"Es ist wirklich so, dass ich heute, zehn Jahre nach dem Missbrauchsskandal, sagen muss, dass die bisherigen Anstrengungen und alles bisher Unternommene leider nicht ausgereicht haben, um das Leid der Mädchen und Jungen von Lügde oder Staufen zu verhindern. Und auch nicht das große Leid von zigtausend von Mädchen und Jungen, die Missbrauch in der Familie erleiden, und deren Fälle nicht an die Öffentlichkeit kommen."
Eine großenteils bittere Bilanz von Johannes-Wilhelm Rörig - und er erfasst mit seiner Kritik nicht zuletzt sich selbst und seine Arbeit. Denn dass es heute sein Amt, das eines Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, überhaupt gibt, ist Folge eines Skandals, der vor genau zehn Jahren die Oberfläche der Medienöffentlichkeit erreichte.
Jahrelange sexuelle Übergriffe auf der Elite-Schule
Am 28. Januar 2010 berichtete die Berliner Morgenpost unter der Überschrift, "Das Schweigen muss gebrochen werden", von "jahrelangen und systematischen sexuellen Übergriffen von mindestens zwei Patres" auf Schüler des Canisius-Kollegs, einer Elite-Schule im Berliner Bezirk Tiergarten.
Zu diesen gehörte auch Matthias Katsch, der das von Jesuiten betriebene Gymnasium von 1973 bis '81 besuchte. Auf seine Aussagen ging die Berichterstattung maßgeblich zurück:
"Ich habe in den 70er-Jahren als 13-, 14-Jähriger durch zwei Priester sexuelle Gewalt erlitten. Der eine hat mich in den Beichtgesprächen, die er als Priester mit mir geführt hat, massiv bedrängt, hat mich angefasst, hat mich dazu genötigt, mich vor ihm zu entblößen und wollte mich dazu bekommen, mich selbst zu befriedigen. Das habe ich dann abbiegen können, war aber so durcheinander durch diese über Monate währende Attacke, dieses fortwährende Insistieren, dass es mir nicht gut ging. Und dann hat er mich zu seinem Mitbruder geschickt, der mir vermeintlich helfen sollte, weil ich auch dann schon schulische Schwierigkeiten entwickelt hatte."
Aufklärungswelle über sexuelle Gewalt an Kindern
Der andere Priester verlangte von den Jungen, ihr Gesäß zu entblößen und sich schlagen zu lassen, berichtet Matthias Katsch. Er selbst habe gespürt, dass ihm Unrecht geschah, konnte dieses aber nicht genau benennen:
"Ich habe nicht hinterfragt zu dem Zeitpunkt die Berechtigung eines Priesters, mit einem Beichtkind über Sexualität zu sprechen zum Beispiel. Und ich habe auch nicht den Zusammenhang von Gewalt und Sexualität verstanden als pubertierender Junge."
Mehr als 30 Jahre später suchte Katsch den Kontakt zu weiteren betroffenen Mitschülern und wandte sich an den Rektor der Schule, Pater Klaus Mertes. Dieser bat in einem Brief die ehemaligen Schüler der 70er- und 80er-Jahre um Entschuldigung und forderte Betroffene auf, ihre Erfahrungen öffentlich zu machen.
Was folgte, war eine Aufklärungswelle über sexuellen Missbrauch und sexuelle Gewalt an Kindern, die zuerst die katholische Kirche, dann aber auch viele andere Institutionen der deutschen Gesellschaft erfasst hat – und die bis heute alles andere als beendet ist.
"Die Gesellschaft brauchte eine Vorbereitungszeit"
Matthias Katsch erklärt in seinem neuen Buch "Damit es aufhört", warum dies ausgerechnet 2010 passierte. Drei wesentliche Dinge, meint er, seien in diesem Jahr zusammengekommen: Betroffene wollten nicht länger schweigen. Der Direktor einer Institution signalisierte: 'Wir glauben euch und wollen, dass ihr sprecht.' Und die Öffentlichkeit war bereit zuzuhören.
