Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bunds, zieht eine positive Bilanz zum zehnjährigen Jubiläum des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, kurz AGG: "Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist eine der großen menschenrechtlichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte in Deutschland. Es hat ein deutlich stärkeres Bewusstsein dafür geschaffen, was Diskriminierungen sind und dass es einer Gesellschaft schadet, wenn sie Vielfalt nicht achtet."
Während der Gleichheitssatz des Grundgesetzes im Wesentlichen den Staat bindet, versucht das AGG, Diskriminierungen aus rassistischen Gründen, wegen der Herkunft, des Geschlechts, Religion und Weltanschauung, Behinderung, des Alters oder sexueller Identität auch im Arbeits- und Privatrechtsverkehr einzudämmen. Wie weit das gelingt, ist schwer zu messen. Wie viele Gerichtsverfahren es seit 2006 gegeben hat, ist nicht bekannt, veröffentlicht sind etwa 1.400 Entscheidungen, zu 90 Prozent im Arbeitsrecht. Nach einer Befragung bei Arbeitsgerichten hatten vor fünf Jahren zwei Promille der Verfahren einen Bezug zum AGG. Heute sagt die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Lüders: "Allein an unsere Beratungsstelle haben sich seit 2006 mehr als 15.000 Menschen gewandt, 27 Prozent der Fälle betreffen dabei Behinderung, 23 Prozent ethnische Herkunft und Geschlecht, 20 Prozent das Alter und jeweils etwa 5 Prozent sexuelle Orientierung sowie Religion und Weltanschauung."
Kritik an Forderung nach schärferen Regeln
Gleichzeitig haben nach einer Umfrage ihrer Stelle 31 Prozent der Menschen in Deutschland schon Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht. Im Büro für Recht und Wissenschaft sieht man deshalb Handlungsbedarf. Die Experten sollten für Lüders Stelle das Gesetz bewerten. Untersuchungen, warum es nicht besser angenommen wird, gibt es nicht. Christine Lüders vermutet, dass viele nicht um die Möglichkeiten wüssten. Alexander Klose von dem auswertenden Politikberatungsbüro will Verfahren vereinfachen. Fristen für die Anzeige sollen demnach verlängert werden. Betroffene sollen nicht in jedem Fall selbst klagen müssen. "Wir empfehlen erstens eine gesetzliche Prozessstandschaft, also die Möglichkeit, das Recht einer diskriminierten Person im eigenen Namen geltend zu machen, und zweitens sollen qualifizierte Anti-Diskriminierungs-Verbände ein echtes Verbandsklagerecht erhalten. Damit hätten sie dann die Möglichkeit, einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot auch dort gerichtlich feststellen zu lassen, wo es noch keine individuell Betroffenen gibt."
Außerdem fordern die Experten, dass der Schutz des Gesetzes auch dann nicht verloren gehen soll, wenn nicht Leiharbeiter beschäftigt, sondern stattdessen Werkverträge abgeschlossen werden. Und der Schutz solle auch dann weiter gelten, wenn statt Vermietern oder Arbeitgebern Makler oder Personalvermittler die Verträge schließen. Michael Fuchs lehnt solche Vorschläge ab. Auch die Idee der Prozessstandschaft kritisierte der CDU-Wirtschaftspolitiker am Morgen in der ARD: "Ich bin dagegen, dass wir so eine Art Sittenpolizei in Deutschland aufbauen. Das heißt also, irgendwelche Anwaltskanzleien machen ein Geschäftsmodell daraus und fangen an, einen Verband zu gründen und klagen dann auf Teufel komm raus."
Kritisch sehen die Vorschläge für Verschärfungen des Gesetzes auch Arbeitgeberverband oder der Verband der Familienunternehmer. Die Linkspartei dagegen fordert neben Verbandsklagerecht und Sanktionen für Gesetzesverletzungen auch, dass die Antidiskriminierungsstelle gestärkt wird.