Archiv


Zeigen statt verstecken

Biologie. – Chamäleons werden gern als Meister der Tarnung bezeichnet. Dass der Farbwechsel einen ganz anderen Ursprung hat, berichten nun australische Biologen im Fachblatt PLoS. Demnach dient der Farbwechsel bei Chamäleons nicht der Tarnung, sondern entwickelte sich im Laufe der Zeit als Signalgeber.

Von Michael Stang |
    Chamäleons sind nicht nur für ihre Schleuderzunge berühmt, mit der sie blitzschnell Insekten fangen können, sondern vor allem für ihre Fähigkeit, binnen weniger Sekunden ihre Hautfarbe zu verändern.

    „Dabei stellt sich immer die Frage, warum machen Chamäleons das oder besser: Warum hat sich diese Fähigkeit im Laufe der Evolution entwickelt? Chamäleons wechseln ihre Farben nicht nur um sich zu verstecken, sondern auch wenn es ihnen schlecht oder gut geht oder wenn sie auf einen Artgenossen treffen. Wir wollten herausfinden wann, wo und wie die Tiere diese Fähigkeit einsetzen, die von Art zu Art variiert. Während einige Vertreter ihre Farben variantenreich wechseln können, schaffen andere Arten das nur in Ansätzen",“

    sagt Devi Stuart-Fox von der Universität von Melbourne. Die australische Biologin wollte herausfinden, ob die Farbwechsel bei einzelnen Arten immer gleich sind oder ob es Unterschiede gibt. Bei ihren Experimenten beobachtete sie die Vertreter von 21 Spezies. Dabei untersuchte sie, welche Farben die Chamäleons hatten, wenn sie sich versteckten, schliefen, wenn sie aggressiv oder krank waren oder auf Brautschau gingen. Stuart-Fox:

    „"Dabei sahen wir, dass die häufigsten Farbwechsel immer dann einsetzten, wenn sich zwei Männchen direkt begegneten. Die Farbwechsel haben wir mit einem Spektrometer untersucht, da es oft nur Nuancen sind und Chamäleons im Gegensatz zu uns auch im UV-Bereich Farben sehen können. Die Farbänderungen haben wir in einem System umgerechnet, um zu schauen, wie auffällig eine Farbänderung für so ein Chamäleonauge war. Dabei sahen wir, dass die Männchen bei den Auseinandersetzungen farblich ans Limit gingen und ihr ganzes Spektrum darboten.”“

    Nach einem Kampf zweier Männchen waren die Farben besonders deutlich. Während der Sieger bunt leuchtete, zeigte der unterlegende Kontrahent nur ein unscheinbares, meist erdfarbenes oder grau verwaschenes Hautkleid. Diese Signale zeigten die Vertreter aller Arten stets unabhängig von den Umweltbedingungen, etwa der Farbe der Umgebung. Stuart-Fox:

    „"Chamäleons haben diese erstaunliche Fähigkeit also nicht entwickelt, um sich tarnen zu können. Wir glauben, dass sich diese Fähigkeit einzig und allein über die Konkurrenzkämpfe entwickelt hat. Bei den verschiedenen Arten sahen wir zum Teil spektakuläre Farbwechsel, der Motor für den Farbwechsel war also Konkurrenzkampf.“

    Eine solch komplizierte Fähigkeit kann sich nur über die so genannte sexuelle Selektion entwickelt haben, sagt Devi Stuart-Fox. Das Zusammenspiel der Hautzellen und Muskeln, die verschiedene Pigmente freilegen oder verdecken, ist viel zu aufwendig. Nur der Tarnung halber hätte sich so etwas in der Evolution nicht durchsetzen können. Die Tarnung war der Biologin zufolge eher ein praktischer Nebeneffekt, keinesfalls der Motor für die Entwicklung einer solchen Fähigkeit. Erfolgreich waren demnach immer die Chamäleons, die ihre Gegner farblich besiegen konnten und sich so die Chance auf ein Weibchen wahrten. Stuart-Fox:

    „”Wenn sie plötzlich leuchtende Farben zeigen, geschieht das nur aus einem Grund. Sie wollen um jeden Preis gesehen werden, je auffälliger, desto besser. Sobald ein Männchen einen Artgenossen erblickt, ändert es sofort seine Farbe und zeigt sich.”“

    Der Preis für ein solches Balzgehabe ist allerdings hoch: wenn Konkurrenten auf Farben aufmerksam werden sollen, dann werden es die Feinde ebenfalls. Deshalb beschränken Chamäleons das farbenfrohe Protzen immer nur auf wenige Sekunden, damit sie Vögeln nicht zum Opfer fallen. Wenn dann doch einmal ein Feind kommen sollte, haben sie noch ein Ass im Ärmel. Chamäleons können zudem ihre Körperform der Umgebung anpassen und durch ruckartige Bewegungen ein im Wind wehendes Blatt nachahmen, auch wenn die Farbe nicht ganz stimmt.