Am 24. Juli 2010 endete die Loveparade in Duisburg in einer Katastrophe: 21 Menschen wurden bei dem Technofestival in der Menschenmasse erstickt oder zu Tode getrampelt. 650 weitere Personen wurden verletzt. Die Tragödie ist auch zehn Jahre danach unvergessen. Das Autorenteam Antje Boehmert und Dominik Wessely hat eines der bislang wichtigsten Strafverfahren der Nachkriegszeit drei Jahre lang begleitet. Der Dokumentarfilm "Loveparade - die Verhandlung" zeichnet chronologisch das Verfahren nach, in dem es um die Frage nach der Schuld und den Verantwortlichen für die Massenhysterie ging. Es war eines der aufwendigsten Strafverfahren der Nachkriegszeit. Es endet nach knapp zweieinhalb Jahren und 184 Sitzungstagen ohne ein Urteil.
"Für die Angehörigen ist es tatsächlich eine große Frustration gewesen. Ich kann das menschlich zutiefst nachempfinden. Diesen Wunsch, dass man am Ende eines solchen Verfahrens nicht nur wissen möchte, was war die Ursache? Warum sind unsere Kinder unsere Liebsten hier gestorben, sondern auch wer trägt dafür die Verantwortung? Oder wer hat die Schuld? Und wenn ein Verfahren so endet, dass diese Frage, die Schuldfrage nicht in aller Eindeutigkeit beantwortet werden kann, dann muss das für Hinterbliebene natürlich zutiefst frustrierend sein", sagte Dominik Wessely im Deutschlandfunk.
Unterscheiden zwischen juristischer Schuld und moralischer Verantwortung
Er betonte, dass er im Prozessverlauf gelernt hat, zwei Dinge auseinanderzuhalten: "Es gilt zu trennen, zwischen dem, was man wirklich als Schuld im juristischen Sinne bezeichnet und dem, was eine politische oder eine moralische Verantwortung derer ist, die dafür gesorgt haben, dass diese Veranstaltung stattfinden konnte, die sie durchgedrückt haben und die dafür rechtlich aber nicht belangt werden können."
Angehörige und Juristen hatten immer wieder kritisiert, dass der Prozess zu spät begonnen habe - nämlich zwei Jahre vor der Verjährung - und der Kreis der Angeklagten viel zu klein gewesen sei. Das Landgericht Duisburg stand unter enormen Erwartungsdruck und sollte eine Aufarbeitung der Katastrophe leisten. Wessely wollte sich kein Urteil über die Ermittlungsarbeit der Polizei und der Staatsanwaltschaft erlauben, er könne sich nur auf den Prozess beziehen. "Ich habe großen Respekt vor der Akribie der sechsten Großen Strafkammer und ihre Arbeit, die haben da wirklich, glaube ich, jeden Stein umgedreht und sich die Entscheidung nicht leicht gemacht", sagte Dominik Wessely.
Politik habe sich einen "schlanken Fuß" gemacht
Die Politik hätte sich hingegen bei der Aufarbeitung einen "schlanken Fuß" geleistet, kritisierte Wessely. "Am Ende ist es wahrscheinlich so gewesen, dass alle im Landtag oder auch im Rat der Stadt Duisburg vertretenen Parteien in irgendeiner Weise das Gefühl hatten, wir haben mit dazu beigetragen, dass diese Veranstaltung stattgefunden hat. Und möglicherweise liegt darin auch ein Motiv dafür, dass man im Nachgang nicht so genau wissen wollte, wie eigentlich die politischen Entscheidungswege waren, wie diese Veranstaltung zustande gekommen ist." Wer im Einzelnen dann entschieden habe, ließe sich heute wahrscheinlich nicht mehr "durchexekutieren". "Da ist was liegen geblieben, und diese Aufgabe wurde am Schluss dem Gericht zugeschoben", sagt Dominik Wessely.
Der Toten und Verletzten wird zum Jahrestag am 24. Juli 2020 in einer "Nacht der 1000 Lichter" gedacht. Zur Unglückszeit erinnern 21 Glockenschläge an die jungen Opfer.