"Dass es sich hier eben um Schüler – zunächst einmal – handelte von höheren Bildungseinrichtungen, mit der katholischen Kirche auch eine Institution konkret als Verantwortliche erschien, auch die Tatsache, dass es Männer waren, Männer, die sich als Opfer präsentieren, auch das hatte Neuigkeitswert für die Medien und für die Gesellschaft. Aber ich glaube, das alleine erklärt es nicht: Die Gesellschaft brauchte eine Vorbereitungszeit, einige Jahrzehnte, in denen das Bewusstsein wachsen konnte, dass es sexuelle Gewalt gibt, und dass Menschen unter den Folgen dieser erlittenen Gewalt auch leiden."
Angst vor Imageverlust an der Odenwaldschule
Hinzu kam: Auch aus einem ganz anderen Teil des bürgerlichen Bildungsspektrums wurde kurz darauf ein Missbrauchsskandal gemeldet. Ehemalige Schüler der reformpädagogischen Odenwaldschule berichteten von Vergehen unter dem Dach des Vorzeige-Internats und seines Leiters Gerold Becker. Ein Bericht in der Frankfurter Rundschau im Jahr 1999 hatte keine Reaktionen ausgelöst.
Doch nun gab es Öffentlichkeit – und erst einmal Gegenwehr der Schule, erzählt die frühere Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, Brigitte Tilmann. Sie hatte die Vorgänge zu begutachten.
"Ich weiß auch noch genau, als wir als erste Aufarbeiterinnen, die Claudia Burgsmüller und ich, reingegangen sind in die Schule, war eine große Empörung auch da, eine große Abwehr bei dem Lehrer-Kollegium und eigentlich auch in der Öffentlichkeit, wie man eine so tolle Institution wie die Odenwaldschule so in Verruf bringen kann, indem man diese Dinge beleuchtet. Ich weiß noch ganz genau, dass es immer darum ging, man macht die Schule kaputt. Aber nicht darum, welches Leid den Schülern angetan worden ist."
"Vor 2010 war das gleiche Spektrum bekannt"
Tilmann kam dann auf mindestens 132 Betroffene und rund ein Dutzend Täter, darunter eine Frau.
Doch so wenig die katholische Kirche die Skandalisierung verhindern konnte – deren Würdenträgern bis heute wenig Aufarbeitungswillen bescheinigt wird -, so wenig konnte die Odenwaldschule verhindern, dass ihre Geschichte erzählt wurde. Was im Fall der Schule mit der Schließung endete.
Dabei war sexuelle Gewalt an jungen Menschen schon seit Jahrzehnten in all ihren Facetten ein Thema, betont Ursula Enders. 1987 hat sie den Verein "Zartbitter" in Köln mit gegründet, eine der ältesten Kontakt- und Informationsstellen in Deutschland gegen sexuellen Missbrauch von Mädchen und Jungen.
"Vor 2010 war das gleiche Spektrum bekannt, was heute bekannt ist. Es war das Thema Missbrauch in Familien bekannt, es war das Thema Missbrauch in Institutionen bekannt. Wir hatten sehr große Fälle in der Beratung zur pornographischen Ausbeutung von Kindern im Rahmen des organisierten Verbrechens."
Die Kirche versetzte die Täter einfach
All dies war eher ein Gegenstand der Fachwelt als der Öffentlichkeit, meint Christine Bergmann, ab März 2010 die erste Unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung. Zu Beginn ihrer Amtszeit hätten die Familien und Institutionen noch gemauert, und die Betroffenen wussten nichts voneinander. Es habe die Meinung vorgeherrscht, es handle sich um Einzelgeschichten.
"Ich sage das von mir selber. Wir haben ja dann zunächst mal versucht, Betroffene zum Sprechen zu bringen. Das war ja das erste: 'Sprechen hilft'. Das waren in der Regel Menschen so um die 50 herum, die das erste Mal gesprochen haben. Also wie dieses Schweigen-Müssen, Nicht-reden-Können, was das auch für Folgen hat für das Leben der Betroffenen. Das war der Anfang 2010, dass wir überhaupt erstmal sagen konnten: Wir hatten 17.000 Anrufe und 3.000 Berichte und Mails innerhalb von kurzer Zeit."
