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Zehn Jahre Elternzeit
"Ein Drittel der Väter rechnet mit Karrierenachteilen"

Mit der Einführung des Elternzeitgesetzes vor zehn Jahren bekamen Mütter und Väter die Möglichkeit, nach der Geburt eines Kindes ihre Berufstätigkeit zu unterbrechen. Viele sprechen heute von einer Erfolgsgeschichte. Doch vor allem Väter hadern noch immer mit dem Angebot, sagte Volker Baisch vom "Väter Netzwerk NRW" im DLF.

Volker Baisch im Gespräch mit Jörg Biesler | 20.01.2017
    Ein Vater bei der Arbeit: Immer mehr Männer gehen in Elternzeit, allerdings steigen die meisten nur für zwei Monate aus dem Job aus.
    Immer mehr Männer gehen in Elternzeit, allerdings steigen die meisten nur für zwei Monate aus dem Job aus. (picture alliance / dpa)
    Jörg Biesler: Seit zehn Jahren gibt es sie nun, die Elternzeit, und noch immer sind es vor allem Mütter, die für die Kindererziehung zu Hause bleiben. Ein Hindernis für mehr Väter in der Elternzeit ist sicher die Tatsache, dass Männer häufig doch noch mehr verdienen als Frauen, und es darum eigentlich finanziell unattraktiv ist, das haben wir auch vorhin im Beitrag gehört. Die Väter stärker einzubinden , bleibt also weiter eine Aufgabe, eine Aufgabe, der sich auch das Väternetzwerk widmet, ein Zusammenschluss von Unternehmen, die Vätern dabei helfen wollen, beide Rollen in Beruf und Familie auszufüllen. Volker Baisch ist Initiator des "Väter Netzwerks NRW". Ich habe ihn vor der Sendung gefragt, was denn die Unternehmen eigentlich davon haben?
    Volker Baisch: Ja, die Unternehmen haben insofern loyale und sehr … ja, Mitarbeiter, die dann tatsächlich auch nach den zwei oder drei oder vier Monaten dann auch zurückkommen, die extrem motiviert sind und auch dankbar sind. Also, weil es natürlich auf der einen Seite bei den Großunternehmen schon eine Selbstverständlichkeit ist auch, dass Väter zumindest die zwei Monate nehmen, aber gerade im Mittelstand oder auch in kleineren Unternehmen, da ist es noch eher die Ausnahme. Also, reden wir tatsächlich über Handwerks-, über kleine Betriebe, ist es natürlich relativ schwierig tatsächlich auch, einen Vorarbeiter, einen Meister oder einen ITler tatsächlich ohne Bedenken zwei, drei Monate auch aus der Verantwortung zu entlassen.
    Insofern ist das ein Motivationsfaktor und es ist natürlich aber auch eine Frage von Partnerschaftlichkeit. Weil, es ist ja oft so, dass tatsächlich, wenn die Väter auch in Elternzeit gehen, auch die Eingewöhnung tatsächlich auch schon machen für die Kita, dann hat die Frau, also die Partnerin im Prinzip auch die Möglichkeit, dann wieder einzusteigen. Also, insofern hat vielleicht das Unternehmen nicht direkt was davon, aber wenn Frauen tatsächlich auch früher zurückkommen wollen, dann müssen Väter länger aussteigen.
    "Nicht viele Unternehmen haben tatsächlich eine Strategie"
    Biesler: Was passiert denn da konkret in den Unternehmen? Also, was machen die? Sagen die einfach: Ist kein Problem, wenn du in Elternzeit gehen willst, geh mal, dein Arbeitsplatz ist dir sicher, deine Karrierechancen auch? Oder gibt es noch mehr?
    Baisch: Ja, das ist leider nicht so ganz so einfach. Es gibt noch nicht viele Unternehmen, die tatsächlich wirklich so eine Strategie haben, also wo Mitarbeitergespräche rechtzeitig geführt werden, wo so was strategisch vorbereitet wird, wo es auch tatsächlich dann Vertretungsregelungen gibt. Das hängt immer noch sehr stark von dem Vorgesetzten direkt ab, sprich, wenn der tatsächlich auch vielleicht selber Kinder hat, vielleicht sogar selber auch in Elternzeit war oder Verständnis hat, dann ist das oft ein Selbstgänger. Aber das ist leider nicht die Regel.
