Archiv

ZDF-Dreiteiler "Der gleiche Himmel"
"Romeo-Agenten" in der DDR

Der Regisseur Oliver Hirschbiegel ist für große Historiendramen wie "Der Untergang" oder "Elser" bekannt. Jetzt hat er eine Fernsehserie entwickelt, die das ZDF nun als Dreiteiler zeigt. Im Zentrum steht ein "Romeo-Agent", der im Auftrag des DDR-Auslandsgeheimdienst Frauen aus dem Westen verführt.

Oliver Hirschbiegel im Corsogespräch mit Tanja Runow |
    Der erste Schritt für Lars Weber (Tom Schilling) ist getan: Er hat seine "West-Wohnung" bezogen.
    Der erste Schritt für Lars Weber (Tom Schilling) ist getan: Er hat seine "West-Wohnung" bezogen. (ZDF / Bernd Schuller)
    Tanja Runow: Es hat gedauert. Aber man bemerkt schon ein gewisses Bemühen in der deutschen Fernsehlandschaft. Angeregt oder besser: aufgerüttelt von den großen internationalen Vorbildern: Eigene, aufsehenerweckende Serien zu entwickeln. Was dabei herauskommt, das ist die entscheidende Frage, die uns hier bei Corso regelmäßig umtreibt. In einem Fall kann man sie vielleicht schon heute Abend ansatzweise beantworten. Da läuft nämlich im ZDF der erste Teil von "Der gleiche Himmel". Einer Produktion, die Anfang des Jahres auch schon bei der Berlinale präsentiert wurde. Als eines von zwei deutschen Highlights beim diesjährigen Serien-Special. Jetzt läuft sie als Dreiteiler im ZDF. Regie geführt hat Oliver Hirschbiegel. Und der ist mir jetzt aus Wien zugeschaltet. Guten Tag.
    Oliver Hirschbiegel: Guten Tag.
    Runow: Herr Hirschbiegel. "Der gleiche Himmel" führt uns in die siebziger Jahre, erzählt verschiedene Einzelgeschichten, die miteinander verwoben sind. Sehr prominent ist die eines sogenannten "Romeo-Agenten", der vom DDR-Auslandsgeheimdienst eingesetzt wird, um über Westfrauen an Geheimdienstinformationen der Briten oder der Amerikaner zu kommen. Inwiefern beruht denn dieser Teil auf Recherchen und was ist über diese Romeo-Agenten bis heute bekannt?
    Hirschbiegel: Also, der Fall an sich - die ganze Geschichte - ist erfunden, basiert aber auf unzähligen, verschiedenen wahren Ereignisse. Und was wir wissen über die Romeo-Agenten ist halt, dass die wirklich sehr detailliert vorbereitet worden sind auf ihren Auftrag. Das sieht man gleich am Anfang der ersten Folge, also es macht ein Schmunzeln und Lachen sogar. Die Stasi hat nichts dem Zufall überlassen: Egal, in welchem Bereich die Stasi operiert hat, sind die mit deutscher Gründlichkeit vorgegangen. Das besondere an diesen Romeo-Agenten war halt, die waren sehr erfolgreich muss man sagen. Dass die natürlich nicht nur einfach Spione, Agenten waren, sich verstellen mussten, sondern auch ihr Herz verstellen mussten. Also das ist natürlich eine unglaubliche seelische Belastung, jemanden auf emotionaler Ebene so zu manipulieren, dass er Geheimnisse freigibt.
    Oliver Hirschbiegel beim 43. Deutschen Filmball 2016 im Hotel Bayerischer Hof, München.
    Der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel. (imago / Future Image)
    Runow: Ist natürlich ein sehr schöner Filmstoff.
    Hirschbiegel: Na ja. Man muss sagen, es geht halt nicht nur um Spionage hier, sondern der Lars - so heißt die Figur - ist ja Teil einer Familie, einer geteilten Familie in dieser geteilten Stadt Berlin 1974. Es ist am Ende des Tages eben auch ein klassisches Familiendrama.
    "Die Welten waren schon sehr verschieden"
    Runow: Der Romeo-Agent in Ihrem Film, der ist ja sehr jung. Ich glaube ein Schulabgänger, wird gespielt von Tom Schilling, haben Sie gesagt. Und ich sah das und dachte, so sieht jetzt der deutsche James Bond aus. Also so ein Babyface, im biederen Anzug, immer so ein bisschen steif. Er kriegt die Frauen dann schon rum, aber man muss fast so ein bisschen mit ihm bangen oder?
    Hirschbiegel: Na ja, die Idee, Tom für diese Rolle zu besetzen, hatte ich natürlich nicht nur, weil er ein exzellenter Schauspieler ist und einer der wenigen wirklichen 'Männer', die ich kenne. Das Target ist diese etwas ältere Frau, die Mutter eines Jungen ist. Und die Frage ist: Sie ist sehr intelligent, sehr gebildet. Wen würde ich als Stasi-Offizier einsetzen auf diese Frau, ohne auch nur das kleinste Risiko eingehen zu müssen, dass vielleicht die Absicht erkannt wird. Und da bin ich ganz schnell bei einem Mann gelandet, der etwas jünger ist, der gebildet, intelligent und charmant. Und der Witz ist ja, dass er - wenn man jetzt alle Folgen anschaut - der kommt natürlich auch, obwohl die ausgebildet wurden für ihren Einsatz im Westen, er kommt aus dem Osten. Und da ist natürlich immer so ein Faktor von Nichtwissen und eine gewisse Unsicherheit, weil die Welten waren schon sehr verschieden. Und all das wollte ich halt mit dem Tom rüber kriegen insofern, dass der erst so ein bisschen clumsy ist, ein bisschen umständlich, unbeholfen, ja. Aber auf eine charmante Art und Weise, was dann wiederum dem Einsatz hilft und im Verlauf der Geschichte wird er einfach immer mehr zum Mann. Also er ist dann kein James Bond mit Babyface mehr, sondern wird dann plötzlich zu einem deutschen Alain Delon.