Nicht nur die hohen Zahlen, auch dass die katholische Kirche Täter wie die Patres am Canisius-Kolleg mehrfach an andere Schulen, in andere Gemeinden versetzte, wo sie wieder Vergehen begingen, setzte auch die Politik unter Druck.
"Runder Tisch" zu sexuellem Kindesmissbrauch
Mit dem Amt der Unabhängigen Beauftragten richtete die Bundesregierung im März 2010 auch den "Runden Tisch" zu sexuellem Kindesmissbrauch in Institutionen und Familien ein. Die Betroffenen waren nicht dabei.
"Wir müssen in Deutschland die Zahl der Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche maximal reduzieren - und zwar so schnell wie möglich, so konsequent wie möglich und auch in allen Tatkontexten."
Sagt Bergmanns Nachfolger Johannes-Wilhelm Rörig heute. Er hat Aufklärung weiter institutionalisiert: einen Betroffenenrat, die Unabhängige Aufarbeitungskommission und das Hilfetelefon eingerichtet.
Nationale Strategie gegen Missbrauch bis Sommer 2021
Der vor wenigen Wochen gebildete "Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen" soll im Sommer 2021 eine Strategie für Forschung, eine kindgerechte Justiz und nicht zuletzt verschärfte Kontrollen von Missbrauchsabbildungen im Netz vorlegen. Wie nötig das ist, begründet Rörig mit den zuletzt bekannt gewordenen Skandalen:
"Die heutigen Fälle, zum Beispiel Staufen, Lügde oder Bergisch-Gladbach, die große öffentliche Aufmerksamkeit erzielen, die geschehen zumeist oder ereignen sich zumeist im familiären Kontext. Und in diesen Fällen spielt die Vernetzung von Tätern und Täterinnen über das Internet und das Darknet eine ganz entscheidende Rolle. Denn es ist so, dass heutzutage immer häufiger sexueller Missbrauch auch zugleich zur Herstellung von sogenannter Kinderpornografie genutzt wird."
Vor wenigen Tagen erst hat der Bundestag beschlossen, das Cybergrooming, das Anbahnen sexueller Kontakte im Internet, unter Strafe zu stellen und die Möglichkeiten für Ermittlungen im Netz zu erweitern.
Rechnerisch ein bis zwei Opfer pro Schulklasse
Dass Räte, Telefone und Kommissionen nicht unbedingt sofort helfen, zeigen auch die Zahlen: Die Polizei hat für das Jahr 2018 eine Zunahme der einschlägigen Delikte um mehr als sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr gemeldet, insgesamt waren rund 14.600 Kinder bis 14 Jahre von sexueller Gewalt betroffen.
Das seien 40 bekannte Fälle pro Tag, rechnet Rörig vor. Hinzu kommen die Fälle von Kinderpornographie, die im gleichen Zeitraum um 14 Prozent auf rund 7.500 stark angestiegen seien. Experten gehen von durchschnittlich ein bis zwei Kindern pro Schulklasse aus. Für Matthias Katsch zeigt sich:
"...dass wir tatsächlich gerade erst begreifen, dass sexueller Kindesmissbrauch – und ich wähle das Wort jetzt bewusst – 'normal' ist. Es ist eben nicht der Ausnahmefall, sondern es geschieht leider regelhaft in ganz vielen Kontexten und in ganz vielen Familien."
Was ist mit den heute aktuell betroffenen Kindern?
Mit der Vielzahl von Aktivitäten gegen Missbrauch hat allerdings auch der Streit darüber zugenommen, wo zur Verhinderung von Verbrechen anzusetzen ist. Einig sind sich alle: Es braucht gesellschaftliches Bewusstsein und Vorbeugung.
Aber im Einzelnen gehen die Forderungen auseinander. Ursula Enders von "Zartbitter" zeigt sich - nach der Aufbruchsstimmung im Jahr 2010 - ernüchtert.
"Wir haben auf der einen Seite große Themen in der Öffentlichkeit, wobei man sich ganz konkret immer das Thema Prävention aufgreift und das Thema Aufarbeitung der Altfälle, wo die Täter schon meist verstorben sind. Man setzt sich aber nicht mit dem Thema auseinander, was ist mit den heute aktuell betroffenen Kindern, und auch sehr wenig mit dem Thema: Was brauchen die Betroffenen der Vergangenheit, was brauchen die heute erwachsenen Betroffenen?"
