FSME und Borreliose
So gefährlich sind Zecken

Im Frühling zieht es Menschen ins Grüne - doch dort lauern auch Zecken. Die Parasiten können Krankheiten wie Borreliose oder FSME übertragen. Zecken profitieren auch vom Klimawandel: Eine tropische Art wird heimisch. Wie kann man sich schützen?

    Nahaufnahme einer Zecke: Ein "Gemeiner Holzbock" (Ixodes ricinus), sitzt auf einem grünen Blatt.
    Kann FSME und Borreliose übertragen und ist am weitesten in Deutschland verbreitet: die Zecke der Art "Gemeiner Holzbock" (Ixodes ricinus). (Imago / blickwinkel / W. Willner)
    Es gibt sie in Wäldern, aber auch in Stadtparks, Gärten und auf Hinterhöfen: Zecken warten einfach darauf, mitgenommen zu werden. Man streift sie im Vorbeigehen von Gräsern oder Blättern ab. Das ist nicht ungefährlich, denn sie können bestimmte Viren und Bakterien übertragen und zum Beispiel Hirnhautentzündung auslösen.
    Das Problem: Der Klimawandel führt dazu, dass Zecken nicht mehr erst ab dem Frühjahr aktiv sind, sondern das ganze Jahr über. Und eine ursprünglich in den Tropen heimische Art breitet sich auch in Deutschland aus: Die Hyoloma-Zecke kann ihre Wirte sogar verfolgen. Doch man ist den Spinnentieren nicht schutzlos ausgeliefert.

    Inhaltsverzeichnis

    Welche Gefahr geht von Zecken aus?

    Experten sprechen von einem Zeckenstich und nicht von einem Zeckenbiss: Der Parasit schneidet ein kleines Loch in die Haut, geht mit seinem Stechapparat in die Wunde hinein und saugt Blut. Dabei kann eine Zecke Krankheitserreger auf den Menschen übertragen, zum Beispiel das Virus der Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME. Für das Jahr 2023 registrierte das Robert Koch-Institut für ganz Deutschland 527 Fälle, nach 627 im Jahr 2022. Trotz des Rückgangs raten Experten zur Vorsicht. "Der längerfristige Trend zeigt deutlich nach oben", betont Rainer Oehme, Laborleiter des Landesgesundheitsamts im baden-württembergischen Gesundheitsministerium.

    Gegen FSME kann man impfen, gegen Borreliose nicht

    Die FSME kann schwer und sogar tödlich verlaufen. Symptome sind hohes Fieber, starke Kopfschmerzen, Nackenstarre, manchmal auch Erbrechen. Bei bestimmten Formen kann es nach Angaben des Mediziners Gerhard Dobler zu epileptischen Anfällen, Orientierungs- und Sprechstörungen und zu Bewusstseinseintrübungen bis hin zum Koma kommen. Im schwersten Stadium seien der Hirnstamm und das Rückenmark betroffen. Dann seien Lähmungserscheinungen möglich, die nicht mehr weggehen, auch wenn man die Krankheit überlebt.
    Die häufigste von Zecken übertragene Krankheit ist allerdings die Lyme-Borreliose, die von Bakterien der Art Borrelia burgdorferi verursacht wird. Schätzungen zufolge kommt es jährlich zu 60.000 bis 100.000 Neuerkrankungen.
    Die Borreliose kann laut RKI verschiedene Organsysteme betreffen. Mitunter ist man sein Leben lang auf Schmerzmittel angewiesen. Oft kommt es einige Tage oder Wochen nach dem Zeckenstich zur sogenannten Wanderröte: Die ringförmige Hautrötung wandert dann allmählich nach außen. Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen sowie Müdigkeit können hinzukommen. Weitere Symptome sind vielfältig: von brennenden Nervenschmerzen über Taubheitsgefühle, Seh- und Hörstörungen bis hin zu Gelenkentzündungen. Letztere können noch Monate oder Jahre nach dem Zeckenstich auftauchen.
    Im Gegensatz zu FSME gibt es keine Schutzimpfung gegen Borreliose. Die gute Nachricht: Frühzeitig behandelt, helfen Antibiotika gegen die bakteriell übertragene Erkrankung.

