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Zehn Jahre nach dem Libanon-Krieg
Ruhige Grenze, gefährliche Grenze

Ein Krieg ohne Sieger war der zwischen Israel und der Hisbollah im Sommer 2006 ausgetragene Konflikt. Seit dem Waffenstillstand setzen Israel und der Libanon auf gegenseitige Abschreckung: Sperranlagen, Wachtürme und israelische Soldaten, die an der sogenannten blauen Linie patrouillieren. So scheint ein weiterer Krieg nur eine Frage der Zeit, daran zweifelt keiner der beiden Parteien.

Von Torsten Teichmann |
    Israelische Soldaten patroullieren an der nördlichen israelisch-libanesischen Grenze.
    Israelische Soldaten patroullieren an der nördlichen israelisch-libanesischen Grenze. (afp / Jack Guez)
    Major Nico Konyn steht auf dem Berg Adir. Der Soldat der israelischen Armee zeigt mit der rechten Hand auf die gegenüberliegenden Hügel jenseits des Sperrzauns. Aita asch-Schaib, Rmyasch und Ain Ebel sind Dörfer im Libanon.
    "Schau Dir diesen wunderschönen Blick an, diese idyllischen Dörfer und Berge. Unser General hat als erstes zu mir gesagt, gewöhne Dich nicht an den tollen Ausblick. Der kann sich innerhalb von Minuten in die Hölle verwandeln."
    Konyn erzählt über den Juli 2006, als Mitglieder der libanesischen Hisbollah-Organisation über den Grenzzaun kletterten, einer israelischen Patrouille auflauerten und sie angriffen. Sie töteten drei Soldaten und verschleppten zwei weitere: Ehud Goldwasser und Eldad Regev. Es war der Auslöser für einen Krieg, der 34 Tage wütete.
    Der ehemalige Generalstabschef Mosche Kaplinsky erklärte vor wenigen Wochen im israelischen Fernsehen, die Armee sei damals überrascht worden.
    Aktionsmuster aus dem Westjordanland im Libanon irrelevant
    "Wir sind untrainiert in diesen Krieg gegangen, sowohl das stehende Herr als auch die Reservisten. Wir brachten Aktionsmuster aus dem Westjordanland mit, die dort sehr erfolgreich waren. Im Libanon waren sie völlig irrelevant."
    Befehle waren widersprüchlich. Einheiten, die weit in den Libanon vorgedrungen waren, blieben ohne Verpflegung. Hunderttausende Zivilisten in Israel waren nicht auf die Angriffe durch Raketen der Hisbollah vorbereitet. Das belegen Untersuchungsberichte.
    Trotzdem will der damalige Generalstabschef Dan Halutz nicht von einer Niederlage sprechen:
    "Trotz vieler Fehler und Versäumnisse in der Schlachtordnung, den Mitteln und Befehlen, verzeichnen wir rückblickend zehn Jahre Ruhe."
    Man habe die andere Seite abgeschreckt und ihr einen schweren Schlag verpasst, fasst der junge Major Nico Konyn zusammen.
    Auch die Hisbollah hat in Abschreckung investiert
    Die Armee hat mittlerweile an vielen Stellen ihre Sperranlagen Richtung Libanon verstärkt. Das Militär investierte in Elektronik zur Überwachung des Gebiets. Mehr Wachtürme sind entstanden. Soldaten patrouillieren bis an die Demarkationslinie heran, die sogenannte blaue Linie.
    Zudem hält Konyn als Offizier der Liaison Einheit Kontakt zu den Soldaten der Vereinten Nationen und der libanesischen Armee im Gebiet:
    "Zum einen ist der Drei-Parteien-Mechanismus eine Möglichkeit, Nachrichten auszutauschen. In einer Form, die es zuvor nicht gab und die Missverständnisse vermeidet. Und zum anderen hält die Armee die Abschreckung aufrecht. Wir schlagen hart zurück, wenn nötig."
    Aber auch die Hisbollah auf libanesischer Seite hat in Abschreckung investiert. Nach Einschätzung eines hochrangigen Vertreters im Verteidigungsministerium in Tel Aviv verfügt die Hisbollah über mehr als hunderttausend Raketen. Überwiegend Geschosse für kurze Distanz.
    "Leider muss ich sagen, obwohl wir keinen Konflikt mit dem Libanon haben wollen, wissen beide Seiten, dass die nächste Runde zwischen Hisbollah und Israel kommen wird. Die Frage ist nicht "ob" sondern nur "wann"."