehin ein wichtiges Kulturzentrum, weil es eine von den wenigen Städten in Deutschland war, wo Protestantismus und Katholizismus wirklich gleichrangig nebeneinander bestanden. Und ich glaube, diese aufklärerischen Tendenzen, die stammen ganz stark daher."
    Der 1719 geborene Leopold Mozart ging 1737 nach Salzburg, um dort Philosophie und Rechtswissenschaft zu studieren. Doch die Leidenschaft für die Musik und sein musikalisches Talent waren so groß, dass er sich dazu entschloss, Berufsmusiker zu werden. Er war ein guter und eifriger Komponist und ein hervorragender Violinist und machte Karriere. Als er festes Mitglied der Hofkapelle wurde, heiratete er 1747 im Salzburger Dom Anna Maria Pertl und gründete mit ihr eine Familie. Die Mozarts nahmen am religiösen Leben der katholischen Stadt Salzburg teil, neigten dabei aber nicht zu übertriebener Frömmelei, sondern unterschieden sich, wie Christoph Großpietsch sagt, in einem wichtigen Punkt von vielen anderen Salzburger Bürgern:
    "Nämlich darin, dass sie sich sehr stark mit dem aufgeklärten Denken befassten. Man sieht das auch an den Büchern, von denen man weiß, dass sie bei den Mozarts waren: Philosophen oder Schriftsteller, die in die Richtung des aufgeklärten Denkens gehen. Das beeinflusst auch die Religiosität. Man fragt nach der Vernunft. Und das ist eine Spannung, die sich da in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auftut, weil dieser vernunftbetonte Gottesglaube immer stärker wird, also das, was man theologisch Deismus nennt.
    Umgeben von aufklärerischen Köpfen
    Erzbischof von Schrattenbach, der großzügige Mentor der Familie Mozart war ein konservativer und sittenstrenger Kirchenfürst. Sein Nachfolger, Hieronymus von Colloredo, jedoch war Anhänger der katholischen Aufklärung. Mehr noch, er soll ein Mitglied des berüchtigten Geheimbundes der Illuminati gewesen sein, der mit aufklärerischen Ideen die Welt verbessern wollte.
    "Und die Mozarts waren eigentlich mittendrin. Sie sind durch ganz Europa gereist. Man hatte das calvinistische Holland gesehen, man hatte das britische Königreich mit der Church of England gesehen, man hatte das katholische Frankreich gesehen, wo natürlich besonders viel Aufklärung und die ganzen Enzyklopädisten zuhause waren und Italien, mit der recht gemächlichen, aber auch sehr weltlich eingestellten katholischen Grundausrichtung."
    Wolfgang Amadeus Mozart war in seiner Salzburger Zeit vor allem aufführender Musiker. Besonders als Kirchenorganist hatte er einen hervorragenden Ruf und war als solcher vielbeschäftigt. Er erhielt aber auch zahlreiche Kompositions-Aufträge von den Kirchenfürsten Schrattenbach und Colloredo. Mehrere Jahre in Folge war Mozart für die Ostermessen verantwortlich. So auch im Jahr 1776.
    Die so genannte "Spatzenmesse" war als Missa Brevis, als kurze Messe angelegt. Mozart hatte als Komponist zwar genügend künstlerische Freiheit, um seine Kirchenwerke zu gestalten, musste sich aber dennoch an bestimmte Regeln halten, die von seinen Auftraggebern eingefordert wurden.
    "Erzbischof Colloredo war kein Freund von ausgedehnten Zeremonien. Und so musste der gesamte Gottesdienst, einschließlich Kirchenmusik und Liturgie in einer dreiviertel Stunden abgehandelt werden."
    Dass es gerade mit dem modern und aufklärerisch denkenden Fürsterzbischof Colloredo zu einem Bruch kommt, ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass ja gerade der junge Mozart ebenso von den neuen und frischen Ideen der Aufklärung angetan ist, wie Colloredo. Doch der Streit mit seinem kirchlichen Arbeitgeber hat laut Ulrich Leisinger keinen religiösen Hintergrund.
    "Wovon Mozart träumte, war das Leben eines freien Musikers. Er wollte nicht Befehlsempfänger sein. Er hätte ja sonst genauso gut versuchen können, an einen von den weltlichen Höfen zu kommen. Kapellmeister bei einem der Adligen, die in Wien ihr Winterpalais hatten, zu werden. Das war nicht sein Ziel, er wollte freier Musiker werden."