    Wie kann man sich schützen?

    Zecken leben in der Bodenvegetation bis zu einer Höhe von etwa einem Meter. Deshalb sollte man in der Natur lange Kleidung tragen und am besten die Hosenbeine in die Strümpfe stecken. Auch im Sommer. Auf hellen Sachen kann man Zecken zudem besser erkennen.
    Da die Blutsauger auch in neun von zehn Privatgärten vorkommen, empfehlen Experten Hobbygärtnerinnen und -gärtnern, sich des Risikos bewusst zu sein. Man könne mithilfe eines Bettlakens versuchen herauszufinden, ob Zecken vorhanden seien, so die Parasitologin Dania Richter. Gegen die Tiere wirkten oft auch Mückensprays, allerdings nur einige Stunden.
    Gleich ob Spaziergang oder Gartenarbeit: Man sollte beides grundsätzlich mit einer genauen Körperinspektion beschließen. Zecken stechen nicht sofort wie Mücken, sondern sie krabbeln oft mehrere Stunden auf der Haut, um sich dann eine optimale Stelle zum Blutsaugen zu suchen. Steckt der Parasit schon in der Haut fest, gilt das Motto: So schnell wie möglich raus damit und nicht erst abwarten, bis ein Arzt das am nächsten Tag übernimmt.
    Zumal FSME bereits in den ersten Minuten nach dem Zeckenstich übertragen wird, wie die Parasitologin Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim betont. Bei Borrelien dauere es dagegen zwölf bis 15 Stunden. „Gerade bei den Borrelien ist es von ganz entscheidender Bedeutung, dass man Zecken, die zugestochen haben, so schnell es geht entfernt“, betont Mackenstedt.

    Was bringt eine Impfung?

    Gegen FSME kann man sich impfen lassen – und sollte das laut RKI auch tun, wenn man in einem Risikogebiet lebt oder dort Urlaub machen will. Drei Impfungen sind demnach in der Regel vorgesehen: Nach der ersten Dosis besteht noch kein Impfschutz, nach der zweiten ist man für rund ein Jahr zu 82 Prozent, nach der dritten zu 97 Prozent geschützt. Und dies für mindestens drei bis fünf Jahre. Das RKI verweist auf Studien, wonach der Impfschutz auch fünf bis zehn Jahre nach der Grundimmunisierung noch sehr gut sei. Von den Menschen, die an FSME erkrankten, war fast keiner geimpft.
    „Wir haben leider nach wie vor sehr niedrige Impfquoten“, bedauert Susanne Glasmacher vom RKI. Selbst in den „allerbesten Landkreisen“ liege die Quote bei Erwachsenen unter 40 Prozent.

    Wo gibt es Risikogebiete in Deutschland?

    FSME-Risikogebiete sind vor allem die südlichen Bundesländer: Bayern und Baden-Württemberg. Die Risiken verschieben sich jedoch immer weiter nach Norden: nach Hessen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt hinein.
    Karte FSME-Risikogebiete in Deutschland.
    Zecken FSME-Risikogebiete in Deutschland. (Robert Koch Institut)
    Das RKI hat 2023 drei neue Risikogebiete ausgewiesen, die jeweils an die bekannten angrenzen: eines in Sachsen-Anhalt, zwei in Bayern.

    Welche Zeckenarten sind in Deutschland verbreitet?

