"Bei Böhmermann, der 'heute-show', der 'Anstalt' und bei 'toll' werden Politiker notorisch so angegangen, dass sie beleidigt sein könnten", schreibt der Redakteursausschuss in seinem Brief, den das Medienmagazin DWDL im Wortlaut veröffentlichte. "Wir plädieren dafür, einheitliche Maßstäbe anzulegen, Personen der Zeitgeschichte müssen sich bitterböse Satire gefallen lassen. Wir würden es begrüßen, wenn die "Schmähkritik" vom Giftschrank wieder in die Mediathek gestellt wird. Als Dokument der Zeitgeschichte."
ZDF-Leitung bleibt bei ihrer Haltung
Weiter heißt es in dem Brief, der Fall Böhmermann habe zur Verunsicherung bei Programmmachern geführt. Dabei gehe es um die Frage, gegen welche Qualitätskriterien das Gedicht verstößt und wie weit Satire im ZDF gehen darf. Der Redakteursausschuss schlägt dazu eine Diskussion zwischen Programmgestaltern und Verantwortlichen des Hauses vor. Schon vorher hatten sich mehrere Künstler solidarisch mit Böhmermann gezeigt.
Der ZDF-Sprecher teilte mit, es sei das gute Recht des Redakteursausschusses, diese Meinung zu vertreten. "Das ZDF bleibt aber bei seiner Entscheidung, das umstrittene Schmähgedicht nicht mehr zu verbreiten, weil die Passage nicht den Qualitätsansprüchen und Regularien des ZDF entspricht."
Sender hält Gedicht für rechtlich zulässig
Im juristischen Streit stellt sich der Sender aber hinter Böhmermann. Der Sender erklärte in einer Stellungnahme gegenüber der Mainzer Staatsanwaltschaft, dass er das umstrittene Schmähgedicht Böhmermanns über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan für rechtlich zulässig halte. Der Sender stützte sich dabei auf eine Expertise der Kanzlei Redeker Sellner Dahs, wie der Sender am Donnerstag mitteilte. "Diese kommt zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Sequenz einschließlich des so genannten 'Schmähgedichts' rechtlich zulässig war und daher die Grenzen zur Strafbarkeit nicht überschritten worden sind."
Die grundgesetzlich garantierte Satirefreiheit umfasse demnach gerade im Zusammenhang mit Angelegenheiten von öffentlichem Interesse auch den Einsatz "grober Stilmittel, unabhängig davon, ob sie persönlichen oder allgemeinen geschmacklichen Vorstellungen entsprechen", hieß es in der ZDF-Erklärung. Es liege "im Wesen der Satire, durch gezielte Überzeichnungen, die auch darauf angelegt sind, Emotionen und Reaktionen beim Publikum auszulösen, auf ein Thema aufmerksam zu machen und Kritik zu üben".
Staatsaffäre Böhmermann
Unter diesem Link finden Sie das Gedicht von Jan Böhmermann in Wort, Bild und Abschrift. Die Diskussion ist verengt auf ein paar Wörter. Sie sollen das Ganze kennen, um die Diskussion beurteilen zu können und um sich ihre eigene Meinung zu bilden. Das ist immer Ziel unserer journalistischen Arbeit. Außerdem finden sie an dieser Stelle eine Chronologie der Ereignisse.
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Böhmermann verweigert Unterlassungserklärung
Böhmermann will derweil nicht die von Erdogans Anwalt gefordert Unterlassungserklärung abgeben. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz bestätigte dies der Deutschen Presse-Agentur. Er habe Erdogans Anwälten mitgeteilt, es sei "offensichtlich übersehen worden, dass das Gedicht nicht solitär verbreitet wurde, sondern in einer Gesamtdarstellung über das, was in Deutschland erlaubt ist und was nicht".
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat einen Strafantrag nach Paragraph 185 Strafgesetzbuch gegen den ZDF-Satiriker gestellt. Die Bundesregierung prüft außerdem einen förmlichen Wunsch der Türkei nach einer Strafverfolgung Böhmermanns wegen der Beleidigung eines Staatsoberhaupts nach Paragraph 103 des deutschen Strafgesetzbuchs, eine Entscheidung hierüber steht noch aus. Böhmermann hatte sich in einem Schmähgedicht vor zwei Wochen in der Sendung "Neo Magazin Royale" über Erdogan ausgelassen. In dem Zusammenhang wies Böhmermann aber darauf hin, das auch dies in Deutschland nicht erlaubt sei. Seit seinem Amtsantritt als Staatschef im Sommer 2014 hat Erdogan in der Türkei fast 2.000 Strafverfahren wegen Präsidentenbeleidigung einleiten lassen. Das betrifft politische Gegenspieler genauso wie Menschen in sozialen Netzwerken.
Böhmermanns geplante folgende Ausgabe des "Neo Magazin Royale" wurde nicht produziert. Auch Böhmermanns Radiosendung "Sanft und Sorgfältig" bei radioeins mit dem Musiker Olli Schulz wurde abgesagt. Der Satiriker steht unter Polizeischutz.
(nch/tk)