    Mozart wird Freimaurer
    Die Weltstadt Wien schien ihm diese Freiheit zu bieten. Dort findet er nicht nur neue musikalische Herausforderungen, neue aufgeschlossene Auftraggeber, sondern auch seine Ehefrau Constanze und den Kontakt zu einer freidenkenden Verbindung, den Freimaurern, sagt Ulrich Leisinger.
    "Ich glaube, dass Mozart zu den Freimaurern durch persönliche Bekanntschaften gekommen ist. Eine Reihe von Musikern, mit denen er in Wien zu tun hatte, die waren Freimaurer. .
    Und Christoph Großpietsch ergänzt: "Er hat sich nicht von der katholischen Kirche verabschiedet, weil er Freimaurer wurde, sondern es war etwas, was zusätzlich hinzugekommen ist, das die Suche gestillt hat nach Begegnungen im Sinne des aufgeklärten Gedankentums.
    Ein Gedanke, der mehr und mehr Besitz von ihm ergreift und auch seine Arbeit als Komponist beeinflusst. Vor allem in den Opern "Die Entführung aus dem Serail" oder "Die Zauberflöte" entdeckt man aufklärerisches Ideengut und freimaurerisches Denken. Librettist der "Zauberflöte" war Emanuel Schikaneder, der nicht nur Mozarts Freund, sondern auch Logenbruder bei den Freimaurern war. Mozarts Verbundenheit zu diesem Bund war so groß, dass er den Freimaurern einen ganzen Liederzyklus widmete.
    Die Freimaurerkantate ist nur eines von vielen Stücken, die Wolfgang Amadeus Mozart für seine Logenbrüder komponiert hat. Er fühlte sich in diesem Bund der Freidenker offensichtlich wohl. In seiner Wiener Zeit hat sich Mozart scheinbar von der katholischen Kirche als Institution mehr und mehr distanziert. Er besucht kaum noch Gottesdienste und veröffentlicht keine Kirchenmusikstücke, so Leisinger.
    "Wenn wir die Kompositionen in Mozarts Wiener Zeit anschauen, gibt es außer der C-Moll-Messe und dem Requiem, eigentlich keine sakralen Werke."
    Mozart scheint sich in den letzten Jahren seines Lebens sehr intensiv mit dem Tod beschäftigt zu haben. Und zwar in einer sehr glaubensbezogenen Art und Weise. In einem Brief an den todkranken Vater, den Mozart am 4. April 1787 nach Salzburg schreibt, heißt es:
    "Mon très cher Père, da der Tod der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freund des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild nicht allein nur Er schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes. Und ich danke meinem Gott, dass er mir das Glück gegönnt hat, ...ihn als den Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit kennenzulernen... Und für diese Glückseligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer und wünsche sie von Herzen, jedem meiner Mitmenschen...
    Auch in einem seiner letzten großen Kompositionswerke, dem Requiem, setzt sich Mozart laut Christoph Großpietsch mit dem Tod auseinander.
    "Wir wissen ja, dass Mozart am Ende seines Lebens diesen Auftrag bekommen hatte, das Requiem zu schreiben und gleichzeitig wohl sehr krank war und Vorahnungen hatte, dass er das Ganze nicht überlebt. Man merkt, dass er das Dies Irae, das im Requiem ganz massiv die Todesangst und die Angst in die Hölle zu gelangen beschreibt. Das ist ein Bespiel dafür, dass er sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat. Was ist mit mir? Wohin gelange ich oder wie kann ich mit so einem Werk dazu beitragen, gerettet zu werden?
    Mozart konnte sich in Wien durchaus auch eine Anstellung im kirchlichen Dienst vorstellen, sagt Ulrich Leisinger. Es war sogar so, "dass sich Mozart für einen kirchenmusikalischen Beruf nicht nur beworben hat, sondern tatsächlich eine Zusage erhalten hatte. Der Kapellmeister am Wiener Stephansdom, Leopold Hofmann, war sehr krank und Mozart bekam die Aussicht auf die Nachfolge. Ironie der Geschichte ist, dass Leopold Hofmann gestorben ist, aber erst wenige Monate nach Mozart."