    "Natürlich geht das weiter"
    Runow: Und diese ganze Geschichte, wie wir sie jetzt im ZDF erleben können, die umfasst drei Teile. Ich habe mir die vorab angesehen und ich muss sagen, als der letzte zu Ende war und so der Abspann lief, dachte ich, das kann es ja jetzt noch nicht gewesen sein. Da bleibt so viel in der Luft hängen. Und erst später habe ich dann gelesen, Sie haben das eigentlich als Fortsetzungsgeschichte, also als Serie konzipiert. Soll es da nach dem dritten Teil noch weitergehen oder war das jetzt eigentlich das Ende der ersten Staffel, was ich da gesehen habe?
    Hirschbiegel: Nein, also was die Paula Milne entwickelt hat mit der Beta zusammen, ist ja eine Mini-Serie. Und die ist geplant zwischen elf und zwölf Folgen. Und was wir jetzt gedreht haben ist halt die Geschichte quasi in den drei, respektive weltweit halt in sechs einzelnen Folgen, bis zu einem bestimmten Punkt. Und es werden bis zu einem bestimmten Punkt eigentlich letztlich auch alle Stränge soweit auserzählt, bis auf einen, den ich natürlich jetzt nicht erzählen darf, weil das wär ja dann ein sogenannter 'Spoiler'. Und natürlich geht das weiter, das ist ja klar.
    Wir haben noch länger mit Oliver Hirschbiegel gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Runow: Und wissen Sie schon, wann es weiter geht? Ist ja ein bisschen schwer auszuhalten jetzt.
    Hirschbiegel: Das geht wahrscheinlich relativ rasch weiter, jaja. Also wir müssen es jetzt natürlich erstmal drehen. Also die Bücher habe ich schon gelesen, es fehlen noch zwei Folgen. Und es wird eher noch spannender.
    Runow: Und es gibt auch einen internationalen Vertrieb bei Netflix unter dem Titel "The Same Sky". Wird es dann da sofort alle Folgen geben?
    Hirschbiegel: Ja, die Sender wie Netflix gehen sofort auf den Markt, jetzt mit diesen sechs einzelnen Folgen. Also in Deutschland zeigen wir ja drei Neunziger, da werden die beiden Folgen zusammengekoppelt.
    Runow: Es sind immer so Doppelfolgen letztlich.
    Hirschbiegel: Ja. Im Rest der Welt läuft es halt so wie es üblich ist, immer in Folgen, so zwischen 45 und 50 Minuten. Und Netflix UK fangen sofort an zu senden morgen - also senden sagt man ja nicht - also stellen das Programm online. Und das gilt meines Wissens auch für den Rest der Welt. Wir haben ja die Filme erstaunlich erfolgreich verkauft weltweit, ich glaube inzwischen 127 Länder gekauft. Also nicht nur Netflix. Netflix schon in vielen anderen Ländern, aber auch andere Sender natürlich.
    "Ausländische Sender sind flexibler"
    Runow: Und wie muss so eine Serie gestrickt sein, damit die auch international funktioniert?
    Hirschbiegel: Ja, sie darf sich auf keinen Fall dem internationalen Markt anbiedern. Also mir war halt wichtig, dass ich eine authentisch, deutsche Geschichte erzähle. Aber eben mit universalem Inhalt und einer universalen Dramaturgie. Und Paula Milne ist halt eine sehr erfahrene Fernsehautorin, seit 50 Jahren muss man jetzt sagen. Und diese Bücher sind einfach brillant gebaut und die Figuren sind sehr gut entwickelt. Und die Konflikte, die man sieht, sind nicht nur deutsche, sondern in die kann sich jeder, auch wenn er ganz woanders aufgewachsen ist - als Vater, Mutter, Tochter, Bruder, Sohn - genauso reindenken, wie jetzt ein Deutscher, der in dem Fall eben auch seine eigene Geschichte sieht.
    Runow: Vor ein paar Tagen haben Sie beklagt, dass es immer noch sehr schwierig sei, in Deutschland oder Österreich gute Serien zu machen. Dass es da unter anderem einfach keine Sendeplätze für gäbe. Woran liegt denn das?
    Hirschbiegel: Ja, das weiß ich nicht genau. An sich ist es halt so, dass weltweit ja Serien so ausgestrahlt werden, dass sie halt in den Einzelfolgen gesendet werden, also die 45 oder die 50 Minuten, und zwar zur Hauptsendezeit. Das gibt es halt bei uns noch nicht wirklich so. Ich glaube, es gibt eine Schiene jeweils bei den öffentlich-rechtlichen Sendern Freitags. Da werden dann bestimmte Formate, die senderspezifisch sind, gezeigt. Ich glaube, es ist strukturell wahnsinnig schwierig, im deutschen System da was zu ändern. Es kann sein, dass die ausländischen Sender da flexibler sind.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.