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Zeichnungen eines Flüchtlings
Gemalte Fluchtgeschichten auf der Zeltwand

Ein halbes Jahr hat Eyad Alkhateeb aus Syrien in einer Flüchtlingsunterkunft in Badenstedt in Niedersachsen gelebt. Dort sah er immer wieder die Bilder von Krieg und Vertreibung vor sich. Alkhateeb malte sie kurzerhand an die Wände seines Zeltes. Jetzt sind die Zeichnungen Teil einer Ausstellungsreihe der Galerie Kubus in Hannover.

Von Agnes Bührig |
    Der syrische Bildhauer Eyad Alkhateeb vor dem Zelt seiner Ausstellung "Eyad Alkhateeb: An Inside Look".
    Der syrische Bildhauer Eyad Alkhateeb vor dem Zelt seiner Ausstellung "Eyad Alkhateeb: An Inside Look" (Landeshauptstadt Hannover)
    Ein heller Galerieraum, leer und einzig mit einem Zelt in der Mitte gefüllt. Eyad Alkhateeb tritt vorsichtig ein in den Raum mit den fünf schwarzen Metallbetten, der ein halbes Jahr lang sein Zuhause war.
    "Hier habe ich gelebt. Und geschlafen. Nicht in der Nacht, denn da habe ich all das hier gezeichnet. Am Morgen ging das nicht, da waren so viele Geräusche, so viele Menschen. Wir waren mehr als 500 in der Flüchtlingsunterkunft. Die Bilder sind dann gewachsen. Warum ich mit dem Zeichnen angefangen habe, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass mein Leid raus musste. Sonst hätte es mich am Ende vernichtet."
    Die vier Mitbewohner seines Zeltes rieben sich am Morgen oft überrascht die Augen, wenn sie seine neuen Bilder von Krieg und Vertreibung sahen. Der 34-Jährige hat sie mit Kugelschreiber, Filzstift und Kohle gezeichnet, die ihm engagierte Betreuer im Flüchtlingslager besorgten. Ein Kind von hinten ist da zu sehen, wie es auf einem Stuhl steht und in dürren Linien das verblassende Bild seiner Eltern an die Wand malt. Ein anderes zeigt eine Menschenmasse, die auf Essen wartet - vorne reißt ein Mann klagend den Mund auf. Dazwischen sind Zitate und die Köpfe von Gandhi, Che Guevara und Einstein gezeichnet. Die Kuratorin der Ausstellung, Anne Prenzler, erinnert das an Graffitis und Streetart. Aber auch an Höhlenmalerei.
    Installationsansicht des Zeltes der Ausstellung "Eyad Alkhateeb: An Inside Look".
    Installationsansicht des Zeltes der Ausstellung "Eyad Alkhateeb: An Inside Look". (Landeshauptstadt Hannover)
    "Höhlenzeichnungen sind Darstellungen von Erlebtem und von Erfahrenem und die haben sich keine Gedanken über Kunst gemacht, sondern das einfach auf die Wand gebracht, weil eine Notwendigkeit da war. Die Erinnerungsforscherin Aleida Assmann hat mal gesagt, es geht bei dem Niederschreiben und Zeichnen gar nicht unbedingt darum, dass man es verarbeitet oder sich entlastet, sondern manchmal ist es auch so eine Bannung dieser Erfahrungen."
    Nicht als Opfer sehen
    Eyad Alkhateeb will in der Gegenwart ankommen, Deutsch lernen, seine Fähigkeiten einbringen. Vor seiner Flucht hat er als Dozent an der Universität Damaskus gearbeitet. Gerne würde er in Deutschland sein Dissertationsthema wieder aufgreifen. Er war Bildhauer mit eigenem Atelier, vertreten unter anderem in der Sammlung des Ministeriums für Kultur. Etliche seiner Skulpturen handeln vom menschlichen Leid, ausgelöst von Krieg und Vertreibung. Doch bei allen Entbehrungen, die so in seine Kunst einfließen: Es ist Alkhateeb wichtig, nicht als Opfer gesehen zu werden.
    "Leider sprechen viele Leute hier über Flüchtlinge wie über Mangelwesen. Ich weiß nicht, warum. Wir brauchen keinen, der unsere Situation beweint. Wir brauchen niemanden, der uns bemitleidet. Dieses Gefühl brauche ich nicht. Wir sind gut qualifiziert, wir können auch hier arbeiten, wir können helfen. Wir sind nicht mit leeren Händen nach Deutschland gekommen."
    Schmerz über die Zerstörung
    Um etwas zurück zu geben, hat Eyad Alkhateeb ein Video in der Ausstellung platziert. Zu sehen sind antike Stätten und prächtige Gebäude seiner Heimat, kontrastiert mit Bildern von zerstörten Häuserfluchten und Fotos von Bombenangriffen. Dazu singt er ein selbstgeschriebenes Lied. Es handelt von seinem Schmerz über die Zerstörungen von Damaskus, von seiner Sorge um Frau und zwei Kinder, die noch in Syrien sind. Und von seiner Hoffnung auf eine hellere Zukunft – die Ausstellung ist ein erster Schritt dahin.
    "Ich muss Deutsch lernen, ich versuche, mich zu integrieren und das zu machen, was ich schon immer gemacht habe. Als Künstler habe ich die Aufgabe, das grausame Leiden mit den Mitteln der Kunst zu spiegeln, mit der Schönheit des künstlerischen Ausdrucks. Denn es ist wichtig, dass wir nicht abstumpfen, wenn in den Medien tagtäglich über terroristische Angriffe berichtet wird, in Syrien, Palästina, Frankreich und zuletzt Süddeutschland."
    Genau das will die neue Ausstellungsreihe "Freispiel" in der Galerie Kubus: Mit kurzen, einwöchigen Ausstellungen den Finger in gesellschaftliche Wunden legen. Vor allem mit Künstlerinnen und Künstlern aus Hannover und der Region - und das gern auch genreüberschreitend mit Musik und Performance. Ein Konzept, das mit der der Eröffnungsausstellung "An Inside Look" aufgeht.