    Wir wissen aufgrund eigener Befragung, dass ungefähr ein Drittel der Väter tatsächlich auch mit Karrierenachteilen rechnet, wenn sie tatsächlich auch in Elternzeit gehen. Das ist de facto nicht immer so, aber vieles spielt sich auch in den Köpfen der Väter ab. Und deshalb haben wir auch diese Väternetzwerke in den Unternehmen gegründet, damit die sich austauschen, damit sie untereinander tatsächlich sich auch gute Ratschläge, gute Tipps auch weitergeben können, sodass sie sicher sein können, dass sie tatsächlich auch keine Nachteile haben.
    Biesler: Ja, Sie haben gerade die Probleme geschildert, die es sozusagen in der Ebene gibt, also die in den kleinen Unternehmen vor allen Dingen vorherrschen. Und da hat man ja so ein bisschen das Gefühl, die lassen sich gar nicht ausräumen. Wenn das ein kleines Unternehmen ist, dann kann da schwierig auf jemanden verzichtet werden, selbst nur für zwei Monate. Haben Sie denn Hoffnung in der Zukunft, dass sich daran überhaupt irgendwas ändert? Gibt es da Möglichkeiten und Stellschrauben, die möglicherweise auch der Gesetzgeber hätte?
    Baisch: Ja, eine ganz wichtige Stellschraube ist, wie Sie schon sagten, diese zwei Monate, was ja auch in den großen Unternehmen eher die Regel ist, so. Und das, was die Eltern, die Väter, die Mütter aber auch brauchen, ist eher die Flexibilität und das mobile Arbeiten. Also die Möglichkeit, tatsächlich wirklich mal früh Schluss zu machen, 14 Uhr, 15 Uhr auch zu gehen, aber dann vielleicht dann doch später auch noch mal den Laptop aufzumachen, was vorzubereiten oder tatsächlich auch mal an einem Samstag zu arbeiten. Also, das sind Möglichkeiten, die Eltern wirklich unterstützen.
    Und da kann die Politik insofern unterstützen, und das ist ja auch eine Initiative gerade von Andrea Nahles, die jetzt versucht, den Rückkehranspruch auch einzuführen, das heißt, wenn man tatsächlich in Vollzeit ist wie ein Vater und dann in Teilzeit geht, dann ist oft die Angst auch der Väter gerade, dass sie tatsächlich nicht mehr zurück können. Also, insofern, das ist eine ganz, ganz wichtige politische Initiative und halt diese Flexibilisierungsmöglichkeiten über Homeoffice, über mobiles Arbeiten, wo die Väter, aber auch die Mütter sehr, sehr dankbar sind für, und die das unglaublich unterstützt. Das melden sie uns immer noch zurück.
    "Man muss sehen, dass wir da viel Nachholbedarf haben"
    Biesler: Zehn Jahre Elternzeit. Man kann nicht sagen, dass gar nichts erreicht wurde, aber 34 Prozent der Väter gehen nur in Elternzeit. Das ist doch weniger, als sich der Gesetzgeber wahrscheinlich auch vor zehn Jahren erhofft hat. Wenn Sie jetzt mal spekulieren und zehn Jahre in die Zukunft gucken, wird es dann anders aussehen oder lässt sich daran gar nicht viel machen?
    Baisch: Na ja, ein Problem mit dem Elterngeldgesetz war ja tatsächlich irgendwie, dass man diese zwei Monate festgeschrieben hat, so. Wenn Sie zum Beispiel nach Skandinavien gucken, nach Norwegen, Schweden, wie auch immer, weshalb da heute 80, 90 Prozent der Väter in Elternzeit gehen, lag oft daran, dass sie tatsächlich auch die Zeit der Väter immer wieder hochgeschraubt haben. Und das hat dazu geführt, dass es immer wieder auch in den Medien, in der Gesellschaft auch diskutiert worden ist. Das ist das, was tatsächlich auch uns hier in Deutschland auch gefehlt hat. Wir sind allerdings auch über dieses eine Drittel der Väter, die jetzt in Elternzeit sind, schon sehr glücklich. Man muss ja sehen, dass wir wirklich da sehr viel Nachholbedarf haben, und auch solche Gesetze brauchen einfach auch Zeit. Also, wir werden in zehn Jahren tatsächlich weit über 50 Prozent sein, vielleicht auch 60, das hängt aber auch jetzt mit dem Gesetzgeber zusammen, ob er die Vätermonate, also die sogenannten, die Partnerschaftsmonate vielleicht auch erhöht oder vielleicht sogar auch, so wie in anderen Ländern, wie Island, auch gerecht aufteilt, tatsächlich auch paritätisch, wo sich die Paare dann wirklich die Elternzeit auch teilen können.
    Biesler: Volker Baisch, Initiator des "Väter Netzwerks NRW", zu Vätern in Elternzeit heute und morgen. Danke schön!
    Baisch: Ja, vielen Dank, Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.