    In Deutschland ist der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) die für den Menschen gefährlichste Zeckenart. Es gibt ihn überall, und er ist der Wirt für Borrelien und FSME-Viren.
    Vor allem in Ostdeutschland kommt zudem die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) vor, die sich allerdings immer weiter nach Westen bis zum Rhein ausbreitet. Erste Funde gibt es auch schon dicht an der Ostsee: „Das war bis vor einigen Jahren noch undenkbar“, sagt der Biologe Olaf Kahl vom Portal Zecken-Radar.
    Ihr Name ist irreführend, denn sie lebt eher auf Wiesen und bildet am Gras sogar ganze Trauben, wie Experte Gerhard Dobler berichtet.
    Eine männliche Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) in Seitenansicht sitzt auf einem Blatt.
    Zwischen Oder und Rhein heimisch und bereits in Ostsee-Nähe gesichtet: Die Auwaldzecke kann Hunden gefährlich werden. (imago / blickwinkel )
    Die Auwaldzecke ist das ganze Jahr über aktiv und vor allem für Hunde eine Gefahr, denn sie überträgt die Babesiose, die so genannte „Hunde-Malaria“. Diese schwere, fieberhafte Infektion könne tödlich verlaufen, warnt Dobler. Dass dieser Parasit auch Menschen sticht, kommt bisher zwar nachgewiesenermaßen sehr selten vor. Grundsätzlich aber kann die Auwaldzecke auch FSME übertragen.
    Durch die heißen Sommer findet sich in Deutschland immer öfter eine Zeckenart, die eigentlich im Mittelmeer-Raum und in Afrika heimisch ist: die Hyalomma-Zecke. Im Jahr 2019 wurden hierzulande 150 Exemplare registriert. Sie werden von Zugvögeln mitgebracht und können bis zu zwei Zentimeter groß werden.
    Nahaufnahme einer dicken tropischen Hyalomma-Zecke, die zwischen 2 Fingern gehalten wird.
    Gefangen nach der Blutmahlzeit: Die tropische Hyalomma-Zecke folgt der CO2-Spur von Wirtstieren und rennt ihnen hinterher. (Imago / Panthermedia / fotofranky )
    Verendeten die Tiere bisher immer schnell, können sie mittlerweile ihren biologischen Kreislauf auch hierzulande vollenden. Was sie von heimischen Zeckenarten unterscheidet: Sie rennen Wirten wie Pferden, Schafen oder Rindern hinterher, weil sie deren Bodenerschütterungen spüren. Dabei folgen sie laut Gerhard Dobler der CO2-Spur dieser Tiere. Auch der Mensch kann Wirt sein.
    Hyalomma-Zecken sind in ihren klassischen Verbreitungsgebieten Überträger des Krim-Kongo Hämorrhagischen Fiebers, das Ebola ähnelt. Eine ernsthafte Bedrohung sieht die Virologin Petra Emmerich vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg aber eher nicht: Dass ein Zugvogel eine infizierte Zecke fallen lässt und diese dann einen Menschen sticht, hält sie zwar nicht für ausgeschlossen, aber doch für unwahrscheinlich.

    Warum ist der Winter keine zeckenfreie Zeit mehr?

    Es ist eine Folge der Erderhitzung: Zum zwölften Mal hintereinander war der Winter 2022/23 in Deutschland zu warm – 2,9 Grad über dem langjährigen Mittelwert laut dem Deutschen Wetterdienst. Für den Winter 2023/24 liegen noch keine abschließenden Daten vor, sie dürften den Trend jedoch bestätigen. Damit sind Winter keine absolut zecken-freie Zeit mehr – es sei denn, es gibt einmal eine geschlossene Schneedecke.
    Die Blutsauger sind ab acht Grad Celsius aktiv. Am wohlsten fühlen sie sich bei Temperaturen zwischen 15 und 25 Grad. „Zecken sind mittlerweile ein ganzjähriges Problem geworden“, konstatiert Experte Gerhard Dobler. Vielleicht ein – wenn auch geringer – Trost der Parasitologin Ute Mackenstedt: „Die Auwaldzecke hat allerdings noch eine Sommerpause, weil sie die hohen Temperaturen nicht ganz so gut verträgt.“