Verwüstungen, die sexuelle Gewalt anrichten kann
Auch Matthias Katsch, der frühere Canisius-Schüler, bemängelt: Es gebe zu wenig Therapieplätze, auf Missbrauch spezialisierte Behandlungsmöglichkeiten und Beratungsstellen:
"Wir haben es nicht geschafft, eine Hilfelandschaft zu schaffen, die wirklich Betroffenen heute adäquat weiterhilft und sie unterstützt in der Bewältigung ihres traumatisierten Lebens. Und wir haben es auch nicht geschafft, eine Entschädigung zu erreichen durch die Institutionen, die den Namen verdient. Es gibt bisher nur die Bereitschaft zu einer sogenannten Anerkennungszahlung, also einer symbolischen Zahlung von bis zu 5.000 Euro. Das steht in keinem Verhältnis zu den Verwüstungen, die sexuelle Gewalt in der Biographie von Menschen anrichten kann."
Täter-Strategie: Den Kindern die Schuld geben
Sabine Andresen, Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission, setzt stärker auf weitere Aufklärung, auf Zuhören und Zuwendung. Ihre Kommission hat schon über 1.000 Anhörungen von Betroffenen durchgeführt, viele weitere Interessenten stehen noch auf der Warteliste.
"Ich glaube, man versteht darüber erst, was es bedeutet, als Kind sexuell missbraucht zu werden in der Familie oder in der Schule oder in einem Sportverein. Also wie Kinder, die ja darauf angewiesen sind, dass sie erwachsenen Menschen vertrauen können, wie Kinder damit ringen, dass ihnen Gewalt angetan wird, dass sie unter Druck gesetzt werden, dass diese Form der sexuellen Gewalt damit einhergeht, dass ihnen vielfach die Schuld dafür gegeben wird – das ist ja eine Strategie von Tätern und Täterinnen."
Den Opfern wird häufig nicht geglaubt
In den ersten drei Jahren hat die Kommission sich auf sexuellen Missbrauch in Familien konzentriert. Die Anhörungen hätten – anders als angenommen – gezeigt, dass viele von Missbrauch betroffene Kinder eben gerade nicht schwiegen, berichtet die Erziehungswissenschaftlerin Andresen. Sie nahmen ihren Mut zusammen und sprachen zum Beispiel eine Lehrerin an. Häufig wurde ihnen jedoch nicht geglaubt - oder die Gewalt bagatellisiert.
Die Aufarbeitungskommission hat nicht so weit reichende Kompetenzen wie die sogenannten Royal Commissions haben, die in Irland und in Australien sexuellen Missbrauch aufarbeiten und beispielsweise Zeugen vorladen dürfen. Auch haben die Betroffenen in Deutschland kein gesetzlich verbrieftes Recht auf Aufarbeitung.
Es braucht ein Umfeld, das auf die Kinder achtet
Obwohl Andresen das bedauert, ist sie von ihrer Arbeit überzeugt: Indem die Kommission Betroffene anhört und Akten sichtet, kann sie die Strukturen hinter der Gewalt erkennen. Um sexuellem Missbrauch in Familien vorzubeugen, brauche es ein Umfeld, das auf die Kinder achtet – und Klischees über Gewalt überprüft.
"Etwa der Fall von Staufen, in dem das große Erstaunen da war, wie kann eine Mutter so etwas tun? Das darf eben nicht dazu führen, dass wir, weil wir denken, eine Mutter wird so etwas nie tun, eben nicht genau hingucken in bestimmten Fällen in Familien."
Es fehlt an der systematischen Umsetzung der Schutzkonzepte
Um sexuelle Gewalt in Institutionen zu verhindern, müssen Handlungsleitfäden entwickelt werden: Regeln, an die Mitarbeiter sich zu halten haben. Jörg Fegert, ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Ulm, hat sich schon lange vor 2010 mit der besonderen körperlichen Nähe und dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient beschäftigt.
Die Erfahrung, dass ein Chefarzt seiner früheren Klinik jahrzehntelang Kinder missbraucht hatte, veranlasste Fegert, Schutzkonzepte für Krankenhäuser und Arztpraxen zu entwickeln – mit Fortbildungen für die Mitarbeiter und einem Notfallplan.
"Ich brauche die Telefonnummer einer unabhängigen Fachkraft beim Jugendamt, die mich beraten kann. Ich brauche externe Beratung, ich brauche ein Beschwerdemanagement, wo sich Patienten hinwenden können. Was man braucht, ist eigentlich relativ gut bekannt. Und der Unabhängige Beauftragte, Herr Rörig, hat ja auch eine Evaluation gemacht. Und da sieht man auch, dass sich doch viele Kliniken auch auf den Weg begeben haben. Was im Moment eigentlich fehlt, ist eine systematische Umsetzung ganz vieler Dinge, die zusammengehören."
Schutzkonzepte sollten in Gesundheitseinrichtungen Normalität werden, schlägt Fegert vor.
"Was wir heute sicher anders machen als vor 15, 20 Jahren, ist zum Beispiel, die Jugendlichen sehr viel stärker mit einzubeziehen. Und als wir jetzt den neuen Schutzkonzept-Prozess bei uns gestartet haben, haben wir auch Jugendliche mal unser Klinikgelände aufmalen lassen und Bereiche definieren, wo sie sich wohl fühlen, wo sie sich sicher fühlen, was sie eher schwieriger finden."
Kinderschutzsiegel und polizeiliche Führungszeugnisse
Viele Einrichtungen wie die Kirchen, Schulen und Heime mussten sich in den vergangenen zehn Jahren nach einer gewalttätigen Vergangenheit und ihrem gegenwärtigen Bewusstsein fragen lassen. Erstaunlich lange gelang es dagegen dem institutionalisierten Sport, nicht weiter aufzufallen.
Allerdings wurden in jüngster Zeit etliche Fälle bekannt, in denen Platzwarte und Trainer in den Duschen oder Umkleidekabinen übergriffig wurden. Längst haben die Landessportbünde reagiert und Missbrauchsbeauftragte eingestellt.
Meral Molkenthin vom LSB Berlin, bei der 2019 rund 30 Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Sportvereinen gemeldet wurden, entwickelt ein Kinderschutzsiegel. Vereine und Verbände könnten zukünftig damit werben, dass sie sich von ihren Trainern ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen lassen.
"Angefangen hat das bei stark bei uns mit der Prävention. Da sind wir auch sehr gut aufgestellt. Ich finde aber auch, in der Intervention und in der Aufarbeitung müssen wir unsere Schwerpunkte legen. Also wir können nicht sagen: Wir machen nur das eine. Wir können aber sagen: Wir arbeiten im Bereich der Intervention ganz stark mit den Fachberatungsstellen zusammen – ohne dass wir die Arbeit von uns weisen wollen, sondern einfach weil da auch das Knowhow sitzt."
Die schulterzuckende vermeintliche Gewissheit durchbrechen
Im Frühjahr wird die Aufarbeitungskommission Betroffene sexueller Gewalt in Sportvereinen anhören. Auch Johannes-Wilhelm Rörig arbeitet daran, dass die Schlupflöcher enger werden. Er will erreichen, dass jedes Bundesland einen eigenen Missbrauchsbeauftragten ernennt und Schulen gesetzlich zu einem Schutzkonzept verpflichtet werden. Mit einem Fernsehspot startet er diese Woche Dienstag eine große Aufklärungskampagne.
Matthias Katsch hält es für richtig, die Öffentlichkeit weiter zu sensibilisieren. Die schulterzuckende vermeintliche Gewissheit, dass sexuelle Gewalt eben irgendwie zur Gesellschaft gehört, müsse endlich durchbrochen werden:
"Es gehört nicht dazu, es gehört überwunden – so wie wir die Gewalt in der Erziehung nach und nach abgeschafft, überwunden haben in den letzten Jahrzehnten, so können wir, glaube ich, die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche überwinden, wenn wir das Thema ernst genug nehmen."